BT-Drucksache 16/11088

Beteiligung deutscher Soldaten am geplanten EU-Einsatz "Atalanta"

Vom 25. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11088
16. Wahlperiode 25. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Homburger, Dr. Rainer Stinner, Elke Hoff, Hans-Michael
Goldmann, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Werner
Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim
Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Frank Schäffler, Marina Schuster, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Beteiligung deutscher Soldaten am geplanten EU-Einsatz „Atalanta“

Die Bundesregierung plant, sich an dem von der Europäischen Union (EU) be-
schlossenen Einsatz „Atalanta“ zur Pirateriebekämpfung vor der Küste Soma-
lias zu beteiligen. Gleichzeitig sind bereits verschiedene Nationen, so auch
Deutschland, im Rahmen der „Operation Enduring Freedom“ (OEF) im Seege-
biet am Horn von Afrika präsent. Dabei gehen im Rahmen dieser Operation,
neben der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, einige Länder bereits
gegen Piraterie in diesem Seegebiet vor. Die Auswirkungen der Piraterie neh-
men währenddessen immer weiter zu: Immer mehr Kapitäne sehen sich ge-
zwungen größere Umwege, teilweise über schlechtwettergefährdete Seege-
biete, zu nehmen.

Mit der Ratifizierung des Seerechtsübereinkommens liegt auch für Deutschland
die völkerrechtliche Grundlage für die Bekämpfung der Piraterie vor. Nach
Aussage der Bundesregierung ist die Berechtigung, gegen Piraten aktiv vorzu-
gehen eine allgemeine Regel des Völkerrechts nach Artikel 25 des Grundgeset-
zes. Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei Pirateriebekämpfung um
eine Polizeiaufgabe handelt. Bereits in der Vergangenheit hat die Bundeswehr
ausdrücklich Polizeiaufgaben im Ausland übernommen, etwa im Kosovo oder
in Afghanistan.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Handelsschiffe sowie Schiffe mit Hilfslieferungen – und davon
jeweils wie viele deutsche – queren jährlich den Golf von Aden und die

Straße von Hormuz?

2. Sind Reedereien oder der Verband Deutscher Reeder an die Bundesregie-
rung mit der Bitte um Schutz vor Piraterie gegen ihre Schiffe herangetreten?

3. Welche Schiffe deutscher Reeder sind in diesem Jahr bislang Opfer von
Piraterie vor der somalischen Küste geworden, und welcher Schaden ist da-
durch entstanden?

Drucksache 16/11088 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Welche wirtschaftlichen Auswirkungen durch geänderte Schifffahrtsrouten
sind bislang eingetreten bzw. zu erwarten?

5. Welche Auswirkungen auf die Sicherheit des Schiffverkehrs durch Um-
wege der Schiffe zur Umfahrung der Piratengefahr sind bislang aufgetreten
bzw. zu erwarten?

6. Plant die Bundesregierung Soldaten auch zum Schutz von Frachtern deut-
scher Reeder in Einsatz zu bringen?

Wenn ja, wie viele, und wie genau soll der Schutz aussehen?

Auf welcher Rechtsgrundlage wird diese Aufgabe übernommen, und wer
trägt die Kosten für diesen Einsatz?

7. Welche exakte geographische Lage und Größe hat das Seegebiet, in dem
der von der Europäischen Union vorgesehene Einsatz „Atalanta“ stattfin-
den soll?

8. Überschneiden sich die Einsatzgebiete von OEF und „Atalanta“ in Bezug
auf ihre geographische Lage und Größe, und wenn ja, wie groß ist das See-
gebiet, in denen die genannten Missionen gleichzeitig operieren werden?

9. Trifft es zu, dass die Operationspläne für OEF auch die Bekämpfung der
Piraterie umfassen?

Wenn ja, warum ist es der Deutschen Marine unter dem Mandat von OEF –
abgesehen von einem eng definierten Tatbestand der Nothilfe – nicht ge-
stattet, Piraten zu bekämpfen?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Notsituation, in der
Nothilfe geleistet werden muss, solange gegeben ist, wie eine Bedrohung
für Leib und Leben anhält?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, warum ist es der Deutschen Marine nicht gestattet, einem von
Piraten gekaperten Schiff Hilfe zu leisten?

11. Welche verfassungsrechtlichen Bedenken hat die Bundesregierung beim
Einsatz der Deutschen Marine gegen Piraten im Rahmen von OEF, „Ata-
lanta“ bzw. grundsätzlich?

12. Wie wertet die Bundesregierung die Tatsache, dass andere Staaten im Rah-
men von OEF im Gegensatz zu Deutschland aktiv gegen Piraten vorgehen?

13. Welches sind die zugesagten oder geplanten Beiträge der jeweiligen EU-
Nationen an der Mission „Atalanta“?

14. Welche Aufgaben soll „Atalanta“ im Seegebiet vor der somalischen Küste
wahrnehmen, welche Befugnisse sollen die beteiligten Schiffsbesatzungen
durch das Mandat erhalten, und durch wen, und mit welchen Mitteln will
die Bundesregierung diese Befugnisse der beteiligten deutschen Stellen
ausfüllen?

15. Sollen Piraten ggf. auch an Land verfolgt werden dürfen?

16. Welche deutschen Behörden bzw. Stellen sollen über die Bundeswehr
hinaus nach Vorstellung der Bundesregierung an der Erfüllung des Man-
dats wie mitwirken?

17. Welche deutschen Behörden bzw. Stellen sollen die einzelnen Befugnisse
konkret wie wahrnehmen, z. B. Festnahmen, Haftprüfungen etc?

18. Was sind die konkreten Ziele des Einsatzes „Atalanta“, und welche Ziele
sollen vor Beendigung des Einsatzes erreicht werden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11088

19. Welche Dauer ist von Seiten der Europäischen Union für den Einsatz
„Atalanta“ geplant?

20. Welche Dauer einer deutschen Beteiligung an „Atalanta“ ist – vorbehalt-
lich der konstitutiven Zustimmung des Deutschen Bundestages – seitens
der Bundesregierung geplant?

21. Plant die Bundesregierung die deutsche Beteiligung an „Atalanta“ als
robustes Mandat im Sinne des Artikels 2 Abs. 1d der Gemeinsamen Aktion
2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November
2008 auszugestalten?

Wenn ja, wie erfolgt die Ausgestaltung, welche konkreten Befugnisse er-
hält die Deutsche Marine für die Bekämpfung der Piraterie, und mit wel-
chen Mitteln soll ihr die Durchsetzung ihres Auftrages gestattet sein?

Wenn nein, warum nicht?

22. Wie plant die Bundesregierung sicherzustellen, dass die Deutsche Marine
den in Artikel 2 Abs. 1e der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des
Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008 definierten Auf-
trag „Aufgriff, Festnahme und Überstellung von Personen, die seeräube-
rische Handlungen oder bewaffnete Raubüberfälle begangen haben oder im
Verdacht stehen, diese Taten begangen zu haben, in Gebieten, in denen sie
präsent ist, und Beschlagnahme der Schiffe der Seeräuber oder bewaffne-
ten Diebe oder der nach einem seeräuberischen Akt oder eines bewaffneten
Raubüberfalls gekaperten Schiffe, sofern diese sich in den Händen der See-
räuber befinden, sowie der an Bord befindlichen Güter, im Hinblick auf die
eventuelle Strafverfolgung durch die zuständigen Staaten […]“ erfüllen
kann?

23. Ist aus Sicht der Bundesregierung dazu der Einsatz der Bundespolizei oder
anderer deutscher Sicherheitsbehörden nach nationalem Recht notwendig?

Wenn nein, weshalb nicht, bzw. wer soll diese Aufgabe wahrnehmen?

Wenn ja, warum, und wie soll die Aufgabenwahrnehmung, ggf. gemeinsam
mit der Bundeswehr oder anderen Behörden und Stellen, konkret gestaltet
werden?

24. Mit welchen Staaten strebt die Bundesregierung Vereinbarungen gemäß
Artikel 12 der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Euro-
päischen Union vom 10. November 2008 zur Überstellung von im Rahmen
von „Atalanta“ festgenommenen Personen an?

25. Gibt es in der Europäischen Union Konsultationen bzw. Konsultationen
zwischen der Europäischen Union und den Vereinten Nationen über die
Frage des Verfahrens mit festgenommenen Personen sowie die Frage, an
welchem Gericht dieses Verfahren geführt werden soll?

26. Gibt es Bestrebungen, für Gerichtsverfahren in Fällen von Piraterie ein
eigenes UN-Gericht einzurichten, und wenn ja, wo?

27. Wie wird im Rahmen von OEF im Falle von Festnahmen mit festgenom-
menen Personen verfahren, wo werden sie inhaftiert, und welches Gericht
wäre ggf. für ein Verfahren zuständig?

28. Wie viele Festnahmen wegen Verdachts auf Piraterie gab es im Rahmen
von OEF bislang durch andere Staaten, und was ist der Stand der jeweili-
gen Verfahren in welchen Ländern, und nach welchem Recht?

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29. Hat die Bundesregierung angesichts des Einsatzgebietes von OEF und dem
geplanten Einsatzgebiet von „Atalanta“ sowie der Aufgabe der Piraterie-
bekämpfung bei beiden Missionen mit den Verbündeten die Frage disku-
tiert, die beiden Einsätze zu bündeln?

Wenn ja, welche Überlegungen sind dies?

Wenn nein, welche Erwägungen sprechen gegen eine Zusammenlegung?

30. Wann und wie erfolgt die Übergabe des bisherigen Einsatzes von NATO-
Kriegsschiffen an „Atalanta“?

31. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung weitere Aktivitäten von Seiten
der NATO im zukünftigen Mandatsgebiet von „Atalanta“ geplant, und
wenn ja, wie erfolgt diesbezüglich die Abstimmung mit der Europäischen
Union?

32. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Flottenkommandos, wonach
der „grenzüberschreitende internationale Terrorismus […] von Piraterie
und organisierter Kriminalität häufig nicht zu trennen ist“ (vgl. Jahres-
bericht 2008 des Flottenkommandos, S. 12-7) und „für terroristische
Organisationen […] Piraterie […] eine gute Gelegenheit [ist], finanzielle
Mittel für die Verfolgung ihrer ,politischen‘ Ziele zu beschaffen“ (vgl. ebd.,
S. 8-38)?

Wenn ja, hält die Bundesregierung ihre Meinung aufrecht, dass es sich „bei
Piraterie und internationalem Terrorismus nach Motivation und Zielrich-
tung um zwei unterschiedliche Phänomene“ handele (vgl. Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „Rechte und
Pflichten der Deutschen Marine bei der Bekämpfung der Piraterie“ auf
Bundestagsdrucksache 16/9286), und wie begründet die Bundesregierung
das Festhalten an ihrer Meinung?

Wenn nein, wie stellt sich die Meinung der Bundesregierung mittlerweile
dar?

33. Welche weiteren Maßnahmen wird die Bundesregierung zur Bekämpfung
von Piraterie ergreifen?

Berlin, den 25. November 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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