BT-Drucksache 16/10325

Mobilfunkforschung verantwortlich begründen

Vom 24. September 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10325
16. Wahlperiode 24. 09. 2008

Antrag
der Abgeordneten Horst Meierhofer, Michael Kauch, Angelika Brunkhorst,
Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß,
Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Markus Löning,
Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Marina Schuster,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Mobilfunkforschung verantwortlich begründen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Mobilfunk ist in Deutschland zu einem wichtigen Faktor im Wirtschafts-
und Privatleben geworden. Insgesamt sind in den Unternehmen, die mittel- oder
unmittelbar mit mobilen Funktechnologien befasst sind, über 200 000 Arbeit-
nehmer beschäftigt. Der Mobilfunk ist eine hochinnovative Branche mit sehr
kurzen Innovationszyklen. Als wichtiger Wirtschaftsfaktor trägt sie maßgeblich
zum Erhalt und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unterneh-
men bei. In den vergangenen Jahren wurden durch den Mobilfunk bestehende
Berufsbilder angepasst und neue konnten entstehen. Insbesondere durch den
Ausbau der Netze und die Einführung neuer Technologien bei den Übertragun-
gen ist mit der Schaffung zusätzlicher z. T. vollständig mobiler Arbeitsplätze zu
rechnen.

Neben der wirtschaftlichen Bedeutung des Mobilfunks ergeben sich aus dieser
Technologie auch Vorteile für jeden einzelnen Bürger. In Deutschland kommen
auf 100 Menschen 104 Mobiltelefone (Stand 2006). Diese ersetzen zunehmend
Anwendungen, die bisher einen Computer voraussetzen. Überdies können
Mobiltelefone heute schon Leben retten, insbesondere auch dann, wenn sie an
Ältere und Kinder ausgegeben werden.

Die Aufrechterhaltung, der Ausbau und die Weiterentwicklung von Funktechno-
logien liegen deshalb im Interesse breiter Bevölkerungsschichten und fast aller
Branchen. Den in Teilen der Bevölkerung bestehenden Vorbehalten gegen diese
Technologie kann nur dann begegnet werden, wenn die Angst vor Risiken durch
Forschung ausgeräumt wird.

Drucksache 16/10325 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Vor diesem Hintergrund hat das Deutsche Mobilfunk Forschungsprogramm
(DMF) in den vergangenen fünf Jahren wichtige Erkenntnisse zur Wirkung
nichtionisierender Strahlung auf menschliches Gewebe geliefert. So wurden ins-
gesamt 54 Projekte in den Bereichen Dosimetrie, Wirkungsmechanismen, akute
und langfristige Wirkungen sowie Risikokommunikation durchgeführt und aus-
gewertet. Unter anderem wurden Informationen über geeignete Messverfahren
und individuelle Kommunikationsstrategien gewonnen. Im Bereich der akuten
und chronischen Auswirkungen nichtionisierender Strahlung konnten in In-vitro-
und in epidemiologischen Studien keine gesundheitlichen Effekte festgestellt
werden. Diese Erkenntnisse sind sehr erfreulich und tragen dazu bei, weitver-
breitete Skepsis gegenüber dieser Technologie abzubauen.

Dass – auch nach beliebig vielen weiteren Untersuchungen – stets weitere Fra-
gen offenbleiben und neue aufgeworfen werden können, liegt unabhängig vom
Untersuchungsgegenstand im Selbstverständnis und in der Natur wissenschaft-
licher Untersuchungen. So verwundert es kaum, dass auch im Rahmen des DMF
bestimmten Fragestellungen nicht nachgegangen wurde. Beispielsweise war das
DMF nicht als Langzeitstudie angelegt und ist in seinen Aussagen entsprechend
begrenzt.

Gravierender ist, dass die Wirkung nichtionisierender Strahlung auf Kinder,
Heranwachsende und Schwangere nicht untersucht werden konnte – auch des-
halb nicht, weil die Teilnahmebereitschaft potentiell betroffener Menschen an
epidemiologischen Studien nicht sehr ausgeprägt ist. Forschungsbedarf in dieser
Hinsicht ist dennoch unabweisbar, weil die bisherigen Resultate von Erwach-
senen nicht ohne weiteres auf Personen übertragen werden können, deren kör-
perliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Weitergehender beobachten-
der Forschungsbedarf mag darüber hinaus unter Hinweis auf sich stetig wan-
delnde Strahlenquellen und auf eine zunehmende Dichte der Alltagsstrahlung
abgeleitet werden, zumal mit Blick auf die summarische Wirkung unterschied-
licher Strahlenquellen, was im Rahmen des DMF nicht Untersuchungsgegen-
stand gewesen ist.

In der Gesamtschau begründen diese offenen Fragen eine Fortsetzung der For-
schung im Bereich der nichtionisierenden Strahlung – zumal unter Hinweis auf
den erheblichen Nutzen des Mobilfunks für die Menschen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, sich für eine wei-
tere Forschung auf dem Gebiet der nichtionisierenden Strahlung einzusetzen, die

● inhaltlich auf Langzeitstudien und auf die Untersuchung bestimmter Perso-
nengruppen, wie Kinder, Heranwachsende und Schwangere, sowie auf die
summarische Wirkung unterschiedlicher Strahlenquellen fokussiert wird. Zu
prüfen ist ggf. auch eine Berücksichtigung nichtthermischer Wirkungsme-
chanismen;

● durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit (BMU), die Netzbetreiber und zusätzlich – im Rahmen einer freiwilligen
Selbstverpflichtung – die Hersteller von Mobiltelefonen und anderen strah-
lungsintensiven Endgeräten, wie kabellosen Telefonen (DECT) und WLAN-
Geräten, finanziert wird. Das BMU ist aufgefordert, präzise Angaben über
die Kosten einer solchen Forschung (insbesondere bei Langzeitstudien) zu
machen;

● eine internationale Vergleichbarkeit von Forschungsergebnissen ermöglicht
und die internationale Zusammenarbeit durch einheitliche Strukturen fördert.
Ferner gilt es, die Voraussetzungen für einen internationalen Dialog über die
Ergebnisse auch in sprachlicher Hinsicht zu verbessern. Die nationale und
internationale Wahrnehmung sollte durch ergänzende Publikationen in eng-
lischer Sprache gestärkt werden;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10325

● Funktechnologien vor ihrer Markteinführung auf ihre Strahlungswirkung
prüft. Die Entwicklung neuer strahlungsintensiver Technologien muss stär-
ker mit der Forschung im Bereich Strahlenschutz verbunden werden. Dies ist
bei der Einführung der DECT-Technologie unterlassen worden, was dazu
führte, dass die Hersteller dieser Telefone 2006 nachträglich durch das Bun-
desamt für Strahlenschutz aufgefordert wurden, die DECT-Basisstation zu-
künftig so einzurichten, dass es im Standby-Modus zu einer Reduzierung der
Exposition kommt. Diese Zeitverzögerung hätte – zugleich unter Kosten-
ersparnis – verhindert werden können;

● den Menschen hilft, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. Natio-
nal sind alle Beteiligten aufgerufen, wirksame Kommunikationsstrategien zu
entwickeln, welche die Forschungsergebnisse für die Verbraucher nachvoll-
ziehbar machen und diesen rationale Kaufentscheidungen ermöglichen. Dazu
gehört auch die Kennzeichnung strahlungsarmer Mobilfunkgeräte durch ent-
sprechende Labels. In diesem Zusammenhang muss als Ergänzung zu den
allgemein gültigen Grenzwerten auch die Vorsorge zum verantwortungsvol-
len Umgang mit strahlungsintensiven Geräten gestärkt werden;

● transparent für Bürger, Wissenschaftler und Finanziers ist. Sowohl bei der
Auswahl der Themen als auch der Vergabe und Begleitung der Aufträge soll
ein von allen Finanziers unabhängiger Projektleiter für Transparenz und wis-
senschaftliche Objektivität sorgen. Dies ist internationaler Standard und ein
wichtiger Beitrag zur Steigerung der Glaubwürdigkeit der Ergebnisse.

Berlin, den 23. September 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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