BT-Drucksache 16/11269

Unklarheiten bei Verbrauchern bezüglich des Gerichtsstandes nach dem Versicherungsvertragsgesetz

Vom 3. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11269
16. Wahlperiode 03. 12. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van
Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael
Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning,
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhard Müller-Sönksen, Dirk
Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Frank Schäffler, Marina Schuster, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel
Volk, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Unklarheiten bei Verbrauchern bezüglich des Gerichtsstandes nach dem
Versicherungsvertragsgesetz

Das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (Bundestagsdrucksa-
che 16/3945) ist am 23. November 2007 im Bundesgesetzblatt (Bundesgesetz-
blatt Teil I 2007, S. 2631) verkündet worden und trat gemäß Artikel 12 des Ge-
setzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts am 1. Januar 2008 in Kraft.
In Artikel 1 des Einführungsgesetzes zu dem Gesetz über den Versicherungsver-
trag (EGVGG) sind die Übergangsvorschriften für Altverträge niedergelegt.

Gemäß § 215 Absatz 1 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) ist für
Klagen aus dem Versicherungsvertrag auch das Gericht örtlich zuständig, in
dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zurzeit der Klageerhebung seinen
Wohnsitz hat. In der Gesetzbegründung heißt es dazu: „Der bisherige § 48 VVG
(Gerichtsstand der Agentur) hat in der Vergangenheit zu Unklarheiten und
Streitigkeiten geführt. Der Versicherungsnehmer muss darauf achten, dass er tat-
sächlich im Gerichtsstand des Vertreters und nicht etwa im Gerichtsstand einer
Vertriebsorganisation des Versicherers o. Ä. klagt. Andernfalls riskiert er eine
Weiterverweisung mit der möglichen Folge, die damit verbundenen Kosten tra-
gen zu müssen. Ferner gilt § 48 VVG nicht für Makler, wobei er dann wieder
gilt, wenn sich der Gelegenheitsmakler im Einzelfall als Versicherungsvertreter
betätigt hat. § 48 VVG gilt auch nicht, wenn der Vertrag unmittelbar mit einem
Innendienstmitarbeiter des Versicherers geschlossen wurde, wie z. B. in der
Direktversicherung.“ Aufgrund dieser Unwägbarkeiten sollte dem Versiche-
rungsnehmer aus Verbraucherschutzgesichtspunkten das Recht eingeräumt
werden, die Klage gegen den Versicherer an seinem Wohnsitz einzureichen.

In der Rechtspraxis ist festzustellen, dass bei dieser Norm erhebliche Unklarheit
wegen des zeitlichen Geltungsbereichs besteht. Zum einen wird vertreten, § 215

Drucksache 16/11269 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
VVG unterliege der zeitlichen Übergangsvorschrift des Artikels 1 Absatz 1 und 2
EGVGG, mit der Folge, dass für Versicherungsverträge, die nach dem 1. Januar
2008 entstanden sind, § 215 VVG ab dem 1. Januar 2008 gelte, bei Altverträgen
bis zum 31. Dezember 2008 hingegen § 48 VVG a. F. mit all seinen Unklarhei-
ten eröffnet sei und § 215 VVG nie zur Anwendung komme, wenn bei einem
Altvertrag der Versicherungsfall bis zum 31. Dezember 2008 eintrete. Die Ge-
genansicht vertritt die Auffassung, Artikel 1 Absatz 1 und 2 EGVGG seien auf
§ 215 VVG nicht anwendbar, mit der Folge, dass die Norm ab dem 1. Januar
2008 volle Geltung entfalte.

Diese Unklarheiten führen bei Verbrauchern und auch bei Juristen zu einer deut-
lichen Verunsicherung hinsichtlich der Wahl des richtigen Gerichtsstandes.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Unterliegt nach Ansicht der Bundesregierung § 215 VVG der zeitlichen
Übergangsvorschrift des Artikels 1 Absatz 1 und 2 EGVVG?

2. Wenn ja, stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass § 215 VVG für
alle Versicherungsfälle aus Altverträgen, die bis zum 31. Dezember 2008 ein-
getreten sind, auch ab dem 1. Januar 2009 nicht anwendbar ist, mit der Folge,
dass der Versicherungsnehmer nicht sicher sein kann, dass ihm der Gerichts-
stand an seinem Wohnsitz gewährt wird, soweit sein Versicherungsvertrag
vor dem 1. Januar 2008 geschlossen wurde?

3. Entspricht dies nach Ansicht der Bundesregierung dem gesetzgeberischen
Ziel des § 215 VVG, bestehende Unwägbarkeiten bei der Wahl des Gerichts-
standes auszuschließen?

4. Wenn nein (siehe Frage 1), wie stellt sich der zeitliche Geltungsbereich des
§ 215 VVG nach Ansicht der Bundesregierung dar?

5. Sieht die Bundesregierung gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur Klarstel-
lung des zeitlichen Geltungsbereichs des § 215 VVG?

6. Wenn ja, welche konkrete Gesetzänderung wird von der Bundesregierung an-
gestrebt?

7. In welchen weiteren Bereichen sieht die Bundesregierung nach dem Inkraft-
treten des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts am 1. Januar
2008 gesetzgeberischen Korrekturbedarf?

Berlin, den 3. Dezember 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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