BT-Drucksache 16/11268

Planungen der Bundesregierung zur Einführung von De-Mail

Vom 3. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11268
16. Wahlperiode 03. 12. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Gisela Piltz, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz,
Dr. Max Stadler, Christian Ahrendt, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Jens Ackermann,
Dr. Karl Addicks, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst
Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-
Kasan, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning,
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen,
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Frank Schäffler, Marina Schuster, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Planungen der Bundesregierung zur Einführung von De-Mail

Die Bundesregierung plant die Einführung eines De-Mail-Dienstes, mit dem ne-
ben bereits bestehenden Möglichkeiten der verschlüsselten und mithin sicheren
elektronischen Kommunikation eine Infrastruktur für sicheren Mail-Versand ge-
schaffen werden soll. Über De-Mail sollen Bürgerinnen und Bürger im Rahmen
der Weiterentwicklung von E-Government-Anwendungen sicher mit Behörden
kommunizieren können.

Die Förderung der rechtssicheren, datensicheren und zuverlässigen elektroni-
schen Kommunikation zwischen Behörden und Unternehmen sowie Bürgerin-
nen und Bürgern ist für die Informationsgesellschaft von erheblicher Bedeutung.

Allerdings ist bislang nicht hinreichend klar, warum der Staat hier eine eigene
Infrastruktur aufbauen muss statt auf bestehende Möglichkeiten zurückzugrei-
fen. Der im Aufbau von De-Mail liegende Eingriff in marktwirtschaftliche, aber
auch technische Entwicklungen muss genau geprüft werden.

Datensicherheit und Datenschutz sind unabdingbare Voraussetzung für das
Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen in E-Government.
Nur wenn Datenschutz und Datensicherheit groß geschrieben werden, werden
E-Government-Anwendungen auch von den Nutzern angenommen. Daher müs-
sen beim Projekt De-Mail diese Aspekte besonders gewürdigt werden.
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie führt erfreulicherweise zu einem Schub bei der
Entwicklung von E-Government in der Bundesrepublik Deutschland. In Bund,
Ländern und Kommunen wird mit Hochdruck daran gearbeitet, die Vorausset-
zungen zur Umsetzung der Richtlinie zu schaffen. Hierbei muss jedoch das Au-
genmerk auch darauf liegen, den Zugang zu Behörden mittels elektronischer
Kommunikation so einfach wie möglich zu gestalten. Neue Hürden aufzubauen,

Drucksache 16/11268 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

indem ein neues System genutzt werden soll, laufen diesem Zweck jedoch zu-
wider.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung es für erforderlich, statt auf
schon verfügbare sichere elektronische Kommunikationsmöglichkeiten
zurückzugreifen, einen neuen E-Mail-Service „De-Mail“ zu schaffen?

2. Welche Gründe sprechen gegen die Nutzung von schon vorhandenen
E- Mail-Strukturen unter Hinzuziehung sicherer Verschlüsselungsmethoden?

3. In welchem Verhältnis soll De-Mail zur im Rahmen der Einführung des
elektronischen Personalausweises geplanten Funktionalität des elektroni-
schen Identitätsnachweises stehen?

4. Warum ist es erforderlich, neben der Einführung des elektronischen Iden-
titätsnachweises eine eigene technische Infrastruktur für elektronische
Kommunikation aufzubauen statt bestehende Strukturen mittels Verschlüs-
selungstechnologien in Verbindung mit dem neuen Personalausweis oder
anderen derartigen Karten zu nutzen?

5. Wie bewertet die Bundesregierung es aus datenschutzrechtlichen Aspekten,
dass alle Bürgerinnen und Bürger, die an De-Mail teilnehmen möchten, ihre
bestehende E-Mail-Adresse bekannt geben müssen, um diese dann mit dem
Zusatz De-Mail für die Kommunikation mit Behörden nutzen zu können,
insbesondere vor dem Hintergrund, dass viele Menschen gerade zum
Schutz ihrer persönlichen Daten anonyme oder kryptische Adressen ver-
wenden?

6. Ist aus datenschutzrechtlichen Gründen vorgesehen, dass unter dem System
De-Mail auch neue E-Mail-Adressen kreiert werden können?

7. Werden die den De-Mail-Adressen zugrunde liegenden E-Mail-Adressen
der teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger, falls ja, an welcher Stelle, ge-
speichert?

8. Werden die De-Mail-Adressen der Bürgerinnen und Bürger generell oder in
bestimmten Fällen mit Melderegisterdaten in Verbindung gebracht, abge-
glichen, verknüpft oder im Melderegister gespeichert?

9. Soll die Kommunikation mit dem nach der EU-Dienstleistungsrichtlinie er-
forderlichen einheitlichen Ansprechpartner oder mit Behörden generell aus-
schließlich über De-Mail möglich sein, bzw. ist geplant, eine Umstellung
auf die ausschließliche Nutzung dieses Dienstes zu welchem Zeitpunkt vor-
zunehmen?

10. Falls ja, welche Kosten entstehen hierdurch bei Unternehmen im In- und
Ausland?

11. Welche Überlegungen hat die Bundesregierung dahingehend angestellt,
dass mit der Erforderlichkeit einer Teilnahme am De-Mail-System für die
Kommunikation mit Behörden statt der Weiternutzung bestehender sicherer
elektronischer Kommunikationswege die Teilnahme an E-Government-
Services erschwert statt erleichtert wird?

12. Welche Kosten entstehen für den einzelnen Nutzer von De-Mail, z. B. für
die Erlangung der Adresse, Speicherplatz auf den Servern u. a. im virtuellen
Dokumentensafe etc.?

13. Ist geplant, dass allen Bürgerinnen und Bürgern automatisch De-Mail-
Adressen zugewiesen werden, ggf. bei Ausstellung des elektronischen Per-

sonalausweises?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11268

14. Wurde durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie
(BSI) oder eine andere staatliche Institution bereits ein Sicherheitsprofil er-
stellt, das die grundlegenden Anforderungen an den allgemeinen mobilen
Datenverkehr innerhalb von oder zwischen staatlichen Institutionen defi-
niert, und wenn ja, wie ist dieser ausgestaltet worden?

15. Falls solch ein Standard noch nicht erarbeitet wurde, wann rechnet die Bun-
desregierung mit einer entsprechenden Vorlage?

16. Plant die Bundesregierung die Entwicklung einer eigenen Lösung für den
mobilen Datenverkehr?

17. Falls ja, welche Kosten werde dafür veranschlagt, und wann soll die ent-
sprechende Lösung verfügbar sein?

18. Welche wettbewerblichen Konsequenzen für an „De-Mail“ teilnehmende
und entsprechend zertifizierte Provider erwartet die Bundesregierung?

19. Wie wird das Zertifizierungsverfahren ausgestaltet, und wer entscheidet
über die Zulassung von Providern?

20. Ist geplant, neben dem üblichen Rechtsweg ein Schlichtungsverfahren für
Provider einzuführen, denen die Zertifizierung für „De-Mail“ versagt wird?

21. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass sie angesichts des von ihr in
dieser Wahlperiode massiv ausgeweiteten Telekommunikations-Überwa-
chungsregimes sowie der verschärften Vorratsdatenspeicherungspflichten
und der angestrebten erweiterten polizeilichen Ermittlungsbefugnisse im
Onlinebereich durch eine Mehrheit der Bürger als vertrauenswürdiger An-
sprechpartner in Angelegenheiten elektronischer Kommunikation angese-
hen wird?

22. Welche Funktion soll der mit De-Mail geplante virtuelle Dokumentensafe
haben?

23. Wozu ist dieser erforderlich, und was spricht dagegen, Dokumente per De-
Mail jeweils an den Empfänger zu schicken statt diese auf einen Server
hochzuladen und dort liegen zu lassen?

24. Wie bewertet die Bundesregierung die Akzeptanz eines derartigen virtuel-
len Dokumentensafes bei den Bürgerinnen und Bürgern wie auch bei Unter-
nehmen angesichts des allgemeinen Vertrauens in staatliche Datensicher-
heit, einmal vor dem Hintergrund aktueller Datenschutzskandale z. B. bei
Meldedaten und zum anderen vor dem Hintergrund der zunehmenden Über-
wachungsbefugnisse und -maßnahmen von Sicherheitsbehörden?

25. Gibt es vergleichbare Systeme in anderen Staaten, insbesondere der EU,
und wie sind gegebenenfalls die Erfahrungen damit?

26. Falls nein, welche Probleme könnten bei der Umsetzung der EU-Dienstleis-
tungsrichtlinie für die Bundesrepublik Deutschland entstehen, wenn Unter-
nehmen oder natürliche Personen aus dem EU-Ausland nicht auf dem
üblichen elektronischen Kommunikationsweg an die Behörden herantreten
können, sondern erst Teilnehmer von De-Mail werden müssen?

27. In welcher Weise sind Länder und Kommunen in die Entwicklung von De-
Mail eingebunden?

28. Welche Kosten entstehen bei den Kommunen für die Implementierung der
notwendigen technischen Infrastrukturen zur Nutzung von De-Mail durch
ihre Behörden?

29. Welche Kosten entstehen insbesondere für das Vorhalten von Speicherplatz

für den virtuellen Dokumentensafe?

Drucksache 16/11268 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
30. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen werden für die Nutzung von De-
Mail für die Bürgerinnen und Bürger, die den Service nutzen, gelten, ins-
besondere im Hinblick auf Haftungsfragen bei Verlust von Passwörtern, die
die Integrität z. B. des virtuellen Dokumentensafes gefährden können?

31. Welche Sicherheit für im virtuellen Dokumentsafe gespeicherten Daten ge-
gen Datenverlust und zum Schutz von deren Vertraulichkeit und Integrität
sollen im Rahmen von De-Mail getroffen werden?

32. Plant die Bundesregierung gesetzgeberische Schritte, die das Vorhaben
flankieren, insbesondere im Hinblick auf die teilnehmenden Telekommuni-
kationsprovider auf der einen, die Behörden auf der anderen Seite, und
wenn ja, welche?

33. Welche Aussagen zur Zukunftssicherheit und Nachhaltigkeit von De-Mail
kann die Bundesregierung vor dem Hintergrund der schnellen technischen
Weiterentwicklung treffen?

Berlin, den 3. Dezember 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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