BT-Drucksache 16/1060

Profiling von Arbeitslosengeld-II-Empfängern und -Empfängerinnen

Vom 27. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1060
16. Wahlperiode 27. 03. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kornelia Möller, Dr. Barbara Höll, Dr. Lothar Bisky, Sabine
Zimmermann, Katja Kipping, Inge Höger-Neuling und der Fraktion DIE LINKE.

Profiling von Arbeitslosengeld-II-Empfängern und -Empfängerinnen

Im Rahmen des Fachkonzepts „Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement im
SGB II“ der Bundesagentur für Arbeit wurde ein so genanntes Profiling einge-
führt, in dessen Rahmen sowohl persönliche als auch umfeldbezogene Daten der
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen erhoben werden. Dadurch soll eine Chancen-
und Risikoeinschätzung für den Einzelnen vorgenommen werden.

Die Handlungsempfehlung/Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit
vom 26. November 2004 besagt:

„Dem Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung geht zwingend ein systema-
tisches und abgesichertes Profiling voraus.“

Weiter wird in der Handlungsempfehlung ausgeführt, worin die Unterschiede
zwischen einem Profiling nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)
und dem Profiling nach dem SGB II bestehen:

„Zur Standortbestimmung des Profiling gehören einerseits Merkmale des per-
sönlichen Profils wie

● Fähigkeiten und Qualifikationen sowie

● Engagement und Motivation,

andererseits auch objektivierbare Kontextfaktoren wie

● Hemmnisse und

● Spezifische Arbeitsmarktbedingungen.

Im Unterschied zum Profiling im SGB III sind jedoch nicht nur die entsprechen-
den Merkmale des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (eHb) zu erheben, sondern
auch die Merkmale, die sich aus der Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemein-
schaft (BDG) als integrationshemmend herausarbeiten lassen.

Profiling nach dem SGB II verfolgt somit folgende Ziele:

● Alle für die Vermittlung relevanten Merkmale des eHb und der Bedarfs-

gemeinschaft werden zu Beginn der Hilfebedürftigkeit festgestellt, den
Gegebenheiten des Arbeitsmarktes gegenübergestellt und fließen in eine in-
dividuelle mit dem eHb besprochene Chancen- und Risikoprognose ein.

Drucksache 16/1060 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● Die getroffenen Feststellungen sind Grundlage für die Wahl einer geeigneten
Vermittlungsstrategie, die den Informations-, Beratungs- und Betreuungsbe-
darf der Kunden berücksichtigt. Hier sind nach entsprechender Pilotierung
gegebenenfalls auch für den SGB-II-Kundenkreis die entsprechenden Hand-
lungsprogramme zu berücksichtigen.“

Dies umfasst einen sehr weit reichenden Begriff des Profiling. Zur Sicherstel-
lung der Persönlichkeitsrechte der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ergeben
sich einige grundsätzliche Fragen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgt das in der oben beschriebenen
Handlungsempfehlung dargestellte Profiling für Arbeitslosengeld-II-Emp-
fängerinnen und -Empfänger, und sieht die Bundesregierung den Daten-
schutz als gewährleistet an?

2. Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgen Fragen zum Haushaltskontext
bzw. zur Bedarfsgemeinschaft des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (also zu
anderen Personen)?

Inwiefern sind Angaben zu solchen Fragen verpflichtend?

3. Wer genau führt das Profiling durch?

Wer nimmt die Auswertung des Profiling vor?

4. In wie vielen Arbeitsgemeinschaften wird das Profiling durchgeführt?

Ist die Durchführung des Profiling für die Arbeitsgemeinschaften freiwillig?

5. In wie vielen Arbeitsgemeinschaften wird das Profiling im Auftrag der
Arbeitsgemeinschaften von Dritten durchgeführt?

Auf welcher rechtlichen Grundlage geschieht die Vergabe an Dritte?

Wie wird in diesen Fällen der Vergabe an Dritte die Kontrolle über die Inhalte
und die Durchführung des Profiling und somit der Schutz der Arbeitslosen-
geld-II-Empfängerinnen und -Empfänger gewährleistet?

6. Von wem und an welche „Kunden“ bzw. „Kundengruppen“ werden die Pro-
filingbögen in den Arbeitsgemeinschaften ausgegeben, und wann im Ver-
mittlungsprozess passiert dies?

7. Wie viele Arbeitsgemeinschaften verwenden den von der Bundesagentur
für Arbeit herausgegebenen Musterbogen und wie viele Arbeitsgemein-
schaften verwenden einen eigenen?

Wenn eigene Profilingbögen verwendet werden, worin bestehen im Einzel-
nen die Abweichungen zum Musterbogen der Bundesagentur für Arbeit?

8. Sind die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen verpflichtet, auf Fragen im Rah-
men des Profiling zu antworten?

9. Wenn die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen verpflichtet sind, auf Fragen im
Rahmen des Profiling zu antworten, welche Angaben sind verpflichtend
und welche sind freiwillig (bitte kategorisieren)?

10. Wenn die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen verpflichtet sind, auf Fragen im
Rahmen des Profiling zu antworten, welche Möglichkeiten haben sie, Aus-
künfte zu verweigern?

11. Wenn die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen verpflichtet sind, auf Fragen im
Rahmen des Profiling zu antworten, welche Sanktionen haben sie zu erwar-
ten, wenn sie Auskünfte verweigern?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1060

12. Wenn die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen verpflichtet sind, auf Fragen im
Rahmen des Profiling zu antworten, gibt es Ausnahmeregelungen für be-
stimmte Personengruppen?

13. Inwiefern sind Fragen nach Werten/Idealen, Spannungen/Konflikten,
Zustand der Wohnung, Nachbarschaft/Umfeld, Beziehungen außerhalb der
Familie, Freizeitgestaltung, Wohnverweildauer, Freunden, Identität/Selbst-
bild/Selbstkonzepten, Auffälligkeiten in der Kindheit, Lebensbilanz/Verän-
derungswunsch sowie nach Bindungen verpflichtend (bitte einzeln erläu-
tern)?

14. Wenn auch freiwillige Angaben Bestandteil des Profiling sind, woher wissen
die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, welche Angaben freiwillig und welche
verpflichtend sind?

Ist diesbezüglich eine Rechtsbelehrung vorgeschrieben?

Wenn nicht, bitte begründen, warum nicht?

Wenn ja, wie wird deren Einhaltung überprüft?

15. Inwiefern sind die Beschäftigten der Arbeitsagenturen bzw. der Arbeits-
gemeinschaften für die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Profiling
geschult?

Inwiefern sind sie zur Erstellung von Psychogrammen qualifiziert?

Welche Kriterien werden einer ausreichenden Qualifikation zur Durchfüh-
rung des Profiling zugrunde gelegt?

Sind diese Kriterien bundeseinheitlich oder setzen die Arbeitsagenturen
bzw. die Arbeitsgemeinschaften eigene fest?

16. Wer speichert wo, zu welchem Zweck und wie lange die im Profiling erho-
benen Daten?

17. Wer hat Zugang zu diesen Daten?

Werden Zugriffe auf diese Daten protokolliert?

Wenn nein, warum nicht?

18. Verfügt die erhebende und speichernde Stelle über einen Datenschutzbeauf-
tragten?

Berlin, den 23. März 2006

Kornelia Möller
Dr. Barbara Höll
Dr. Lothar Bisky
Sabine Zimmermann
Katja Kipping
Inge Höger-Neuling
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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