BT-Drucksache 16/11292

Zusagen der Bundesregierung an die Europäische Kommission im Zusammenhang mit der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Vom 3. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11292
16. Wahlperiode 03. 12. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz, Jens
Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Otto
Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz
Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link
(Heilbronn), Markus Löning, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-
Sönksen, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Frank Schäffler, Marina
Schuster, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Zusagen der Bundesregierung an die Europäische Kommission im
Zusammenhang mit der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Der Medienmarkt in der Bundesrepublik Deutschland ist insbesondere durch
das institutionalisierte duale Rundfunksystem sowie die andauernde Entwick-
lung hin zu konvergenten Diensten und Technologien geprägt. Die beiden
Säulen des dualen Systems sind der öffentlich-rechtliche Rundfunk einerseits
und die privaten Anbieter von Rundfunk und Mediendiensten andererseits. Der
öffentlich-rechtliche Rundfunk ist dabei zugleich Marktteilnehmer als auch
– nicht zuletzt aufgrund der staatlich garantierten Finanzierung – entscheiden-
der Einflussfaktor auf die Wettbewerbssituation privater Rundfunk- und Me-
dienunternehmen.

Im März 2005 hatte die Europäische Kommission der Bundesregierung ihre
Einschätzung mitgeteilt, dass sie die Finanzierungsregelungen zugunsten der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland
für nicht mehr mit europäischem Recht vereinbar halte. Daraufhin hatte die
Bundesregierung in einer Stellungnahme sowie in weiteren Informationen
Zusagen an die EU-Kommission übermittelt. Mit diesen Zusagen wurden
zwischen der EU-Kommission und der Bundesrepublik Deutschland weitge-
hende Vereinbarungen zur Finanzierung und zur Struktur des öffentlich-recht-
lichen Rundfunks getroffen, die letztendlich zur vorläufigen Einstellung des
Beihilfeverfahrens führten („Mitteilung der Kommission vom 25. April 2007,
Betreff: Staatliche Beihilfe E 3/2005 (ex- CP 2/2003, CP 232/2002, CP 43/
2003, CP 243/2004 und CP 195/2004) – Deutschland – Die Finanzierung der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland“; infolge „Beihilfe-
kompromiss“).

Drucksache 16/11292 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die von der Bundesregierung im Sinne einer Kompromissfindung getätigten
Zusagen müssen innerhalb einer Frist von zwei Jahren ab dem Datum der Ent-
scheidung der Europäischen Kommission in nationales Recht umgesetzt wer-
den. Zu diesem Zweck haben die Ministerpräsidenten der Länder den Entwurf
eines 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages mit Stand vom 22. Oktober 2008
vorgelegt, der voraussichtlich am 18. Dezember 2008 von der Ministerpräsi-
dentenkonferenz beschlossen und den Bundesländern zur Ratifikation vorgelegt
werden soll.

Da ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland
gerichtet war und die Bundesregierung sowohl Adressat der EU-Kommission
als auch verantwortlicher Ansprechpartner im Hinblick auf die eingegangenen
Zugeständnisse und vorgeschlagenen Maßnahmen ist, trägt die Bundesregie-
rung eine Verantwortung für die Umsetzung jener Maßnahmen, nicht zuletzt,
um die Wiederaufnahme des Beihilfeverfahrens gegen die Bundesrepublik
Deutschland abzuwenden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Steht die Bundesregierung weiterhin hinter der Umsetzung der von ihr an
die EU-Kommission eingegangenen Zugeständnisse und vorgeschlagenen
Maßnahmen, und wie begründet sie diese Auffassung?

2. In welcher Form beteiligt sich die Bundesregierung an der Umsetzung der
Zugeständnisse und Maßnahmen?

3. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die von ihr eingegangenen Zu-
geständnisse und vorgeschlagenen Maßnahmen im Rundfunkänderungs-
staatsvertrag umgesetzt werden, so dass die Wiederaufnahme des Beihilfe-
verfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland abgewendet werden
kann?

4. Entspricht der Entwurf des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom
22. Oktober 2008 nach Auffassung der Bundesregierung insgesamt den im
Beihilfekompromiss verankerten Zugeständnissen und Maßnahmen, und
wenn ja, wie wird dies begründet?

5. Entspricht der Entwurf des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom
22. Oktober 2008 nach Auffassung der Bundesregierung in seinen einzel-
nen Regelungen den spezifischen Zugeständnissen und vorgeschlagenen
Maßnahmen im Beihilfekompromiss, und wo genau finden sich die jewei-
ligen Punkte des Kompromisses (Randnummern 322 bis 357) im Entwurf
wieder (bitte exakte Angabe der Stelle im Entwurf des Staatsvertrages)?

6. Teilt die Bundesregierung die vom Intendanten des Saarländischen Rund-
funks und Vorsitzenden der ARD Fritz Raff am 29. Oktober 2008 im ARD-
Mittagsmagazin geäußerte Auffassung, dass der Entwurf des 12. Rundfunk-
änderungsstaatsvertrages vom 22. Oktober 2008 keinerlei Einschränkungen
an den Möglichkeiten der Onlineaktivitäten der öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten macht, und wie begründet sie diese Haltung?

7. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die im geltenden und in allen
zukünftigen Rundfunkstaatsverträgen niedergelegten Grundsätze auch wett-
bewerbspolitische Auswirkungen auf verschiedene Medienmärkte haben?

8. Wenn nein, wie gelangt die Bundesregierung zu dieser Auffassung?

9. Wenn ja, auf welchen Märkten vermutet sie Auswirkungen, und wie be-
wertet sie diese?

10. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass aufgrund der – auch von
Teilnehmern am Wettbewerb geäußerten – wettbewerblichen Auswirkun-
gen des Rundfunkstaatsvertrages sich auch der für Wettbewerbsrecht zu-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11292

ständige Bundesgesetzgeber bei der Umsetzung der von der Bundesregie-
rung eingegangenen Zugeständnisse und vorgeschlagenen Maßnahmen be-
teiligen sollte, und wenn nein, wieso nicht?

11. Sind der Bundesregierung die von der EU-Kommissarin für Informations-
gesellschaft und Medien Viviane Reding im Zusammenhang mit ihrer Rede
zum Thema „Zu Gast bei Peter Müller: Europa contra ARD und ZDF?
Welche Perspektive lässt die EU-Kommission dem gebührenfinanzierten
öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland?“ (speech/08/597) am
10. November 2008 in Berlin vorgebrachten Argumente im Zusammen-
hang mit der Überarbeitung des Rundfunkstaatsvertrages bekannt, und wie
bewertet sie diese?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die dort angesprochenen „6 Mythen“
sowie die entsprechenden Aussagen dazu seitens der EU-Kommissarin für
Informationsgesellschaft und Medien Viviane Reding?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der EU-Kommissarin für Infor-
mationsgesellschaft und Medien Viviane Reding, dass „für die ,Public
Value‘-Prüfung vielmehr unabhängige und sachkundige Schiedsrichter [be-
nötigt werden], die in der Lage sind, zwischen den verschiedenen Interessen
objektiv und fair zu entscheiden“ (speech/08/597, S. 7)?

14. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das System der Binnen-
kontrolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten solche unabhängi-
gen und sachkundigen Schiedsrichter garantiert, und worin liegt die ent-
sprechende Auffassung begründet?

15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der EU-Kommissarin für Infor-
mationsgesellschaft und Medien Viviane Reding, dass für den Fall, dass
der „Public Value“-Test weiterhin durch die Rundfunkräte der Landesrund-
funkanstalten bzw. durch den ZDF-Fernsehrat durchgeführt werden soll,
diese Räte „in ihrer persönlichen Unabhängigkeit gegenüber ARD und
ZDF und auch in ihrer sachlichen und finanziellen Ausstattung erheblich
gestärkt werden“ müssen (speech/08/597, S. 7)?

16. Ist das System der Binnenkontrolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunk-
anstalten aus Sicht der Bundesregierung zeitgemäß und geeignet, um eine
wirksame Kontrolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu ge-
währleisten, und wie begründet die Bundesregierung diese Auffassung?

17. Ist der Bundesregierung das Modell der Kontrolle des öffentlich-recht-
lichen Rundfunks in Großbritannien geläufig, und wenn ja, kann sie dieses
darlegen?

18. Könnte aus Sicht der Bundesregierung das Modell der Kontrolle des öffent-
lich-rechtlichen Rundfunks in Großbritannien ein Vorbild für die deutsche
Rundfunklandschaft sein, und wie begründet sie diese Auffassung?

19. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung für oder gegen die Übernahme
der Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch die Landes-
medienanstalten, um eine unabhängige, externe und professionelle Kon-
trolle sicherzustellen?

20. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass in der Bundesrepublik
Deutschland 22 öffentlich-rechtliche Fernsehkanäle notwendig sind, um ei-
nerseits die mediale Grundversorgung der Bevölkerung und eine ausrei-
chend pluralistische Medienvielfalt und andererseits einen fairen und freien
Wettbewerb im Medienmarkt sicherzustellen?

Drucksache 16/11292 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
21. Wie begründet die Bundesregierung die Auffassung im Hinblick auf die
vorangegangene Frage, und wie bewertet sie jeden einzelnen im Entwurf
des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 22. Oktober 2008 ange-
sprochenen Fernsehkanal im Hinblick auf seinen spezifischen öffentlich-
rechtlichen Mehrwert sowie seine wettbewerblichen Auswirkungen?

22. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die vollständige Werbe- und
Sponsoringfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dazu beitragen
könnte, einen fairen und freien Wettbewerb im Medienmarkt sicherzu-
stellen?

23. Welche Gründe sprechen ganz grundsätzlich für und gegen eine Vereinheit-
lichung der Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen und den privaten
Rundfunk, der übrigen Medienaufsicht und der Aufsicht und Regulierung
des Telekommunikationsmarktes?

24. Wie begründet die Bundesregierung diese Einschätzung?

25. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die unterschiedlichen Auf-
sichtsmodelle im deutschen Rundfunksystem (externe, auf hauptberufliche
Mitarbeiter gestützte sowie von den Rundfunkanstalten sachlich, örtlich
und finanziell unabhängige Kontrolle durch Landesmedienanstalten im
privaten Rundfunk, ehrenamtliche Binnenkontrolle beim öffentlich-recht-
lichen Rundfunk) sachgerecht sind, und wie begründet sie ihre Einschät-
zung?

26. Welche Gründe sprechen ganz grundsätzlich für und gegen die sachliche,
örtliche und finanzielle Loslösung der Rundfunk-/Fernsehräte von den
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie für und gegen die Schaf-
fung hauptberuflicher Kontrolleure oder zumindest externer Geschäfts-
stellen zur Unterstützung der Kontrolleure bei ihren Aufsichtspflichten?

27. Welche weiteren Maßnahmen empfiehlt die Bundesregierung, um den all-
gemeinen Rechtsrahmen im Medien- und Kommunikationssektor an die
fortschreitende Konvergenz der Medien anzupassen?

28. In welcher Form hat sich die Bundsregierung im Zuge des Konsultations-
verfahrens in die Überarbeitung der Mitteilung der Europäischen Kommis-
sion über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk (EU-Rundfunkmitteilung) eingebracht?

29. Wie bewertet die Bundesregierung den vorliegenden Entwurf der EU-
Rundfunkmitteilung, und wie wird sie sich in das weitere Verfahren ein-
bringen?

Berlin, den 3. Dezember 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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