BT-Drucksache 16/10092

Anrechnung von Einkünften aus Ferienjobs auf Hartz IV

Vom 6. August 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10092
16. Wahlperiode 06. 08. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Elke Reinke, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, Dr. Dagmar
Enkelmann, Diana Golze, Katja Kipping, Katrin Kunert, Volker Schneider
(Saarbrücken), Frank Spieth, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Anrechnung von Einkünften aus Ferienjobs auf Hartz IV

Viele Schülerinnen und Schüler nutzen die Ferienzeit zum Geldverdienen. Die
Sommerjobs sind nicht zuletzt deshalb attraktiv, weil sie in der Regel als so ge-
nannte kurzfristige Beschäftigung sozialabgabenfrei sind. Da die meisten Schü-
lerinnen und Schüler mit Nebenjobs nicht annähernd auf 7 664 Euro pro Jahr
kommen dürften, bleibt ihr Verdienst zudem steuerfrei. Laut Medienberichten
sieht diese Rechnung jedoch für Jugendliche in Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaf-
ten anders aus (vgl. „Fordern statt Fördern. Für Hartz-IV-Kinder lohnt sich ein
Ferienjob kaum“, in: SPIEGEL ONLINE vom 15. Juli 2008). Ihr Einkommen
zählt zu den Einkünften der Bedarfsgemeinschaft und wird daher mit der Re-
gelleistung verrechnet. Von der Anrechnung ausgenommen wird lediglich der
Grundfreibetrag von 100 Euro pro Monat. Von dem Betrag, der diese Grenze
überschreitet, muss die Schülerin oder der Schüler 80 Prozent von dem Ein-
kommen aus dem Ferienjob in den Topf der Bedarfsgemeinschaft werfen. An-
genommen, die Arbeit würde im Monat 400 Euro einbringen, dürfte die Ferien-
jobberin bzw. der Ferienjobber gerade einmal 160 Euro behalten. 240 Euro
würden mit dem Regelsatz verrechnet. Dabei spielt es keine Rolle, dass das
Einkommen nur in wenigen Wochen erzielt wird – eine rechnerische Auftei-
lung der Einkünfte auf eine längere Zeit wird anscheinend von den Grundsiche-
rungsträgern nicht praktiziert (vgl. „Ferienjob. Hartz-IV-Kinder zahlen für ihre
Eltern“, in: stern.de vom 21. Juli 2008).

§ 2 Abs 4 Satz 3 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (ALG II-V)
sieht jedoch vor, dass einmalige Einnahmen auf einen angemessenen Zeitraum
aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksich-
tigen sind. Schulpflichtige Jugendliche haben regelmäßig und fast ausschließ-
lich in den Sommerferien die Gelegenheit, einer umfänglicheren Beschäftigung
nachzugehen und damit einmalige Einnahmen zu erzielen. Die Bestimmung
des § 2 Abs. 4 Satz 3 ALG II-V ist folglich einschlägig.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Zeiträume der Aufteilung der einmaligen Einnahmen sieht die Bun-

desregierung nach § 2 Abs 4 Satz 3 ALG II-V für die einmaligen Einnahmen
aus Ferienjobs von Jugendlichen in schulischer Ausbildung als angemessen
an, angesichts der Tatsache, dass schulpflichtige Jugendliche lediglich in
den längeren Sommerferien – also einmal im Jahr – die Gelegenheit zu einer
umfänglicheren Beschäftigung haben?

Drucksache 16/10092 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. Welche Handlungsanweisungen gibt es hinsichtlich der Umsetzung des § 2
Abs. 4 ALG II-V für die Grundsicherungsträger vor Ort?

3. Welchen Kenntnisstand hat die Bundesregierung hinsichtlich der konkreten
Anwendung des § 2 Abs. 4 durch die örtlichen Grundsicherungsträger – ins-
besondere bei Ferienjobs?

4. Hat die Bundesregierung Kenntnis von unterschiedlichen Rechtsanwen-
dungen und wie bewertet sie diese?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass einmalige Einnahmen – ins-
besondere bei Ferienjobs – in Bezug auf die Anrechnung als Einkommen
rechnerisch auf mehrere Monate verteilt werden müssen, um der genannten
Bestimmung der ALG II-V gerecht zu werden?

Wenn nicht, warum nicht?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass einzelne Grundsiche-
rungsträger laut Medienberichten gar keine Aufteilung dieser einmaligen
Einnahmen als angemessen ansehen?

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es sich hierbei um einen
Rechtsverstoß handelt (bitte begründen)?

7. Wie gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls gegen einen solchen
Rechtsverstoß vorzugehen?

8. Hat die Bundesregierung Kenntnis von Grundsicherungsträgern, die auf-
grund nicht gemeldeter Einnahmen aus Ferienjobs Bußgelder verhängt
haben?

Wie viele Fälle derartiger Bußgelder – in welcher Höhe – sind der Bundes-
regierung bekannt?

9. Hält die Bundesregierung die Sanktionierung einer gewünschten Aktivität
(Erwerbstätigkeit) für gerechtfertigt, obwohl bei einer rechtmäßigen Auf-
teilung auf einen längeren Zeitraum regelmäßig kein Überschreiten der
Einkommensfreibeträge der Jugendlichen zu erwarten ist?

10. Wie schätzt die Bundesregierung die Auswirkung solcher Bußgelder auf
die zukünftige Erwerbsneigung der Jugendlichen ein?

Berlin, den 5. August 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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