BT-Drucksache 16/1072

Innovative Instrumente der Entwicklungshilfefinanzierung

Vom 27. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1072
16. Wahlperiode 27. 03. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Hüseyin-Kenan Aydin, Heike Hänsel, Ulla Lötzer,
Dorothee Menzner, Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

Innovative Instrumente der Entwicklungshilfefinanzierung

Auf Einladung Frankreichs berieten am 28. Februar 2006 und am 1. März 2006
Regierungsvertreter von rund 70 Staaten in Paris über neue Wege, um Entwick-
lungsvorhaben in Afrika, Asien und Lateinamerika zu finanzieren.

Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Heidemarie Wieczorek-Zeul, berichtete dort den Anwesenden, dass mit der
Verabschiedung des Bundeshaushalts für 2006 die Mittel für die Entwicklungs-
zusammenarbeit um mehr als 300 Mio. Euro aufgestockt würden, was einer
Erhöhung um fast 8 Prozent entspreche. Nicht erwähnt hat sie, dass diese Erhö-
hung zu einem wesentlichen Teil unter Einrechnung der Tsunami-Flutopferhilfe
zu Stande kommt. Des Weiteren, so die Bundesministerin für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, habe sich
Deutschland noch nicht für ein spezifisches innovatives Finanzierungsinstru-
ment zur Beförderung der Entwicklungsfinanzierung entschieden.

Als solche innovativen Finanzierungsinstrumente werden derzeit die Abgabe
auf Flugtickets, die Besteuerung von Flugbenzin, eine Devisenumsatzsteuer
(sog. Tobin-Steuer), die Vorfinanzierung durch Kapitalmarktanleihen, eine
Abgabe auf Waffengeschäfte und Abgaben auf den Kohlendioxidausstoß dis-
kutiert. Bereits beschlossen ist, dass Frankreich ab dem 1. Juli 2006 eine Flug-
ticketsteuer zur Bekämpfung von Aids, Malaria und TBC erheben wird und
weitere Staaten Ähnliches planen. Auch hat sich das belgische Parlament für
die Einführung einer Devisenumsatzsteuer ausgesprochen.

Problematisch bei einer Reihe dieser Finanzierungsinstrumente ist es, dass
diese mitunter zu Zielkonflikten führen können. Beispielsweise würde es unter-
entwickelten Ländern zugute kommen, wenn das Fluggastaufkommen steigt,
was hingegen im Widerspruch zu ökologisch wünschenswerten Zielen steht.

Hintergrund für diese diskutierten und z. T. beschlossenen Maßnahmen ist u. a.,
dass Deutschland sich gemeinsam mit anderen OECD-Staaten wiederholt ver-
pflichtet hat, die Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent seiner Wirtschaftsleistung
anzuheben. Die bisherigen Steigerungsraten der Entwicklungshilfe lassen aber
nicht die Schlussfolgerung zu, dass dieses Ziel auch nur annähernd erreicht

werden kann.

Nach Aussage des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD soll sich
Deutschland im Rahmen der Völkergemeinschaft aktiv und ergebnisorientiert
an der Beseitigung der Probleme im Bereich der Entwicklungshilfefinanzierung
beteiligen.

Drucksache 16/1072 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchem Verhältnis, in welchem Umfang und mit welchen jährlichen
Steigerungsraten sollen die in der Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU
und SPD genannten Maßnahmen (Erhöhung der Haushaltsmittel, Ent-
schuldung der Entwicklungsländer, innovative Finanzierungsinstrumente)
jeweils zur Erreichung der im EU-Stufenplan vereinbarten Ziele beitragen,
und wie wird dies begründet?

2. Plant die Bundesregierung, in Deutschland ansässige Großunternehmen in
besonderer Weise zur Entwicklungshilfefinanzierung heranzuziehen, ange-
sichts dessen, dass eine Vielzahl dieser Unternehmen in besonderer Weise
von der internationalen Arbeitsteilung aber auch von einer Vielzahl von Ent-
wicklungshilfeprojekten profitiert?

3. Erwägt die Bundesregierung weitere bzw. andere, als die in der Vorbemer-
kung genannten Finanzierungsinstrumente zur Entwicklungshilfefinanzie-
rung zu etablieren?

Wenn ja, um welche Instrumente handelt es sich hierbei, und welche Ein-
nahmeeffekte verspricht sie sich davon? (Mit Begründung)

4. Wie begründet die Bundesregierung ihr, im Vergleich zu einigen anderen
europäischen und nichteuropäischen Staaten, zögerliches Verhalten, kon-
krete Vorschläge zu unterbreiten, mit denen die Finanzierung der Entwick-
lungshilfe deutlich verbessert werden kann?

5. Welche Position vertritt die Bundesregierung hinsichtlich auftretender Ziel-
konflikte bei einer Verknüpfung von bestimmten Einnahmen mit Ausgaben
für die Entwicklungshilfefinanzierung, und wie begründet sie diese?

6. Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber der Einführung
einer Abgabe auf Flugtickets, wie sie in Frankreich ab dem 1. Juli 2006
erhoben werden soll, und wie begründet sie diese Haltung?

7. Kann, in Anbetracht dessen, dass die Bundesministerin für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, den Län-
dern, die die Einführung einer Abgabe auf Flugtickets planen, gedankt hat,
davon ausgegangen werden, dass die Bundesregierung gleichfalls plant,
eine solche Abgabe zu erheben?

Wenn ja, in welcher Höhe, und welche Einnahmen verspricht sie sich da-
von?

Wenn nein, warum kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bundes-
regierung gleichfalls plant, eine solche Abgabe zu erheben?

8. Erwägt die Bundesregierung in Ergänzung oder als Alternative zu der ge-
nannten Abgabe auf Flugtickets die Einführung einer Besteuerung von
Flugbenzin, um neben der entwicklungspolitischen Verwendung dieser
Mittel zugleich auch ökologisch sinnvolle Steuerungseffekte zu erzielen?

Wenn nein, warum nicht?

9. Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber der Überlegung des
britischen Finanzministers, Entwicklungshilfe durch Anleihen am Kapital-
markt (International Finance Facility) vorzufinanzieren, und wie begründet
sie diese Haltung?

10. Stellt die Einführung einer Wertpapierumsatzsteuer und einer Devisentrans-
aktionssteuer (sog. Tobin-Steuer) aus Sicht der Bundesregierung ein geeig-
netes Instrument dar, das einerseits zur Stabilisierung der internationalen
Finanzmärkte und andererseits zur Finanzierung der Entwicklungshilfe bei-

tragen kann?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1072

Wenn ja, in welchem Ausmaß meint die Bundesregierung, dass dieses
Instrument den genannten Zielen zuträglich sein kann?

Wenn nein, warum nicht?

11. Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber der Kritik des Zen-
tralkomitees der deutschen Katholiken, dass eine echte Aufstockung der
Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit im Bundeshaushalt 2006 nicht
zu erkennen sei, da der geplante Anstieg zum größten Teil sich aus der Fort-
schreibung der Tsunami-Flutopferhilfe und der Erhöhung des deutschen
Beitrags zum Europäischen Entwicklungsfond erkläre? (Mit Begründung)

12. Plant die Bundesregierung die Etablierung einer oder mehrerer der vorge-
nannten Steuer- bzw. Abgabearten, unabhängig davon, dass sie sich mög-
licherweise gegen deren Verwendung im Rahmen der Entwicklungshilfe-
finanzierung ausspricht?

Wenn ja, warum, und wie begründet sie ihre Position?

Wenn nein, warum nicht, und wie begründet sie ihre Position?

Berlin, den 23. März 2006

Dr. Barbara Höll
Hüseyin-Kenan Aydin
Heike Hänsel
Ulla Lötzer
Dorothee Menzner
Dr. Axel Troost
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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