BT-Drucksache 16/11079

Freigabe von Akten der Bundesregierung

Vom 25. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11079
16. Wahlperiode 25. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Gisela Piltz, Rainer Brüderle, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Horst
Friedrich (Bayreuth), Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Gudrun Kopp, Heinz
Lanfermann, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Markus
Löning, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Frank Schäffler, Marina Schuster,
Carl-Ludwig Thiele, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Freigabe von Akten der Bundesregierung

Einem Bericht des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ zufolge, ist nach
wie vor ein großer Teil der Akten der Bundesregierung nicht freigegeben und
damit für Wissenschaft und Öffentlichkeit weiter nicht zugänglich. Die gelten-
den Regelungen zur Freigabe von Akten haben sich als praxisfern und um-
ständlich erwiesen, so ist eine Freigabe von als geheim bzw. vertraulich einge-
stuften Akten nur durch die Stellen möglich, welche die entsprechende Einstu-
fung vorgenommen haben. Die Folge ist, dass eine Freigabe oft erst mit erheb-
licher Verzögerung erfolgt. Eine pauschale Frist zur Freigabe von Akten wäre
einer demokratischen Regierung, die ihre Legitimation auch aus einem Höchst-
maß an Transparenz bezieht, weitaus angemessener.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Gründe waren dafür ausschlaggebend, dass die Bundesregierung auf
eine generelle Freigabe von Akten, auch solchen, die als Verschlusssache
eingestuft sind, nach 30 Jahren verzichtet hat?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Geheimhaltung von Akten, die als
Verschlusssache eingestuft sind, im Verhältnis zur Informationsfreiheit, und
welche Kriterien wie z. B. Alter der Akten, Geheimhaltungsstufe, etc. sind
ausschlaggebend für eine Abwägung zugunsten der Geheimhaltung auf der
einen bzw. der Informationsfreiheit auf der anderen Seite?

3. Wie hoch ist der Anteil der Akten bzw. Vorgänge der Bundesministerien
bzw. -behörden, die jedes Jahr als „VS – streng geheim“, „VS – geheim“,
„VS – vertraulich“, „VS – nur für den Dienstgebrauch“ bzw. ohne entspre-

chenden Vermerk eingestuft werden, und wie stellt sich dieses Verhältnis be-
zogen auf den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Bundesministerien dar?

4. Ab welchem Jahrgang sind die Akten der Bundesregierung vollständig und
ohne Einschränkung der Wissenschaft und Öffentlichkeit zugänglich?

Drucksache 16/11079 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

5. Hält die Bundesregierung eine über 30 Jahre hinausgehende Geheimhal-
tung von Akten für angemessen, und wie begründet die Bundesregierung
ihre diesbezügliche Einschätzung?

6. Welche Geheimhaltungsfristen für Akten der Regierung gelten nach
Kenntnis der Bundesregierung in den Vereinigten Staaten bzw. den Län-
dern der europäischen Union?

7. Welchen Politikfeldern bzw. Themengebieten sind die Akten überwiegend
zuzuordnen, die trotz eines Alters von über 30 Jahren nach wie vor der Ge-
heimhaltung unterliegen?

8. In wie vielen Fällen hat die Bundesregierung seit Beginn der 16. Legisla-
turperiode eine Verlängerung der 30-jährigen VS-Frist beantragt, und wel-
chen Politik- bzw. Themenfeldern lassen sich diese Akten jeweils zuord-
nen?

9. Von welchen Bundesministerien bzw. -behörden wurde seit Beginn der
14. Legislaturperiode eine Verlängerung der VS-Einstufung über die nor-
malerweise üblichen 30 Jahre hinaus beantragt, um wie viele Fälle hat es
sich dabei jeweils gehandelt, und in wie vielen Fällen wurde die Fristver-
längerung genehmigt bzw. verweigert?

10. Für wie viele der Akten, deren VS-Einstufung nach 30 Jahren in dem Zeit-
raum seit der 14. Legislaturperiode entfiel, haben die jeweils zuständigen
Behörden keine Verlängerung der VS-Einstufung beantragt, und welchen
Politik- bzw. Themenfeldern lassen sich diese jeweils zuordnen?

11. Für welche Aktenbestände (Politik-, Themenfelder bzw. Jahrgänge) hat die
Bundesregierung bzw. die zuständige Behörde von der Möglichkeit Ge-
brauch gemacht, nach Ablauf der VS-Einstufung eine pauschale Verlänge-
rung über 30 Jahre hinaus zu verfügen?

12. In wie vielen Fällen wurde die VS-Einstufung über die vorgesehenen
30 Jahre hinaus um weitere 30 Jahre verlängert, und welchen Politik- bzw.
Themengebieten lassen sich diese Akten jeweils zuordnen?

13. Welche Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder einer ihrer Länder
werden durch die Veröffentlichung 30 Jahre alter oder älterer Akten be-
droht, bzw. welche Risiken für die Bundesrepublik Deutschland gehen
nach Ansicht der Bundesregierung von über 30 Jahre alten Akten aus?

14. Wann beabsichtigt die Bundesregierung, die Aktenbestände mit einer VS-
Einstufung und einem Alter von über 30 Jahren vollständig der Wissen-
schaft und Öffentlichkeit zugänglich zu machen?

15. In wie vielen Fällen wurde die Bundesregierung seit Beginn der 16. Legis-
laturperiode um Einsicht in Akten, deren Alter 30 Jahre überschreitet, ge-
beten, und in wie vielen Fällen hat die Bundesregierung diese aus welchen
Gründen gewährt bzw. abgelehnt?

16. Welche Themen- bzw. Politikfelder hatten die entsprechenden Akten,
deren Einsicht verweigert wurde, jeweils zum Hintergrund?

17. Auf welche Weise prüft die Bundesregierung Anträge auf eine Verlänge-
rung der VS-Einstufung, und inwieweit ist die politische Hausleitung des
jeweils zuständigen Ministeriums in das entsprechende Verfahren einge-
bunden?

18. Welche Gründe halten die Bundesregierung davon ab, für die Verlängerung
einer VS-Einstufung eine konkrete, aktenbezogene Begründung der bean-
tragenden Stelle zu verlangen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11079

19. Welche Aktenbestände (Politik-, Themenfelder bzw. Jahrgänge) mit VS-
Einstufung hat die Bundesregierung seit Beginn der 14. Legislaturperiode
außerplanmäßig freigegeben?

20. Auf welche Summe belaufen sich nach Einschätzung der Bundesregierung
die jährlichen Kosten für den Schutz, die Aufbewahrung und die Verwal-
tung der als „VS“ eingestuften Akten, einschließlich des Unterhaltes der
entsprechenden IT-Systeme?

21. Wie viele Kontrollen der Dienststellen der Bundesministerien bzw. -behör-
den, die „VS“ verwenden, wurden seit Beginn der 16. Legislaturperiode
durchgeführt, im Hinblick darauf, ob in der Dienststelle geführte Akten un-
gerechtfertigt oder unrichtig als „VS“ eingestuft bzw. die vorhandenen
„VS“ entsprechend der VS-Anweisung (VSA) behandelt wurden, und in
wie vielen Fällen wurden dabei welche Mängel festgestellt?

22. Werden auch vor Ablauf der 30-Jahre-Frist regelmäßig, also nicht Einzel-
fall bezogene, Überprüfungen vorgenommen, ob eine VS-Einstufung gene-
rell bzw. in der jeweiligen Geheimhaltungsstufe weiter bestehen soll?

23. Welche Zeitabstände sollten nach Ansicht der Bundesregierung zwischen
den einzelnen Kontrollen liegen, um eine angemessene Behandlung der
„VS“ sicherzustellen, und wie stellt sich im Vergleich dazu der tatsächliche
Prüfintervall dar?

24. In wie vielen Fällen sind seit Beginn der 14. Legislaturperiode als „VS“
eingestufte Akten abhanden gekommen?

25. In wie vielen Fällen sind als „VS“ eingestufte und gespeicherte Daten auf-
grund des technischen Fortschritts mit der heutigen Technik nicht mehr
nutz- bzw. lesbar, und auf welche Weise hat die Bundesregierung sicher-
gestellt, dass elektronische Daten nach Ablauf der 30-jährigen VS-Einstu-
fung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können?

26. Welche Bundesministerien bzw. -behörden unterhalten eigene VS-Regis-
traturen?

27. Ab welchem Dienstgrad können die Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter in
den einzelnen Bundesministerien bzw. -behörden VS-Einstufungen vor-
nehmen bzw. aufheben?

28. Wie viele Personen sind in den einzelnen Bundesministerien bzw. -behör-
den für die Überprüfung von VS-Einstufungen zuständig?

29. Wie viele Personen sind in den einzelnen Bundesministerien bzw. -behör-
den berechtigt, eine VS-Einstufung von Akten bzw. Vorgängen vorzuneh-
men, und inwieweit wird diese Entscheidung von der jeweiligen Hauslei-
tung überprüft?

30. Wie viele Akten mit VS-Einstufung hat die Bundesregierung seit Beginn
der 16. Legislaturperiode vernichtet, und welchen Politik- bzw. Themenfel-
der lassen sich diese Aktenbestände jeweils zuordnen?

Berlin, den 25. November 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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