BT-Drucksache 16/11469

Ratifikationsstand von internationalen Menschenrechtsabkommen und Zusatzprotokollen durch die Bundesrepublik Deutschland sowie Rücknahme von deutschen Vorbehalten

Vom 17. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11469
16. Wahlperiode 17. 12. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Erwin Lotter, Jens
Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt,
Jan Mücke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Daniel Volk, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Ratifikationsstand von internationalen Menschenrechtsabkommen und
Zusatzprotokollen durch die Bundesrepublik Deutschland sowie Rücknahme
von deutschen Vorbehalten

Die Bundesrepublik Deutschland hat zahlreiche internationale Menschenrechts-
abkommen, einschließlich ihrer Zusatz- und Fakultativprotokolle, unterzeichnet
und ratifiziert. Zu den wichtigsten gehören die Menschenrechtsabkommen auf
Ebene der Vereinten Nationen, darunter der VN-Zivilpakt und der VN-Sozial-
pakt, sowie die Menschenrechtsabkommen des Europarats. In Kürze muss die
Bundesregierung im Rahmen des Universellen Überprüfungsverfahrens (UPR)
vor dem VN-Menschenrechtsrat darüber Bericht erstatten, wie sie die Verpflich-
tungen aus den VN-Abkommen national umsetzt.

Von den neun VN-Menschenrechtsabkommen hat die Bundesrepublik Deutsch-
land acht unterschrieben und sechs ratifiziert. Während mit einer deutschen Un-
terzeichnung des Übereinkommens zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeit-
nehmer/Wanderarbeitnehmerinnen und ihrer Familienangehörigen (ICRMW),
dem sich auch sonst kein EU- oder EFTA-Mitglied (EFTA – European Free
Trade Association) angeschlossen hat, auch künftig nicht zu rechnen ist, wird
die Ratifikation des Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Ver-
schwindenlassen derzeit vorbereitet. Die deutsche Ratifikation des Übereinkom-
mens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist vom Deutschen
Bundestag bereits beschlossen und bedarf nun noch der Zustimmung des Bun-
desrates.

Im Rahmen des Europarats stellt die Europäische Menschenrechtskonvention
mit ihren Zusatzprotokollen das rechtliche Fundament des europäischen Men-

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schenrechtsschutzsystems dar. Weiteren Abkommen wie der Europäischen
Sozialcharta ist die Bundesrepublik Deutschland ebenso beigetreten.

Durch die Verabschiedung neuer Konventionen und Abkommen sowie dazuge-
höriger Zusatz- und Fakultativprotokolle ist die vertragliche Einbindung der
Bundesrepublik Deutschland stets in Bewegung. Obwohl die Bundesrepublik
Deutschland aus seinem Selbstverständnis als demokratischem Rechtsstaat he-
raus umfangreiche menschenrechtliche Verpflichtungen eingegangen ist, ist es
einigen Übereinkommen nicht oder noch nicht beigetreten bzw. hat Abkommen
nur mit Vorbehalten ratifiziert.

Das Ziel dieser Anfrage ist, den aktuellen deutschen Ratifikationsstand mit
Blick auf die wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen zu ermit-
teln sowie die Möglichkeiten für die eventuelle Rücknahme bestehender deut-
scher Vorbehaltserklärungen zu klären.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um die eingelegten
Vorbehalte gegen den VN-Zivilpakt sowie gegen das 1. Fakultativprotokoll
zum VN-Zivilpakt zurücknehmen zu können?

2. Plant die Bundesregierung die Ratifizierung des am 10. Dezember 2008 von
der VN-Generalversammlung angenommenen Zusatzprotokolls zum VN-So-
zialpakt?

Wenn ja, wann?

3. Wäre die Bundesregierung bereit, das Zusatzprotokoll zum VN-Sozialpakt
auch dann zu unterzeichnen, falls sie Zweifel an der hinlänglichen Klarheit
bzw. Justiziabilität einzelner wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte
hat?

4. Wie ist der Umsetzungsstand des am 5. Juni 2008 vom Deutschen Bundestag
verabschiedeten Gesetzes „zum Fakultativprotokoll vom 18. Dezember 2002
zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche
oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die von zahlreichen unabhängigen Fach-
leuten geäußerte Kritik, dass die für die Umsetzung des Fakultativprotokolls
zur Anti-Folter-Konvention vorgesehenen Ressourcen nicht zum Aufbau
eines den Vorgaben des Fakultativprotokolls genügenden Nationalen Präven-
tionsmechanismus ausreichen?

6. a) Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um entsprechend der
Aufforderung durch den Konventionsausschuss in Zusammenarbeit mit
den Bundesländern die Voraussetzungen dafür herzustellen, dass der deut-
sche Vorbehalt gegen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes
zurückgenommen werden kann?

b) Welche Fortschritte sind in den letzten Jahren in der Bundesrepublik
Deutschland zur Erreichung dieses Ziels zu verzeichnen?

c) Erwägt die Bundesregierung, den Vorbehalt auch ohne ausdrückliche
Zustimmung der Bundesländer zurückzunehmen?

7. Was ist der Stand der Umsetzung des am 20. Juni 2008 vom Deutschen
Bundestag beschlossenen Gesetzes zu dem Fakultativprotokoll vom 25. Mai
2000 zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Ver-
kauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie?

8. Hält die Bundesregierung die Aushandlung eines Fakultativprotokolls
zwecks Schaffung einer Individualbeschwerde im Rahmen des Übereinkom-
mens über die Rechte des Kindes für sinnvoll?

Falls ja, welche Schritte plant die Bundesregierung hierzu zu unternehmen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11469

9. Wie begründet die Bundesregierung ihre Einschätzung (dargelegt in Bun-
destagsdrucksache 16/10450, Antwort zu Frage 11), dass die UN-Wander-
arbeitnehmer-Konvention Anreize dafür schaffe, ohne legalen Aufenthalts-
titel einer Beschäftigung nachzugehen?

10. Würde die Ratifikation des Übereinkommens zum Schutz aller Personen
gegen das Verschwindenlassen die Bundesrepublik Deutschland verpflich-
ten, weitere Straftatbestände zu schaffen bzw. Straftatbestände zu ändern?

Wenn ja, inwiefern?

11. Plant die Bundesregierung weiterhin, das Übereinkommen zum Schutz aller
Personen gegen das Verschwindenlassen unter Vorbehalten zu ratifizieren,
und wie werden diese Vorbehalte begründet?

12. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine Ratifikation unter Vor-
behalten einen kritischen Präzedenzfall für weitere Unterzeichnerstaaten
und damit die wirksame Umsetzung der Konvention weltweit schafft?

Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung?

13. Worauf gründet die Annahme der Bundesregierung, dass die derzeitige deut-
sche Rechtslage allen Anforderungen des Übereinkommens über die Rechte
von Menschen mit Behinderungen entspricht, keinerlei Vollzugsaufwand
infolge der bereits vom Deutschen Bundestag beschlossenen Ratifizierung
des Übereinkommens entsteht und insbesondere auch in Bereichen der
Landesgesetzgebung, wie z. B. bei der inklusiven Bildung sowie der Unter-
bringung bzw. dem Freiheitsentzug psychisch erkrankter Menschen, explizit
kein gesetzgeberischer Änderungsbedarf besteht (siehe u. a. Antwort der
Bundesregierung zu der schriftlichen Frage 51 auf Bundestagsdrucksache
16/10520)?

14. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund ihrer früheren
Äußerungen (siehe Frage 13) die Auffassung der Beauftragten der Bundes-
regierung für die Belange behinderter Menschen, Karin Evers-Meyer, die in
ihrer Plenarrede zur 2. und 3. Lesung des Ratifizierungsgesetzes zum VN-
Übereinkommen über die Rechte behinderter Menschen erklärt hat, dass in
den Bereichen Bildung und Chancengleichheit deutlicher Handlungsbedarf
herrscht (Plenarprotokoll 16/193, S. 20959)?

15. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um das am
19. März 1985 unterzeichnete, jedoch von der Bundesrepublik Deutschland
nicht ratifizierte Zusatzprotokoll Nr. 7 zur Europäischen Menschenrechts-
konvention (EMRK) dem Deutschen Bundestag zur Ratifizierung vorzule-
gen?

16. Aus welchen Gründen nimmt die Bundesregierung weiterhin davon
Abstand, die Ratifikation des Zusatzprotokolls Nr. 12 zur EMRK zu ermög-
lichen, wie dies die Fraktion der FDP im Deutschen Bundestag durch in der
15. und 16. Wahlperiode gestellte Anträge (Bundestagsdrucksache 15/4405
sowie Bundestagsdrucksache 16/3145) gefordert hat?

17. Wie ist der Stand der Ratifikationsvorbereitungen der Bundesrepublik
Deutschland hinsichtlich der am 29. Juni 2007 unterzeichneten Revidierten
Europäischen Sozialcharta vom 3. Mai 1996?

18. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung bisher von einer Unter-
zeichnung und Ratifizierung der Konvention des Europarates gegen Men-
schenhandel vom 25. Januar 2005 abgesehen?

Drucksache 16/11469 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
19. Welche Schritte plant die Bundesregierung zur Unterzeichnung und Ratifi-
kation der Konvention des Europarates gegen Menschenhandel zu unter-
nehmen?

Wie begründet die Bundesregierung dies?

Berlin, den 17. Dezember 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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