BT-Drucksache 16/12135

zu der Beratung der Unterrichtung durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien -16/11570- Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2008

Vom 3. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12135
16. Wahlperiode 03. 03. 2009

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz, Gudrun Kopp,
Dr. Claudia Winterstein, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Uwe Barth, Angelika
Brunkhorst, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb,
Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

zu der Beratung der Unterrichtung durch den Beauftragten der Bundesregierung
für Kultur und Medien
– Drucksache 16/11570 –

Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2008

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

a) Der Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2008 ermög-
licht einen umfassenden Überblick über die politischen, rechtlichen und öko-
nomischen Rahmenbedingungen der Medien-, Informations- und Kommuni-
kationsgesellschaft. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Vorlage des
Berichts durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
(BKM) und dankt dem BKM für die geleistete Arbeit.

b) Die im Bericht enthaltene Bestandsanalyse nimmt der Deutsche Bundestag
insgesamt positiv zur Kenntnis. Darüber hinaus unterstützt er einen Großteil
der im Bericht implizit oder explizit vorgeschlagenen Maßnahmen und regt
an, viele bereits bestehende Projekte sowie politische Initiativen fortzuführen
und zu unterstützen. In diesem Zusammenhang begrüßt der Deutsche Bun-
destag unter anderem

● das über eine reine Bestandsaufnahme hinausgehende und in die Zukunft
gerichtete Konzept des Berichtes;

Drucksache 16/12135 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● die Erkenntnis, dass sich die Medienordnung insbesondere in einem Span-
nungsfeld zwischen Wirtschafts- und Kulturpolitik bewegt und mit einem
entsprechenden Blickwinkel politisch betrachtet werden muss;

● die Darstellung der bundespolitischen Verantwortung für eine funktionie-
rende, vielfältige und wettbewerbsfähige Medien- und Kommunikations-
landschaft (Kap. B I 1);

● die Herausarbeitung und Darstellung der in diesem Bereich wesentlichen
Entwicklungstendenzen sowie die Identifikation der Konvergenz der
Medien sowie der Digitalisierung als zentrale Faktoren (Kap. B II 1);

● die Schwerpunktsetzung auf die Sicherung von Anbietervielfalt als Garant
für den Schutz der Meinungsvielfalt (Anbietervielfalt generiert und sichert
in der Regel Angebotsvielfalt, Kap. C II);

● die Betonung der Wichtigkeit diskriminierungsfreien Zugangs zu Kom-
munikationsinfrastrukturen (Kap. D II 1f.);

● die grundsätzliche Ablehnung weiterer Werbeverbote und -beschränkun-
gen (Kap. D III 2);

● die Projekte des BKM in Kooperation mit privatwirtschaftlichen Akteuren
zur Förderung der Medienvielfalt und der Medienkompetenz, etwa die
„Initiative Printmedien“ (u. a. Kap. D III 5);

● die Betonung der Wichtigkeit eines funktionierenden verlagsunabhängigen
Presse-Grosso-Systems für die Medien- und Meinungsvielfalt (Kap. E I 3);

● die Hinweise auf das vielfältige Angebot und den grundsätzlich funktio-
nierenden Wettbewerb im Bereich der Internetdienstleistungen sowie die
Betonung der zentralen Bedeutung der Nutzerwünsche in diesem Zusam-
menhang (Kap. E IV 1ff.);

● die Anerkennung der Wichtigkeit und des kulturellen wie auch wirtschaft-
lichen Werts von Unterhaltungssoftware bzw. Computerspielen (Kap. E V);

● die dargestellten Erfolge der Bundeskulturpolitik im Bereich der Filmför-
derung (Kap. E VI).

c) Allerdings erkennt der Deutsche Bundestag, dass einigen zutreffenden Ana-
lysen sowie beobachteten Fehlstellungen im Bericht keine tragfähigen politi-
schen Konzepte gegenübergestellt wurden. Ferner teilt er einige Wahrneh-
mungen des Berichts insgesamt nicht, weil es auch dort an zukunftsfähigen
Konzepten mangelt. Schließlich nimmt er zur Kenntnis, dass einige der ge-
schilderten positiven Aspekte der Medien-, Informations- und Kommunika-
tionsgesellschaft durch Aktivitäten der Bundesregierung konterkariert wer-
den. In der Konsequenz sieht er diverse Maßnahmen als geboten an, die als
Folgerung aus dem Bericht umgehend ergriffen werden sollten.

Der Deutsche Bundestag anerkennt und respektiert dabei die Zuständigkeit
der Bundesländer für Presse, Rundfunk und Medien. Er stimmt allerdings der
im Bericht vertretenen Auffassung zu, dass die Vertretung medienpolitischer
Agenden in der internationalen Medienpolitik Angelegenheit des Bundes ist,
sowie dass medienpolitische Entscheidungen der Bundesländer nicht nur re-
gionale sondern auch beträchtliche gesamtstaatliche Wirkungen entfalten.
Daher sieht er eine bundespolitische Verantwortung für die Wahrung und Si-
cherung der Meinungsfreiheit und -vielfalt, nicht zuletzt vor dem Hinter-
grund der ebenfalls im Bericht konstatierten zunehmenden Konvergenz der
Medien sowie wirtschafts- und wettbewerbspolitischer Erwägungen.

d) In diesem Zusammenhang spricht der Deutsche Bundestag einige Punkte des
Berichtes kritisch an und fordert die Bundesregierung auf, entsprechende

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12135

Maßnahmen einzuleiten bzw. politische Konzepte zu erarbeiten. Als proble-
matisch wird unter anderem gesehen

● die übermäßige Betonung staatlicher Sicherheitsinteressen auch in der
Medienpolitik seitens der Bundesregierung sowie die massive Auswei-
tung von Überwachungsmaßnahmen und Speicherpflichten;

● das mangelhafte Entschädigungsregime für die Übertragung hoheitlicher
Aufgaben im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung sowie der
Telekommunikationsüberwachung;

● die den Anforderungen der modernen Medienwelt nicht ausreichend an-
gemessene Vermittlung von Medienkompetenz im Bildungssystem;

● das Fehlen eines tragfähigen Übergangskonzeptes für die Digitalisierung
des Hörfunks unter besonderer Berücksichtigung der immer noch hohen
Bedeutung der analogen Übertragung von Hörfunkangeboten;

● die Zersplitterung und Ineffizienz der Aufsichts- und Regulierungsinstan-
zen in Deutschland;

● die fehlende Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages
und die damit verbundenen Wettbewerbsverzerrungen im gesamten
Medienbereich;

● das Festhalten an der ineffizienten „Binnenkontrolle“ beim öffentlichen-
rechtlichen Rundfunk, die den Anforderungen der konvergenten und digi-
talen Medienwelt nicht angemessen ist;

● das anachronistische System zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks, welches ungerechtfertigte Hürden für die Mediennutzung der
Bürger mit sich bringt (etwa die Gebührenpflicht internetfähiger PC);

● die wenig zukunftsorientierte Haltung der Bundesregierung bei der Novel-
lierung der EU-Rundfunkmitteilung;

● die insgesamt zu hohe Regulierungsintensität im Bereich der Werbung,
welche bei der Finanzierung von Medien- und Pressediensten eine essen-
tielle Rolle einnimmt;

● die zunehmenden Tendenzen in Richtung weiterer Einschränkungen oder
Verbote von Werbeformen und -inhalten;

● die das Leitbild des mündigen Bürgers in der Informationsgesellschaft
verkennende Annahme eines mutmaßlich gesteigerten „Orientierungsbe-
darfs“ der Bürger in den Medien (Kap. D III 3);

● die häufigen reflexhaften Verbotsforderungen gegen bestimmte Medien-
inhalte aus den Reihen der Bundesregierung sowie diverser Bundesländer;

● die unzureichende Finanzierung der Deutschen Welle vor dem Hinter-
grund der politisch motivierten ständig steigenden Anforderungen an
diese.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich für ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den gebotenen Sicherheits-
interessen des Staates einerseits und der Ausgestaltung und Sicherung der
Meinungs-, Medien- und Kommunikationsfreiheit andererseits einzusetzen;

2. sich grundsätzlich auf allen politischen Ebenen – insbesondere im Rahmen
ihrer Mitgliedschaft im Rat der Europäischen Union – gegen weitere Verbote
und Beschränkungen von Werbeformen und -inhalten einzusetzen;

3. im Bereich der Werberegulierung grundsätzlich das bewährte System der
Selbstkontrolle zu wahren und zu fördern;

Drucksache 16/12135 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. sich weiterhin für den Erhalt eines verlagsunabhängigen Presse-Grosso-
Systems einzusetzen;

5. weiterhin vorrangig auf eine Vielzahl der Anbieter bei der Sicherung von
Meinungs- und Medienvielfalt zu setzen;

6. sich weiterhin gegen eine Diskriminierung ausländischer Investoren in der
Medienwirtschaft einzusetzen und stattdessen Konzepte vorzulegen, wie
sich zum Beispiel durch erhöhte Transparenzpflichten negative Auswirkun-
gen für die Meinungsvielfalt verhindern lassen;

7. im Bereich des Jugendschutzes das bewährte System der regulierten Selbst-
kontrolle bzw. Ko-Regulierung zu wahren und zu fördern;

8. sich auf allen politischen Ebenen gegen Diskriminierungen bestimmter
Medieninhalte einzusetzen;

9. noch in dieser Legislaturperiode die überfällige Reform des Telemedien-
gesetzes zu ermöglichen;

10. auch im Bereich der Telemedien das bewährte System der Selbstkontrolle
zu erhalten und zu fördern;

11. keine dirigistischen Staatspläne zum Ausbau der Telekommunikationsinfra-
struktur aufzustellen, sondern auf den funktionierenden Wettbewerb zu set-
zen;

12. ein Konzept zur flexibleren Vergabe von Frequenzen aus dem bis dato dem
Rundfunk vorbehaltenen Spektrum im Interesse einer breitbandigen Versor-
gung auch ländlicher Regionen vorzulegen und entsprechend auf die Bun-
desländer einzuwirken;

13. ein Konzept zur zukünftigen Strategie bei der Regulierung von Telekommu-
nikationsinfrastrukturen vorzulegen;

14. den Aufbau einer detaillierten Datenbasis als Grundlage für eine Versor-
gung aller ländlicher Regionen mit Breitbandanschlüssen zu unterstützen;

15. sich auch beim Verbraucherschutz im Telekommunikationsbereich am Leit-
bild des mündigen Bürgers zu orientieren;

16. sich für die Schaffung einer der konvergenten und digitalen Medienwelt
angemessenen einheitlichen Aufsichts- und Regulierungsinstitution für
Medien und Telekommunikation nach dem Vorbild der britischen „Ofcom“
einzusetzen;

17. sämtliche Fördermittel aus dem Bundeshaushalt für Projekte im Bereich der
Informationsgesellschaft zu evaluieren und Förderungen in Bereichen, in
denen im freien Markt bereits ein hohes Maß an Investitionen getätigt und
Innovationen geschaffen werden, einzustellen;

18. in diesem Zusammenhang bei der Optimierung der Informations- und
(Tele-)Kommunikationsstrukturen der Bundesverwaltung sowie der Aus-
weitung und Verbesserung des Angebots von eGovernment-Anwendungen
vorrangig auf bereits im Markt erhältliche Lösungen zu setzen;

19. bei der Filmabgabe ein einheitliches, verfassungskonformes Abgabesystem
zu schaffen, das alle Branchen der Filmwirtschaft gemäß ihrer Leistungs-
fähigkeit in die Finanzierung der Filmförderungsanstalt miteinbindet;

20. ein Konzept zur Finanzierung der Deutschen Welle vorzulegen, welches
deren gestiegenen Anforderungen und dem erweiterten Aufgabenspektrum
gerecht wird;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/12135

21. sich bei den Bundesländern dafür einzusetzen, dass

a) die im Rahmen der überarbeiteten EU-Richtlinie über audiovisuelle Me-
diendienste (2007/65/EG) maximal mögliche Liberalisierung der Wer-
beregulierung im privaten Rundfunk und in privaten Medienangeboten
durchgesetzt wird;

b) die Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vereinheitlicht,
externalisiert und professionalisiert wird;

c) der öffentlich-rechtliche Rundfunk werbe- und sponsoringfrei gestaltet
wird;

d) die Rundfunkgebühr durch eine allgemeine pauschale Medienabgabe
ersetzt wird;

e) der Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter beson-
derer Berücksichtigung der Programmsäulen Kultur, Bildung und Infor-
mation präzisiert wird;

f) die Weiterentwicklung des Internets nicht durch eine übermäßige Regu-
lierung – etwa im Bereich audiovisueller Mediendienste – behindert
wird;

g) geprüft wird, ob zur Ausbildung und Förderung von Medienkompetenz
die Einführung eines Fachs „Medienkunde“ in allen Schulen darstellbar
ist;

22. sich im Rahmen ihrer Mitgliedschaft im Rat der Europäischen Union auf
EU-Ebene dafür einzusetzen, dass

a) die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste dahingehend angepasst
wird, dass sämtliche Beschränkungen von Werbemöglichkeiten zeit-
licher oder sonstiger Natur im Bereich privater audiovisueller Medien-
dienste – insbesondere im privaten Rundfunk – aufgehoben werden;

b) im Hinblick auf sämtliche anstehenden Anpassungen oder Erlasse von
Richtlinien, Mitteilungen und Verordnungen – etwa in den Bereichen
Wettbewerbsrecht, Alkohol- und Tabakwerbung, Energieeffizienz sowie
Lebensmittelkennzeichnungspflichten – darauf hingewirkt wird, dass es
zu keinen weiteren Einschränkungen oder Verboten von Werbeformen
und -inhalten kommt;

c) die EU-Rundfunkmitteilung seitens der Bundesrepublik Deutschland
konstruktiv begleitet wird, mit dem Ziel, einen europaweiten fairen Wett-
bewerb zwischen den und innerhalb der Rundfunk- und Mediensysteme
sicherzustellen.

Berlin, den 3. März 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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