BT-Drucksache 16/11684

Versorgung für Geschiedene aus den neuen Bundesländern verbessern

Vom 21. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11684
16. Wahlperiode 21. 01. 2009

Antrag
der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Peter Hettlich, Dr. Thea Dückert,
Cornelia Behm, Katrin Göring-Eckardt, Markus Kurth, Undine Kurth (Quedlinburg),
Monika Lazar, Brigitte Pothmer, Christine Scheel, Dr. Harald Terpe und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Versorgung für Geschiedene aus den neuen Bundesländern verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Vor 1992 Geschiedene in den neuen Bundesländern sind von der Teilhabe an
den Rentenanwartschaften ihrer früheren Gatten ausgeschlossen. Eine Frau aus
den alten Bundesländern, deren Ehe vor 1977 geschieden wurde, kann Geschie-
denenwitwenrente beziehen, wenn ihr geschiedener Ehemann ihr vor seinem
Tod Unterhalt gezahlt hat. Eine Frau aus den neuen Bundesländern, deren Ehe
vor 1977 geschieden wurde, hat keinen Anspruch auf Geschiedenenwitwen-
rente, auch dann nicht, wenn ihr Mann gerichtlich dazu verurteilt wurde, ihr
Unterhalt zu zahlen. Der Versorgungsausgleich trat erst 1992 nach dem Eini-
gungsvertrag in Kraft.

Nach dem Recht der DDR gab es nach einer Scheidung in der Regel keine Ver-
pflichtungen zwischen den Ehepartnern. Nach einer gescheiterten Ehe sollten
beide Partner, so die Norm, jeweils selbst für ihren Unterhalt aufkommen.
Auch Ansprüche auf Rente sollten durch eigene Berufsarbeit aufgebaut wer-
den.

Auch die Bundesregierung verwies bei der Überleitung der gesetzlichen Ren-
tenversicherung auf die neuen Bundesländer auf den grundsätzlich anderen
Stellenwert privaten Unterhalts im Recht der DDR. Sie ging zudem von der
Annahme aus, dass Frauen in der DDR ihre Erwerbsarbeit selten zu Gunsten
der Erziehung von Kindern unterbrochen oder deutlich eingeschränkt hatten.
Die Frauen aus den neuen Bundesländern hätten deshalb hohe eigenständige
Rentenansprüche und seien auf die abgeleitete Versorgung von geschiedenen
Männern nicht angewiesen.

Die Geschiedenen aus den neuen Bundesländern stellen diese Annahme in
Frage. Auch in der DDR sei es für viele Frauen typisch gewesen, ihre Berufs-
arbeit für die Erziehung von Kindern zu unterbrechen oder einzuschränken. Sie

verweisen auf die schlechte Versorgung von Frauen, die in der DDR geschieden
wurden, weil die konkreten Lebensverhältnisse im Einzelfall zu wenig beachtet
wurden. Auch die vorhandenen Daten deuten darauf hin, dass sich die renten-
rechtliche Situation von Geschiedenen in den neuen und alten Bundesländern
unterscheidet.

Drucksache 16/11684 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. eine Regelung zu Gunsten von Frauen einzuführen, die vor 1992 in den
neuen Bundesländern geschieden wurden und die wegen Kindererziehung
ihre Erwerbsarbeit unterbrochen oder eingeschränkt haben;

2. in Anlehnung an den Versorgungsausgleich die individuellen Ansprüche der
Frauen aus der Ehezeit zu ermitteln, diese zu halbieren und ihrem Renten-
konto für die Ehezeit zusätzlich die Hälfte eines durchschnittlichen Renten-
anspruchs gutzuschreiben;

3. den Ausgleich aus Steuermitteln zu finanzieren, da ein rückwirkender Ver-
sorgungsausgleich zu Lasten des geschiedenen Ehepartners rechtlich nicht
möglich ist.

Berlin, den 21. Januar 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Die Bundesregierung hat Frauen, die in der DDR geschieden wurden, von einem
Anspruch auf eine Rente als Geschiedene ausgenommen. Ein nachträglicher
Versorgungsausgleich zu Lasten des geschiedenen Ehemannes kam aus recht-
lichen Gründen nicht in Frage. Die Vorstellung, dass sich die Erwerbsverläufe
von Frauen im Osten und im Westen grundsätzlich unterschieden hätten, wurde
unzulässig verallgemeinert.

Ein rückwirkender Versorgungsausgleich wurde im Hinblick auf das verfas-
sungsrechtliche Rückwirkungsverbot verworfen, denn mit einem nachträglichen
Versorgungsausgleich werde in die Eigentumsrechte des früheren Ehegatten ein-
gegriffen. Aber auch eine Versorgung als Hinterbliebene ist den Frauen, die in
der DDR geschieden wurden, verwehrt. Eine Differenzierung, welche die kon-
kreten Lebensverhältnisse der Frauen beachtet, ist bisher nicht möglich.

Mit der vorgeschlagenen Initiative soll diese Lücke geschlossen werden.

Der Ausgleich wird auf Frauen beschränkt, die ihre Erwerbsarbeit zu Gunsten
der Erziehung von Kindern unterbrochen oder eingeschränkt haben. Frauen mit
Kindern und einer Unterbrechung oder Einschränkung des Erwerbs erhalten so
einen Ausgleich dafür, dass sie in der Ehe nur geringe eigene Rentenansprüche
aufbauen konnten. Der Rentenanspruch wird im individuellen Fall ermittelt. In
Anlehnung an den Versorgungsausgleich werden die eigenen Ansprüche auf
Rente halbiert. Je niedriger die eigenen Ansprüche, umso höher der Ertrag aus
der „Geschiedenen-Versorgung-Ost“, je höher die eigenen Ansprüche, umso
niedriger der Ertrag. Auf diesem Weg werden zielgenau Nachteile beseitigt, die
Geschiedene, die wegen der Erziehung von Kindern aus dem Berufsleben aus-
geschieden sind, derzeit in Kauf nehmen müssen.

Der Ausgleich in Anlehnung an den Versorgungsausgleich ist verfassungsrecht-
lich unproblematisch und hinsichtlich des Verwaltungsaufwands wenig auf-
wendig. Das Durchschnittsgehalt bzw. das durchschnittliche versicherte Ein-
kommen der entsprechenden Jahre wäre vom Gesetzgeber zu ermitteln.

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