BT-Drucksache 16/11750

Konjunktur jetzt stärken - Überlange Planungszeiten verhindern

Vom 28. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11750
16. Wahlperiode 28. 01. 2009

Antrag
der Abgeordneten Jan Mücke, Horst Friedrich (Bayreuth), Patrick Döring, Joachim
Günther (Plauen), Jens Ackermann, Christian Ahrendt, Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike
Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael
Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link
(Heilbronn), Markus Löning, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela
Piltz, Marina Schuster, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Daniel Volk,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Konjunktur jetzt stärken – Überlange Planungszeiten verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Zuweisung von Klagen
gegen Planfeststellungsbeschlüsse hinsichtlich der 85 Verkehrsinfrastrukturpro-
jekte, die im Allgemeinen Eisenbahngesetz, im Bundesfernstraßengesetz sowie
im Bundeswasserstraßengesetz abschließend aufgeführt sind, an das Bundes-
verwaltungsgericht als Erst- und Letztinstanz aufhebt, mit der Folge, dass gemäß
§ 48 der Verwaltungsgerichtsordnung fortan wieder sämtliche Klagen gegen
Planfeststellungsbeschlüsse Strecken öffentlicher Eisenbahnen, Bundesfern-
straßen und Bundeswasserstraßen betreffend erstinstanzlich vor den Oberver-
waltungsgerichten/Verwaltungsgerichtshöfen zu verhandeln sind.

Berlin, den 28. Januar 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion
Begründung

Der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2006 ein Gesetz zur Beschleunigung von
Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben (Bundestagsdrucksache 16/54) be-
schlossen. Durch dieses wurden zahlreiche Vorschriften zur Ausgestaltung von
Planfeststellungsverfahren in den einzelnen Fachplanungsgesetzen geändert.

Drucksache 16/11750 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Mit der Novellierung sollte eine zeitliche Straffung der Verfahren bewirkt wer-
den.

Die Fraktion der FDP hat im Zuge der parlamentarischen Beratungen einen
eigenen Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 16/3008) eingebracht. Dieser
unterscheidet sich unter anderem hinsichtlich der Rechtsbehelfe vom Regie-
rungsentwurf. Er hält an dem Grundsatz fest, dass gegen Planfeststellungs-
beschlüsse gerichtete Klagen zunächst vor den Oberverwaltungsgerichten/Ver-
waltungsgerichtshöfen zu verhandeln sind.

Die Haltung der Fraktion der FDP fand in der am 17. Mai 2006 im Ausschuss
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages stattgefun-
denen Sachverständigenanhörung rege Zustimmung. Mehrfach wurde davor
gewarnt, eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes
einzuführen. Dessen damaliger Präsident, Eckart Hien wies darauf hin, dass es
nicht ansatzweise die hierfür notwendigen Kapazitäten aufweist. Aus seiner
Sicht besteht in diesem Fall die konkrete Gefahr, dass bei der Bearbeitung der
anhängigen Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht ein Stau entsteht.

Dessen ungeachtet wurde mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen der CDU/
CDU und SPD eine Liste mit 85 Projekten in das Gesetz aufgenommen, für die
das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich zuständig ist.

Diese Entscheidung führte ausweislich der Antwort der Bundesregierung (Bun-
destagsdrucksache 16/8450) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP
(Bundestagsdrucksache 16/8227) dazu, dass zwischen dem Inkrafttreten der
Novellierung im Dezember 2006 und März 2008 bereits 30 Klagen als Hauptsa-
cheverfahren sowie 15 Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beim Leipzi-
ger Bundesverwaltungsgericht eingegangen sind. Von diesen konnten bis März
2008 insgesamt erst vier Verfahren zum Abschluss gebracht werden.

Durch das „Arbeitsplatzprogramm Bauen und Verkehr“ stehen in den Jahren
2009 und 2010 zusätzliche Investitionsmittel in Höhe von je 1 Mrd. Euro für die
Realisierung von Verkehrsinfrastrukturprojekten zur Verfügung. Bereits auf-
grund der gesetzlichen Dringlichkeitsvermutung in § 17e des Bundesfernstraßen-
gesetzes, § 18e des Allgemeinen Eisenbahngesetzes und § 14e des Bundeswas-
serstraßengesetzes wird mit diesen Geldern zuvörderst die Finanzierung der in
den vorgenannten Fachplanungsgesetzen aufgeführten Projekte sichergestellt
werden. Dies macht es notwendig, dass für die betroffenen Vorhaben – sofern
noch nicht geschehen – schnellstmöglich Baurecht geschaffen wird. Die vom
damaligen Präsidenten, Eckart Hien befürchtete Klageflut wird unabwendbare
Folge dieses Vorgangs sein. Da die personelle Ausstattung des Bundesverwal-
tungsgerichtes dem nicht ansatzweise gerecht wird, sind überlange Bearbeitungs-
zeiten zu erwarten. Die mit der Exklusivzuständigkeit des Bundesverwaltungs-
gerichtes bezweckte Beschleunigungswirkung verkehrt sich in ihr Gegenteil. Die
heutigen Vorschriften zu den Rechtsbehelfen gegen Planfeststellungsbeschlüsse
können sich schlimmstenfalls als Hemmschuh für den Infrastrukturausbau er-
weisen.

Eine erstinstanzliche Zuständigkeit auf Ebene der Oberverwaltungsgerichte/
Verwaltungsgerichtshöfe bringt auch unter Ausklammerung des Flaschenhals-
effekts beim Bundesverwaltungsgericht nicht systembedingt eine Verlängerung
der Verfahrensdauer mit sich. Entscheidend ist dabei, dass bis Ende 2006 nur
gegen fünf Prozent aller Urteile Planfeststellungsbeschlüsse betreffend die Re-
vision zugelassen wurde. In 19 von 20 Fällen verbleibt es bei einem einstufigen
Instanzenzug.

Darüber hinaus begegnet die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwal-
tungsgerichtes auch verfassungsrechtlichen Bedenken. Mehrere Sachverständige

haben in der oben angesprochenen Anhörung bestätigt, dass es nicht dem föde-
ralen Zuständigkeitsverständnis entspricht, dass ein Bundesgericht erst- und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11750

letztinstanzlich und verbindlich über die Anwendung und Auslegung von Lan-
desrecht entscheidet. Die Vereinbarkeit mit den Naturschutz-, Wasser-, Wege-
oder Denkmalschutzgesetzen der Länder ist jedoch regelmäßig Teil des gericht-
lichen Prüfungsumfangs bei Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse. Es gibt
insoweit eine Parallelität der Auslegung von Landesrecht, ohne dass hierfür ein
Konfliktausgleich vorgesehen wäre. Die Gründe, die dazu führten, dass die
Alleinzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes bei der Anwendung des
früheren Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes für ausnahmsweise
zulässig erachtet wurde, beruhen ausschließlich auf den Erfordernissen im
Zusammenhang mit der Deutschen Einheit und können aktuell nicht mehr
angeführt werden.

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