BT-Drucksache 16/11407

zu der Beratung der Unterrichtungen der Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2004 -16/507- Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2005 -16/3730 - Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2006 - 16/8855 -

Vom 16. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11407
16. Wahlperiode 16. 12. 2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Inge Höger, Monika Knoche, Hüseyin-
Kenan Aydin, Dr. Lothar Bisky, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Heike
Hänsel, Dr. Hakki Keskin, Michael Leutert, Dr. Norman Paech, Alexander Ulrich
und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Beratung der Unterrichtungen der Bundesregierung

Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für
konventionelle Rüstungsgüter im Jahr 2004
– Drucksache 16/507 –

Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für
konventionelle Rüstungsgüter im Jahr 2005
– Drucksache 16/3730 –

Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für
konventionelle Rüstungsgüter im Jahr 2006
– Drucksache 16/8855 –

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Rüstungspolitik der Bundesregierung trägt erheblich zur weltweiten Aufrüs-
tungsdynamik bei. Trotz der wiederholten Bekenntnisse der Bundesregierung zu
einer restriktiven Rüstungsexportpolitik hat Deutschland sowohl bei den natio-
nalen Rüstungsausgaben mit etwa 39 Mrd. Euro als auch bei den Rüstungs-
exporten mit etwa 8,6 Mrd. Euro im internationalen und erst recht im euro-
päischen Vergleich im Jahr 2007 einen Spitzenplatz eingenommen.
Die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegs-
waffen und sonstigen Rüstungsgütern“ entfalten in der Praxis kaum Wirkung.
Sie werden nach wie vor den allgemeinen Exportbestimmungen des Außenwirt-
schaftsgesetzes (AWG) untergeordnet, welches festhält, dass solchen Geschäften
nur in Ausnahmefällen die Genehmigung versagt werden sollte. Auch während
der völkerrechtswidrigen Vorbereitung und Durchführung des Angriffskrieges

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auf den Irak 2002/2003 wurden Rüstungsgüter in die USA und Großbritannien
exportiert. Wichtige Abnehmer für deutsche Rüstungsgüter, wie Indien, Israel,
Pakistan, Südkorea und der Türkei liegen in Spannungsgebieten und sind zum
Teil in interne bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt. Deutsche
Rüstungstechnologie wird an Staaten geliefert, die Menschenrechte systematisch
verletzen, wie z. B. Saudi Arabien, und die selber eine exportorientierte
Rüstungsindustrie auf- und ausbauen, wie z. B. Singapur oder Brasilien. In ande-
ren Staaten wiederum gefährden diese Rüstungstransfers die nachhaltige wirt-
schaftliche Entwicklung. Knappe Staatsmittel werden für Aufrüstungsvorhaben
gebunden, wie z. B. in Pakistan, wo 23 Prozent des Staatshaushaltes an das Mili-
tär fließen, und fehlen u. a. im Gesundheits- und Bildungssektor. Um diese Fehl-
entwicklung zu korrigieren, ist es notwendig, die rechtliche Verbindlichkeit der
Politischen Grundsätze zu stärken und die im Vergleich zum AWG wesentlich
restriktiveren Bestimmungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes auf alle Rüs-
tungsgüter anzuwenden.

Die Bundesregierung unterstützt aktiv die Anbahnung und Durchführung von
Rüstungsexportgeschäften. Durch die Gewährung von staatlichen Exportbürg-
schaften („Hermes-Kredite“), z. B. gegenwärtig für eine mögliche U-Bootliefe-
rung an Pakistan, oder die Überlassung von Wehrmaterial an andere Streitkräfte
inklusive von Instandsetzungs- und Modernisierungsverträgen für die deutsche
Rüstungsindustrie, fördert sie die Aufrüstung und Proliferation deutscher Waffen
gerade an finanziell und politisch schwache und instabile Staaten. Im Rahmen
von multilateralen Beschaffungsverträgen, wie z. B. beim Eurofighter, sichert
die Bundesregierung den beteiligten Unternehmen und den Partnerstaaten vorab
zu, dass die darin enthaltene deutsche Rüstungstechnik später an andere Staaten
exportiert werden darf oder die Bundesregierung Kompensationen zahlen wird.
Diese Maßnahmen sind mit den Vorgaben einer restriktiven Rüstungsexport-
politik nicht zu vereinbaren.

Die Bundesregierung kommt nur schleppend der für eine restriktive Rüstungs-
politik impliziten Vorgaben einer transparenten überprüfbaren Berichterstattung
nach. Eine zeitnahe parlamentarische und öffentliche Debatte ist derzeit nicht
möglich. Die Rüstungsexportberichte werden erst ein Jahr nach dem Ende des
Berichtszeitraums veröffentlicht, obwohl die darin aufgeführten Informationen
bereits früher verfügbar sind. Die Bundesregierung weigert sich, die statistische
Erfassung der realen Exporte von allen Rüstungsgütern gemäß der Ausfuhrliste
Teil 1A zu gewährleisten, obwohl dies technisch möglich wäre. Sowohl bei der
rot-grünen Koalitionsregierung als auch der jetzigen Bundesregierung fehlte
weitestgehend die Bereitschaft, über die Minimalvorgaben der im europäischen
Rahmen vereinbarten Mindeststandards für die Jahresberichte hinaus alle ver-
fügbaren Informationen in den jährlichen Rüstungsexportberichten zusammen-
zutragen, wie z. B. die gewährten Hermes-Bürgschaften oder die Empfänger
von allen Kleinwaffen und leichten Waffen inklusive der Sport- und Jagdwaffen.
Die Sammelausfuhrgenehmigungen, die immerhin regelmäßig zwischen ein und
5 Mrd. Euro des jährlichen Genehmigungswertes ausmachen, werden nicht wei-
ter aufgeschlüsselt, die Empfänger bleiben im Dunkeln. Nicht einmal die laufen-
den internationalen Gemeinschaftsprogramme werden aufgeführt, obwohl es
eine solche Liste im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gibt.
Selbst hinsichtlich der von ihr selber initiierten Programme, wie der Vernichtung
von alten Kleinwaffen im Gegenzug für die Lieferung von neuen Kleinwaffen
aus Deutschland („Alt für Neu“), ist die Bundesregierung nicht bereit, Informa-
tionen über den Stand der Umsetzung des Programms in den Jahresberichten
aufzugreifen.

Die derzeitige weltweite Aufrüstung trägt zur internationalen Destabilisierung
bei und gefährdet den Frieden in vielen Regionen der Welt. Die Proliferation

deutscher bzw. westlicher Rüstungstechnologie macht die Welt nicht sicherer,
sondern trägt dazu bei, Kriege und Konflikte für einige Staaten erst führbar zu

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11407

machen. Zudem ist abzusehen, dass die fortschreitende Europäisierung des Rüs-
tungsmarktes und die Globalisierung der Rüstungsindustrie die parlamentari-
schen Kontrollmöglichkeiten immer weiter einschränken werden. Die Bundes-
regierung muss hier endlich ein klares Gegenzeichen setzen und die Weichen für
eine wirklich restriktive Rüstungsexportpolitik stellen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. eine Rüstungspolitik zu praktizieren, die sich nicht am Schutz der Geschäfts-
beziehungen und des Arbeitsplatzerhaltes in der Rüstungsindustrie orientiert,
sondern an dem Ziel, Rüstungsexporte aus Deutschland kontinuierlich und
drastisch zu reduzieren;

2. keine aktive Unterstützung für den Export von Rüstungsgütern zu leisten und
weder staatliche Bürgschaften für Rüstungsexporte zu gewähren, noch ande-
ren Streitkräften Wehrmaterial zu überlassen sowie andere Streitkräfte daran
auszubilden;

3. im Rahmen von multilateralen Beschaffungsvorhaben keine Verpflichtung
einzugehen, die einem Exportzwang gleichkommen wie im Falle des Euro-
fighters;

4. die politischen und rechtlichen Grundlagen für eine restriktive Rüstungs-
exportpolitik zu verbessern, indem:

a) in den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von
Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern der Sonderstatus der NATO-
Staaten im Genehmigungsverfahren beseitigt wird;

b) die rechtliche Verbindlichkeit der Politischen Grundsätze der Bundes-
regierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern
gewährleistet wird;

c) die Rüstungsexportbestimmungen des AWG und des KRWKG in einem
Gesetz zusammengeführt werden, das den rechtlichen Prinzipien des
strengeren KRWKG folgt;

5. folgende Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz der Rüstungs-
exportpraxis im nationalen Rahmen umzusetzen:

a) Gewährleistung der statistischen Erfassung aller Rüstungsexporte, d. h.
auch der Rüstungskomponenten;

b) Aufschlüsselung der Sammelausfuhrgenehmigung und Aufnahme der
Liste laufender internationaler Gemeinschaftsprojekte in den Jahres-
bericht der Bundesregierung über Rüstungsexporte;

c) Integration des jährlichen Berichts der Bundesregierung im Rahmen des
vereinbarten Informationsaustauschs der Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu Kleinwaffen und leichten Waffen
in den jährlichen Rüstungsexportbericht;

d) regelmäßige Unterrichtung über die Umsetzung des Prinzips „Alt für
Neu“, d. h. der Vernichtung von alten Kleinwaffen im Gegenzug für die
Lieferung von neuen Kleinwaffen aus Deutschland;

e) Vorlage des jährlichen Rüstungsexportberichts spätestens im 2. Quartal
des Folgejahres;

6. folgende Maßnahmen zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle der
Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung:

a) quartalsweise Berichterstattung über genehmigte Exporte gegenüber dem

Bundestag und seinen Fachausschüssen;

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b) regelmäßige und zeitnahe Berichterstattung über rüstungsrelevante Ver-
handlungen und Verhandlungsergebnisse auf internationale Ebene, z. B.
in Bezug auf die Gemeinsame Organisation für Rüstungskooperation
(OCCAR) und das Rahmenabkommen über Maßnahmen zur Erleichte-
rung der Umstrukturierung und der Tätigkeit der europäischen Rüstungs-
industrie;

c) zeitnahe Berichterstattung über genehmigte Kriegswaffenexporte gegen-
über dem Deutschen Bundestag inklusive einer inhaltlichen Begründung
für die Genehmigung nach dem KRWKG.

Berlin, den 16. Dezember 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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