BT-Drucksache 16/11438

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/10290, 16/10331, 16/11417- Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Energieeinsparungsgesetzes

Vom 17. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11438
16. Wahlperiode 17. 12. 2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Michael Kauch, Joachim Günther (Plauen), Horst Meierhofer,
Angelika Brunkhorst, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Elke Hoff,
Dr. Heinrich L. Kolb, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Ina Lenke, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Frank
Schäffler, Marina Schuster, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/10290, 16/10331, 16/11417 –

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Energieeinsparungsgesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Rahmen der „Eckpunkte für ein Integriertes Energie- und Klimaprogramm“
hat die Bundesregierung die Absicht bekundet, den Ersatz der von ihr als
„extrem klimaschädlich“ empfundenen Nachtstromspeicherheizungen in Wohn-
häusern rechtlich zu erzwingen. Dabei geht es nicht nur darum, einen weiteren
Zubau von Nachtstromspeicherheizungen zu verbieten; vielmehr beabsichtigt
die Bundesregierung – wenn auch mit bestimmten Ausnahmeregelungen – vor-
zuschreiben, dass auch die im Gebäudebestand bereits in Betrieb befindlichen
Nachtstromspeicherheizungen entfernt werden müssen. Die Einzelheiten sollen
im Rahmen der geplanten Novellierung der Energieeinsparverordnung 2008/
2009 ohne Beteiligung des Bundestages geregelt werden.

Mit dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Energieeinspargeset-
zes (Bundestagsdrucksache 16/10290 vom 22. September 2008) will die Bun-

desregierung u. a. die rechtliche Grundlage für das geplante Verbot schaffen, ob-
wohl eine parlamentarische Expertenanhörung zu dem Thema gravierende
Zweifel am klima- und energiepolitischen Sinn der Maßnahme geweckt und be-
gründet hat (siehe dazu bereits die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „Kon-
sequenzen der geplanten Außerbetriebnahme von Nachtstromspeicherheizun-
gen“ auf Bundestagsdrucksache 16/7062 und die zugehörige Antwort der Bun-
desregierung vom 26. November 2007 auf Bundestagsdrucksache 16/7275).

Drucksache 16/11438 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das von der Bundesregierung geplante Verbot von Nachtstromspeicherheizun-
gen ist aus mehreren Gründen nicht sachdienlich und abzulehnen:

– Die eingangs genannte parlamentarische Anhörung hat aus der Perspektive
des Klimaschutzes grundsätzliche Zweifel daran begründet, dass ein Verbot
von Nachtstromspeicherheizungen überhaupt geeignet ist, zur Senkung der
CO2-Emissionen beizutragen. Sollte die Außerbetriebnahme von Nacht-
stromspeicherheizungen tatsächlich dazu führen, dass fossil befeuerte
Grundlastkraftwerke in der Leistung gedrosselt werden könnten und so we-
niger CO2 emittiert würde, so hätte dies zur Folge, dass die Stromproduzen-
ten entsprechend weniger Emissionszertifikate benötigen würden. Die damit
frei werdenden Emissionsrechte würden sie an der Emissionsbörse veräu-
ßern. Die Gesamtmenge an CO2, die unter dem Europäischen „Cap“ des
Emissionshandels emittiert wird, ist ausschließlich durch diesen Cap festge-
legt und kann durch zusätzliche Vermeidungsanstrengungen innerhalb des
vom Emissionshandel betroffenen Sektors nicht vergrößert werden. Eine
Außerbetriebnahme von Nachtstromspeicherheizungen führt also in der Ge-
samtbetrachtung nicht zu einer Emissionssenkung, im Gegenteil: Diejenigen
Haushalte, in denen Nachtstromspeicherheizungen außer Betrieb genommen
werden, würden sich gezwungen sehen, neue Heizungsanlagen einzubauen.
In jenen Fällen, in denen diese mit fossilen Brennstoffen betrieben würden,
entstünden dann zusätzliche CO2-Emissionen. Um diese Emissionen steigt
die Gesamtemission an CO2 an, weil die Haushalte das Recht zur Emission
nicht erwerben müssen (und es damit an anderer Stelle „abziehen“), sondern
dieses Recht neu „schöpfen“. Im Ergebnis werden deshalb die CO2-Emissio-
nen kurzfristig ansteigen, wenn die Bundesregierung ihre Pläne in die Tat
umsetzen sollte. Das Gesetz steht damit im unmittelbaren Widerspruch zu
dem Ziel, das es vorgibt, erreichen zu wollen.

– Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist darauf hinzuweisen, dass Nachtstrom-
speicherheizungen von den Energieversorgungsunternehmen in der Vergan-
genheit insbesondere in der Nähe von Großkraftwerken gezielt gefördert
worden sind, um das bestehende Angebot an elektrischem Strom auch dann
sinnvoll nutzen zu können, wenn zu bestimmten Tageszeiten eine nur geringe
Stromnachfrage besteht. Vor allem aber ist seinerzeit argumentiert worden,
elektrische Speicherheizungen seien auf Grund der geringen Investitionsauf-
wendungen und quasi Nullemissionen im Gebäude ein nachgerade ideales
Heizungssystem. Auch war damals angeführt worden, man wolle durch eine
Förderung des Einsatzes von Nachtstromspeicherheizungen das Netz vor
Überspannung schützen und dessen Auslastung verbessern und so die Effi-
zienz des Energieeinsatzes verbessern. In zahlreichen Fällen wurde deshalb
im Rahmen der jeweiligen Baugenehmigungen der Einbau von Nachtstrom-
speicherheizungen – in der Regel verbunden mit anspruchsvollsten Dämm-
schutzauflagen – zwingend vorgeschrieben. Damit verbunden war in der Re-
gel auch die Vorschrift, in den betreffenden Neubauten keine Kamine und in
den Kellerräumen keine Möglichkeit zur Unterbringung von Heizkesseln
oder Tanks vorzusehen. Außerdem wurden Gebäude errichtet, welche mit so
genannten Betonkernheizungen ausgerüstet sind, bei denen keine frei stehen-
den Heizkörper existieren, sondern die Nachtstromspeicherung innerhalb des
Gebäudebetonkörpers vonstatten geht.

Zwar betont die Bundesregierung, dass die Außerbetriebnahme von Nacht-
stromspeicherheizung nur verlangt werden soll, wenn die Maßnahme für den
Eigentümer – gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Fördermöglich-
keiten – wirtschaftlich vertretbar sei. Dessen ungeachtet würde durch das ge-
plante Verbot aber das Vertrauen der Gebäudeeigentümer in die Stabilität,
Rationalität und Verlässlichkeit der Gesetzgebung nachhaltig erschüttert, zu-

mal derzeit beispielsweise der Einbau von Wärmepumpen staatlicherseits
massiv gefördert wird, für deren Betrieb manche Energieversorgungsunter-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11438

nehmen ihrerseits wiederum verbilligte Stromtarife – gerade auch während
der Nachtstunden – anbieten. Weshalb die Nutzung überschüssigen Stroms
im Fall der Wärmepumpe förderungswürdig, im Fall der Nachtstromspei-
cherheizung indessen verbotswürdig sein soll, erschließt sich nicht und ist
willkürlich.

– Schließlich ist das geplante Verbot von Nachtstromspeicherheizungen aus
der Perspektive der zwingend gebotenen Ressourcenschonung und Energie-
einsparung kontraproduktiv, weil Nachtstromspeicherheizungen prinzipiell
als Energiespeicher, namentlich als (Wärme-)Energiespeicher – auch für
fluktuierende Energien wie die Windenergie – genutzt werden können. Eine
effiziente Nutzung von Nachtstromspeicherheizungen in einem schlüssigen
Konzept aus Energiespeicherung und modernem Lastmanagement würde zur
Optimierung der Energieausbeute beitragen. Voraussetzung wäre vor allem,
dass extrem überalterte Systeme, die zu vertretbaren Kosten nicht mehr auf
den modernen Stand der Technik gebracht werden können, durch neue Anla-
gen mit intelligenter Steuerungs- und Regeltechnik ersetzt werden. Sofern in
geeigneten Gebieten moderne bzw. in diesem Sinne modernisierte Nacht-
stromspeicherheizungen zu größeren Einheiten zusammengeschlossen wür-
den, ließen sich Pilotprojekte realisieren, die die energie- und klimapolitische
Leistungsfähigkeit eines optimierten Lastmanagements in Verbindung mit
modernen Versorgungs-, Mess- und Steuerungstechnologien („smart-grids“
und „smart-metering“) am konkreten Beispiel verdeutlichen und ggf. deren
Weiterentwicklung anregen könnten. In Verbindung mit einem optimierten
Lastmanagement stellen die genanten Techniken demnach zum einen eine
kostengünstige Möglichkeit der Ressourcenschonung im Bereich der Grund-
lastkraftwerke in Aussicht. Zum anderen könnte die Nutzung von in diesem
Sinne modernisierten Nachtstromspeicherheizungen insbesondere auch die
Marktchancen der erneuerbaren Energien verbessern, indem diese als
(Wärme-)Energiespeicher für fluktuierende Stromquellen genutzt werden
könnten. Schließlich erscheint eine Modernisierung bestehender Nacht-
stromspeicherheizungen im vorgenannten Sinne deutlich kostengünstiger
und auch energiepolitisch sinnvoller als deren aufwendige Entfernung und
Ersatz beispielsweise durch Gasheizungen.

Insgesamt ist damit deutlich, dass eine erzwungene Außerbetriebnahme von
Nachtstromspeicherheizungen aus der Perspektive der Ressourcenschonung,
der Energieeinsparung und des Klimaschutzes sinnlos und kontraproduktiv ist,
weil diese Maßnahme geeignet ist, die CO2-Emissionen zu erhöhen und die Ver-
wirklichung auch längerfristiger Ziele für den Klimaschutz durch die Ver-
schwendung von Ressourcen dauerhaft zu gefährden. Überdies ist das geplante
Verbot energie- und technologiepolitisch widersinnig und überdies geeignet, das
Vertrauen der Menschen in die Widerspruchsfreiheit der Gesetzgebung zu er-
schüttern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– die bestehenden Pläne zur erzwungenen Außerbetriebnahme von Nacht-
stromspeicherheizungen in der bisherigen pauschalen Form nicht weiter zu
verfolgen;

– Eigentümern von Nachtstromspeicherheizungen die Vorteile des liberalisier-
ten Strommarktes zugänglich zu machen, da der Wechsel zu anderen und bil-
ligeren Anbietern für diese Stromkunden immer noch nicht möglich ist;

– die auf Seiten der Netzregulierung erforderlichen Regelungen für die Einfüh-
rung intelligenter Zähler unverzüglich zu erarbeiten, um das Angebot last-
abhängiger Tarife zu ermöglichen und Wettbewerbern (mit Zustimmung des

Stromkunden) einen Zugang zu den Verbrauchs- und Lastdaten zu geben, die

Drucksache 16/11438 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
für die Erstellung solcher neuartiger Wettbewerbsangebote erforderlich sind.
Dazu gehören Standards für die technischen Anforderungen an Zähler, ins-
besondere hinsichtlich der Fernauslesbarkeit, der Fernsteuerbarkeit und der
Datenformate;

– im Dialog mit den Netzbetreibern die regulatorischen Voraussetzungen zu
prüfen, wie Nachtstromspeicherheizungen in Smart-grid-Konzepte einge-
bunden werden können, die ihre Nutzung als (Wärme-)Energiespeicher ins-
besondere auch für Strom aus erneuerbaren Energien erlauben bzw. optimie-
ren;

– dem Deutschen Bundestag ein widerspruchsfreies und hinsichtlich seiner
Bestandteile aufeinander abgestimmtes, konsistentes Konzept für einen wirk-
samen und zugleich wirtschaftlichen Klimaschutz im Rahmen des europäi-
schen Emissionshandels vorzulegen.

Berlin, den 2. Dezember 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.