BT-Drucksache 16/11696

Einschränkungen bei der Auftragserfüllung im Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr

Vom 21. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11696
16. Wahlperiode 21. 01. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Rainer Stinner, Jens
Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike
Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-
Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein,
Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Dr. Erwin Lotter, Horst Meierhofer, Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann
Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk,
Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-
Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Einschränkungen bei der Auftragserfüllung im Zentralen Sanitätsdienst
der Bundeswehr

Die Lage im Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr hat sich in den letzten
Jahren deutlich verschlechtert. Der Attraktivitätsvorteil der unentgeltlichen
truppenärztlichen Versorgung droht damit zunehmend verloren zu gehen. Allein
68 Ärzte haben in den ersten zehn Monaten des letzten Jahres die Bundeswehr
verlassen. Auch die Bewerberzahlen sind dramatisch eingebrochen. Während
sich 2006 noch 2 095 junge Menschen für den Dienst als Arzt in der Bundes-
wehr interessierten, so waren es 2007 gerade noch 1 497. Für 2008 musste die
Bundesregierung bereits einen weiteren Einbruch der Bewerberzahlen um
20 Prozent einräumen. Die wesentlichen Ursachen hierfür sind bekannt. Die
individuell hohe zeitliche Belastung im Tagesbetrieb, die überaus günstige Ar-
beitsmarktsituation für Mediziner auf dem zivilen Arbeitsmarkt oder auch die
immer häufigeren Auslandseinsätze. Der Spagat zwischen Einsatz und Grund-
versorgung überschreitet derzeit die personelle Leistungsfähigkeit des Sanitäts-
dienstes. Ein weiterer Ansehensverlust des Sanitätsdienstes birgt die Gefahr,
dass sich der Attraktivitätsvorteil der unentgeltlichen truppenärztlichen Versor-
gung aufgrund des damit verbundenen Verzichts auf die freie Arztwahl ins Ge-
genteil verkehrt.

Auch die Bundesregierung konstatiert inzwischen, dass „personell und materiell

in entscheidenden Bereichen des Dienstes Belastungsgrenzen erreicht worden
sind, deren aktive Beeinflussung durch vorgegebene Rahmenbedingungen lang-
wierig ist. […] Eine Entspannung der Situation ist in den nächsten zehn Jahren
nicht in Sicht.“ [Sachstandsbericht der Bundesregierung zur aktuellen Lage der
Personalentwicklung im Sanitätsdienst der Bundeswehr vom 21. November
2008, Ausschussdrucksache 16(12)658].

Drucksache 16/11696 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Aufbau des Sanitätsdienstes als selbständiger Organisationsbereich neben
den Teilstreitkräften bindet zu viel wertvolles Personal für reine Verwaltungs-
aufgaben, das deshalb der medizinischen Versorgung vor Ort nicht mehr zur
Verfügung steht. Die Vielzahl der Sanitätskommandos und -ämter verhindert
flexibles und schnelles Handeln und Umsteuern bei erkennbaren Missständen.

Gerade der Sanitätsdienst mit seinem Schichtbetrieb ist dringend auf rasch wirk-
same Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Dienst und Familie angewie-
sen. Arbeitsplatznahe Kindertagesstätten und -krippen müssen sowohl von ihrer
Anzahl als auch von ihrer Flexibilität her auch auf den tatsächlichen Bedarf des
Sanitätsdienstes ausgerichtet werden. Öffnungszeiten, die sich nicht an den
Dienstzeiten orientieren sowie eine zu geringe Anzahl an Betreuungsplätzen
nützen den Angehörigen des Sanitätsdienstes wenig.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung des Sanitätsdienstes
seit dessen Aufstellung als selbständigen Organisationsbereich neben den
Teilstreitkräften?

2. Wie soll die Grundaufgabe des Zentralen Sanitätsdienstes, nämlich die Ver-
sorgung der Soldaten im Inland, vor dem Hintergrund der im Sachstands-
bericht der Bundesregierung zur aktuellen Lage der Personalentwicklung
im Sanitätsdienst der Bundeswehr vom 21. November 2008 (Ausschuss-
drucksache 16(12)658) eingeräumten Probleme zukünftig strukturell
sichergestellt werden?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung das Vertrauen der Angehörigen des
Sanitätsdienstes in ihren Dienstherrn?

4. Kann nach Auffassung der Bundesregierung im Rahmen der Grundversor-
gung ein reguläres Arzt-Patienten-Verhältnis aufrechterhalten werden
(„Hausarzt der Soldaten“)?

5. Welche Arbeitsergebnisse und Zwischenstände kann die abteilungsübergrei-
fende ministerielle Arbeitsgruppe aufweisen, die zur Identifizierung von
Verbesserungsmöglichkeiten des Sanitätsdienstes eingerichtet worden ist?

6. Welche Verbesserungs- und Weiterentwicklungsvorschläge hat die ministe-
rielle Arbeitsgruppe erarbeitet?

7. Wie viele Ärztinnen und Ärzte haben im Jahr 2008 den Sanitätsdienst ver-
lassen?

8. Wie viele Ärztinnen und Ärzte haben seit 2006 Ausbildungskosten an den
Dienstherrn zurückerstatten müssen, um aus dem Dienst ausscheiden zu
können (aufgeschlüsselt nach Jahren und Umfang der Rückerstattung)?

9. Wie viele Ärztinnen und Ärzte haben seit 2006 auf Versorgungsleistungen
ganz oder teilweise verzichtet, um aus dem Dienst ausscheiden zu können
(aufgeschlüsselt nach Jahren und Umfang der Rückerstattung)?

10. Wie hoch ist der jahresdurchschnittliche Personalumfang der Sanitätsoffi-
ziere seit 2002?

11. In welchem Maße stellte dies eine Abweichung vom Zielumfang dar?

12. Welchen jahresdurchschnittlichen Personalumfang der Sanitätsoffiziere
prognostiziert die Bundesregierung für die Jahre 2009 bis 2012?

13. Wie hoch prognostiziert die Bundesregierung die Abweichung vom Ziel-
umfang?

14. Wie haben sich die Bewerberumfänge der Sanitätsoffiziersanwärterinnen

und -anwärter in den Jahren 2000 bis 2008 entwickelt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11696

15. Wie prognostiziert die Bundesregierung die Entwicklung der Bewerberum-
fänge der Sanitätsoffiziersanwärterinnen und -anwärter für die Jahre 2009
bis 2012?

16. Kann das Prinzip der Bestenauslese aufrechterhalten werden?

17. Wie hoch ist die Tagesantrittsstärke der Truppenärzte, exklusive der Ver-
tragsärzte (Abwesenheitsgründe aufgeschlüsselt nach Einsatz im Ausland,
Urlaub, Weiterbildung, Mutterschutz, Krankheit etc.)?

18. Erwägt die Bundesregierung, Sanitätsoffiziere, die nach 16 Dienstjahren
regulär ausscheiden, darüber hinaus weiter zu beschäftigen?

19. Wie viel höher sind die finanziellen Aufwendungen für einen Vertragsarzt
gegenüber einem ggf. über das 16. Dienstjahr hinaus beschäftigten Sanitäts-
offizier mit vergleichbarer Berufserfahrung und Qualifikation?

20. Wie viele Vertragsärzte konnten zwischen 2002 und 2008 jährlich für den
Dienst im Sanitätsdienst gewonnen werden?

21. Wie hoch ist der Anteil frühzeitiger Personalverluste bei den Vertragsärzten
aufgrund nicht angetretener oder vorzeitig beendeter Eignungsübungen?

22. Wie viele der Vertragsärzte haben nach Antritt des Dienstes seit 2002 den
Sanitätsdienst wieder verlassen?

23. Wie ist die Vergütung der Vertragsärzte geregelt?

24. Welchen Stand hat der Aufwuchs klinischer Gebietsärztinnen und -ärzte im
Hinblick auf die Einnahme der Zielstruktur erreicht (aufgeschlüsselt nach
Fachgebiet/Funktion)?

25. Wie prognostiziert die Bundesregierung den weiteren notwendigen Auf-
wuchs klinischer Gebietsärztinnen und -ärzte im Hinblick auf die Einnahme
der Zielstruktur für die Jahre 2009 bis 2012 (aufgeschlüsselt nach Fachge-
biet/Funktion)?

26. Wie viele Dienstposten sind in den Regionalen Sanitätseinrichtungen seit
2002 jahresdurchschnittlich vakant?

27. Wie prognostiziert die Bundesregierung die Entwicklung der vakanten
Dienstposten in den Regionalen Sanitätseinrichtungen für die Jahre 2009
bis 2012?

28. Besteht die Absicht, die sechsmonatige Nachbesetzungssperre auf wichti-
gen Dienstposten in den Bundeswehrkrankenhäusern über die bisher beste-
henden Ausnahmeregelungen hinaus aufzuheben?

29. Wenn nein, wieso?

30. Wie viele Abteilungen in den Bundeswehrkrankenhäusern können auf-
grund der aktuellen Personalsituation am Notdienst dauerhaft oder vorüber-
gehend nicht teilnehmen?

31. Trifft es zu, dass im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz die Station,
die schwere Brandverletzungen versorgen kann, geschlossen wurde, ob-
wohl es die einzige Station dieser Art im Sanitätsdienst ist?

32. Wenn ja, wieso?

33. Wie kann in Zukunft die unentgeltliche Truppenärztliche Versorgung in den
Regionalen Sanitätseinrichtungen sichergestellt werden?

34. Mit welchen Anreizen soll qualifiziertes ärztliches Personal für die Umset-
zung der neuen Stärke- und Ausrüstungsnachweisung (STAN) zum Dienst
in der Bundeswehr gewonnen werden?
35. Welche Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung sind für Sanitätsoffiziere
geplant?

36. Wie wird sichergestellt, dass das Personal in Übung gehalten wird?

Drucksache 16/11696 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
37. Inwiefern wird die Qualität der sanitätsdienstlichen Versorgung durch den
Umstand beeinträchtigt, dass sich rund 900 Feldwebel im Sanitätsdienst
jährlich in der Zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung (ZAW) befinden?

38. Wie beeinträchtigt dies die Qualität der sanitätsdienstlichen Versorgung?

39. Wie viele Sanitätsoffiziere waren über den Zeitraum 2005 bis 2008 im Aus-
landseinsatz?

Wie viele von diesen waren zwei Mal im Einsatz?

Wie viele von diesen waren drei Mal und häufiger im Auslandseinsatz?

40. Wie hoch ist die jährliche Durchschnittsabwesenheitszeit durch Auslands-
einsätze bei den Fachärzten, nur berechnet auf den Umfang der Fachärzte,
die auslandsdienstverwendungsfähig sind und tatsächlich im Auslandsein-
satz waren?

41. Wie hoch ist der Anteil der Ärztinnen und Ärzte im Sanitätsdienst, die nicht
vorwiegend am Patienten tätig sind?

42. Wie hat sich der Anteil, der nicht vorwiegend am Patienten tätigen Ärztin-
nen und Ärzte mit der sukzessiven Einnahme des Personalstrukturmodells
2010 verändert?

43. Ist der Anteil der Ärztinnen und Ärzte, die nicht vorwiegend am Patienten
tätig sind, höher als in zivilen Krankenhäusern?

44. In welchem Umfang wird derzeit Sanitätspersonal zur Bewachung/Siche-
rung der Feldlager im Auslandseinsatz eingesetzt?

45. Wie werden Angehörige des Sanitätsdienstes für Auslandseinsätze vorbe-
reitet?

46. In welchem Umfang erfolgt eine Notfallversorgungs-Ausbildung?

47. In welchem Umfang werden im Auslandseinsatz Nicht-Fachärzte mit Fach-
arztaufgaben betraut?

48. Wie bewertet die Bundesregierung die Engpässe bei den Rettungssanitätern
in den Auslandseinsätzen?

49. Wie möchte Sie diese zeitnah abstellen?

50. Plant die Bundesregierung den Aufbau einer plastischen Chirurgie?

51. Wenn ja, zählt diese Teildisziplin zum zentralen Auftrag des Sanitätsdiens-
tes?

52. Welche Maßnahmen zur Verbesserung zur Vereinbarkeit von Dienst und
Familie plant die Bundesregierung?

53. Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, dass die in diesem Jahr
eingerichtete Kindergartengruppe des Bundeswehrzentralkrankenhauses in
Koblenz-Metternich nicht annähernd ausreichend Kindergartenplätze an-
bietet, die den tatsächlichen Bedarf des Personals des Bundeswehrzentral-
krankenhauses in Koblenz-Metternich abdecken?

54. Welchen Stand haben die Verhandlungen mit anderen Kindergartenträgern?

55. Plant die Bundesregierung, innerhalb des Sanitätsdienstes eigene betrieb-
liche Kindergärten und -krippen einzurichten?

56. Wenn ja, welche Mittel sind dafür eingeplant und sollen eingeplant werden?

Berlin, den 20. Januar 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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