BT-Drucksache 16/11458

Reform der Anlegerentschädigung in Deutschland

Vom 17. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11458
16. Wahlperiode 17. 12. 2008

Antrag
der Abgeordneten Frank Schäffler, Hans-Michael Goldmann, Dr. Hermann Otto
Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Volker Wissing, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan
Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Marina Schuster, Dr. Rainer Stinner,
Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Hartfrid
Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Reform der Anlegerentschädigung in Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Entschädigungsfall Phoenix Kapitaldienst GmbH hat die Entschädigungs-
einrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) bisher nur eine kleine
Minderheit der betroffenen Anleger entschädigt. Die Mehrzahl der Anleger war-
tet seit über drei Jahren auf die ihnen gemäß dem Einlagensicherungs- und An-
legerentschädigungsgesetz (EAEG) zustehende Entschädigung.

Gleichzeitig leiden die EdW-Mitglieder unter der Ungewissheit, in welcher
Höhe sie zu Sonderbeiträgen zur Regulierung des von ihnen nicht zu verantwor-
tenden Falls Phoenix herangezogen werden sollen. Im Gespräch ist nach wie vor
ein Gesamtfinanzierungsbedarf von über 200 Mio. Euro. Nach einer Entschei-
dung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. September 2008 ist die Sonder-
beitragserhebung aufgrund der seitens des Gerichts geteilten verfassungsrecht-
lichen Bedenken zudem bis auf weiteres gestoppt. Die EdW hat in einem Mus-
terverfahren Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
eingelegt, mit einer kurzfristigen Entscheidung ist jedoch nicht zu rechnen.
Auch die seitens der EdW für das Jahr 2008 erlassenen Jahresbeitragsbescheide
belaufen sich – nicht zuletzt aufgrund der „Abwanderung“ einer Reihe großer
Beitragszahler – auf nur rund 3 Mio. Euro. Dem stehen Verwaltungskosten von
rund 2,4 Mio. Euro gegenüber. Eine alternative Finanzierung der Entschädigun-
gen wird seit langer Zeit ergebnislos geprüft. Während sich im Fall Phoenix seit
Jahren nichts tut, wurde deutschen Sparern, die ihr Geld in Island angelegt hat-

Drucksache 16/11458 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
ten, von der Bundesregierung kurzfristig Hilfe über den gesetzlichen Umfang
hinaus zugesagt.

Den Bund trifft eine besondere Verantwortung, da er die Anlegerentschä-
digungsrichtlinie wirksam in deutsches Recht umzusetzen hatte und da er das zu
späte Einschreiten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
im Fall Phoenix – wenn nicht rechtlich, so doch politisch – zu verantworten hat.
Die BaFin hatte Phoenix bereits im Jahr 2000 verpflichtet, die Führung von
Sammelkonten zu unterlassen und die Kundengelder getrennt voneinander auf
Treuhandkonten zu verwahren. Diesen Bescheid hat Phoenix auch nach
höchstrichterlicher Bestätigung nicht vollzogen, wodurch das Schneeballsystem
fortgesetzt werden konnte. Den Phoenix-Sonderprüfer, dem von der EdW grobe
Prüfungsmängel vorgeworfen werden, trifft nach derzeitiger Rechtslage keine
Haftung, so dass am Ende sämtliche Fehlleistungen von der EdW bzw. deren
Mitgliedsinstituten zu tragen sind.

Ebenso steht die Umsetzung der klaren Empfehlungen des Gutachtens der
Professoren Dr. Jochen Bigus (Universität Bern) und Dr. Patrick C. Leyens
(Universität Hamburg) zur Reform der Anlegerentschädigungseinrichtungen
und Einlagensicherungssysteme in Deutschland, welches im Auftrag des
Bundesministeriums der Finanzen erstellt wurde, weiterhin aus. Im Rahmen der
aktuellen Diskussion über die Verbesserung der Einlagensicherung darf jedoch
die substantielle Verbesserung der Anlegerentschädigung in Deutschland nicht
außer Acht gelassen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. unverzüglich einen Gesetzentwurf zur Novellierung des gesamten Anleger-
entschädigungsrechts vorzulegen. Dabei ist ein tragfähiges, verwaltungs-
effizientes, risikogerechtes und am Prinzip der relativen Belastungsgleichheit
orientiertes System zu schaffen, das die Interessen sämtlicher von der Anle-
gerentschädigungsrichtlinie erfassten Anleger und Wertpapierfirmen ange-
messen berücksichtigt;

2. sich ihrer Verantwortung für die fehlerhafte Umsetzung der Anlegerentschä-
digungsrichtlinie in deutsches Recht sowie das Aufsichtsversagen im Fall
Phoenix zu stellen.

Berlin, den 17. Dezember 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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