BT-Drucksache 16/10965

Möglichkeiten der Anwendung sozialer Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe auf Bundesebene

Vom 13. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10965
16. Wahlperiode 13. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kerstin Andreae, Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk,
Birgitt Bender, Alexander Bonde, Dr. Thea Dückert, Markus Kurth, Brigitte Pothmer,
Christine Scheel, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Dr. Harald Terpe
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Möglichkeiten der Anwendung sozialer Kriterien bei der öffentlichen
Auftragsvergabe auf Bundesebene

Der Gesetzentwurf zur Novellierung des Vergaberechts sieht zukünftig soziale
und ökologische Kriterien sowie Innovationen als zusätzliche Vergabekriterien
vor. Allerdings hat das Rüffert-Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH)
vom 3. April dieses Jahres zu einer starken Unsicherheit bezüglich der Berück-
sichtigung von sozialen Kriterien bei öffentlichen Aufträgen geführt. Aktuell
steht die Vergabepraxis des Deutschen Bundestages auf dem juristischen Prüf-
stand. Beim Ausschreibungsverfahren für die Fahrdienstleistungen hat die Ver-
gabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt die vertraglichen Regelungen
zur Tariftreue und die Eigenleistungsquote nicht akzeptiert (Beschluss vom
15. Juli 2008). Die dagegen vom Deutschen Bundestag erhobene Beschwerde ist
vom Oberlandesgericht Düsseldorf weitgehend zurückgewiesen worden.

Der Präsident des Deutschen Bundestages, Dr. Norbert Lammert, hat im Schrei-
ben vom 7. Oktober 2008 an die Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und
Technologie, Edelgard Bulmahn, im Zusammenhang der öffentlichen Anhörung
zur Novellierung des Vergaberechts auf die Kritik im Präsidium und Ältestenrat
hingewiesen, „dass offenbar nicht sichergestellt werden kann, dass die Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer, die bei Dienstleistern für den Deutschen Bun-
destag beschäftigt sind, eine angemessene Vergütung erhalten und angemessene
Arbeitsbedingungen haben“.

Durch diese Vorgänge haben die Auswirkungen der Reform des Vergaberechtes
auf die Möglichkeiten von Bundesbehörden, soziale Kriterien anzuwenden, eine
besondere Brisanz gewonnen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Möglichkeiten sollen den Verfassungsorganen und Bundesbehörden
im Rahmen des von der Bundesregierung verabschiedeten Gesetzentwurfs
zur Reform des Vergaberechts (vgl. Bundestagsdrucksache 16/10117) einge-

räumt werden, dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer, die bei Dienstleistern der Verfassungsorgane oder der Bundesbehörden
beschäftigt sind, z. B. durch die Anwendung von Tariftreueregelungen, eine
angemessene Vergütung erhalten und angemessene Arbeitsbedingungen
haben?

Drucksache 16/10965 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. Wie bewertet die Bundesregierung die durch die Reform beabsichtigte Mög-
lichkeit, soziale Kriterien bei der Vergabe zu berücksichtigen im Vergleich zu
den geltenden Regelungen im Vergaberecht?

3. Plant die Bundesregierung, die Anwendung sozialer Kriterien bei der öffent-
lichen Auftragsvergabe durch Verfassungsorgane und Bundesbehörden durch
entsprechende Richtlinien oder Arbeitshilfen zu erleichtern?

4. Welche gesellschaftlichen Organisationen oder Gruppen sollten bei der
Erstellung entsprechender Richtlinien und Arbeitshilfen für die Anwendung
sozialer Kriterien beteiligt werden?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die derzeit geltenden rechtlichen und
organisatorischen Möglichkeiten zur Anwendung von Tariftreueregelungen
durch Verfassungsorgane und Bundesbehörden?

6. Wie bewertet die Bundesregierung den Beschluss des Oberlandesgerichts
(OLG) Düsseldorf vom 5. Mai 2008 (Az. VII-Verg 5/08), nach dem ein
öffentlicher Auftraggeber von Bietern und Bieterinnen nicht einmal die Ein-
haltung von für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen fordern darf?

7. Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um nach dem
Rüffert-Urteil des EuGH vom 8. April 2008 Rechtssicherheit in Bezug auf
die Anwendung von sozialen Kriterien wie z. B. Tariftreueregelungen im
Vergaberecht zu schaffen?

8. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung auf europäischer Ebene, um
die effektive Implementierung von sozialen Kriterien wie zum Beispiel
Tariftreueregelungen als Vergabekriterien zu gewährleisten?

9. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob andere Mitgliedstaaten der
Europäischen Union entsprechende Initiativen ergreifen wollen?

Falls ja, welchen Inhalt haben diese Initiativen?

Berlin, den 13. November 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.