BT-Drucksache 15/5856

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -15/5653- Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (... StrRÄndG)

Vom 29. Juni 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5856
15. Wahlperiode 29. 06. 2005

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 15/5653 –

Entwurf eines Gesetzes … zur Änderung des Strafgesetzbuches (… StrRÄndG)

A. Problem
Die Vorschriften der Verfolgungsverjährung im Strafgesetzbuch (§§ 78 bis 78c
StGB) stecken den Rahmen ab, innerhalb dessen dem Zeitablauf nach der Tat
Bedeutung für die Verhängung von Strafen oder Maßnahmen zukommt. Die
Verjährung der Tat schließt die Ahndung der Tat durch Strafe oder Maßregeln
aus. Ist Verjährung eingetreten, sind laufende Straf- oder Ermittlungsverfahren
als unzulässig einzustellen.
Diese Vorschriften sollen auch einer etwaigen Untätigkeit der Strafverfolgungs-
behörden vorbeugen. Diese sind angehalten, zügig und unter Wahrnehmung der
zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten den Strafanspruch des Staa-
tes innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfristen durchzusetzen, die nach
Schwere des zur Last gelegten Deliktes gestaffelt sind. Bestimmte Handlungen
der Strafverfolgungsbehörden führen dabei nach § 78c StGB zu einer Unter-
brechung dieser Fristen. Die Verfolgung verjährt jedoch grundsätzlich spätes-
tens in dem Zeitpunkt, in dem das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist
verstrichen ist.
Das kann indessen zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, wenn die Frist aus
Gründen verstreicht, die die deutschen Strafverfolgungsbehörden nicht zu ver-
treten haben. In Einzelfällen dauern die ausländischen Auslieferungsverfahren
so lange, dass Verjährung eintritt, bevor der Straftäter an deutsche Behörden
überstellt werden kann und ohne dass die deutschen Strafverfolgungsbehörden
darauf Einfluss nehmen könnten.

B. Lösung
Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung der Beschlussempfehlung, durch
den das Ersuchen an einen ausländischen Staat um Auslieferung eines in
Deutschland verfolgten Straftäters zu einem Ruhen der laufenden Verjährungs-
frist führt, bis der Straftäter entweder an die deutschen Behörden übergeben, die
Auslieferung durch den ausländischen Staat abgelehnt oder das Ersuchen zu-
rückgenommen wird, sofern nicht absehbar ist, dass das Auslieferungsverfahren
mutmaßlich in wenigen Tagen entschieden sein wird.

Drucksache 15/5856 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP bei Stimmenthal-
tung der Fraktion der CDU/CSU

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5856

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf – Drucksache 15/5653 – mit folgender Maßgabe, im Übrigen
unverändert anzunehmen:
Artikel 1 wird wie folgt gefasst:

,Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

Dem § 78b des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom
13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch… geändert worden ist,
wird folgender Absatz 5 angefügt:
„(5) Hält sich der Täter in einem ausländischen Staat auf und stellt die zustän-

dige Behörde ein förmliches Auslieferungsersuchen an diesen Staat, ruht die
Verjährung ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen
Staat
1. bis zur Übergabe des Täters an die deutschen Behörden,
2. bis der Täter das Hoheitsgebiet des ersuchten Staates auf andere Weise ver-

lassen hat,
3. bis zum Eingang der Ablehnung dieses Ersuchens durch den ausländischen

Staat bei den deutschen Behörden oder
4. bis zur Rücknahme dieses Ersuchens.
Lässt sich das Datum des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat nicht
ermitteln, gilt das Ersuchen nach Ablauf von einem Monat seit der Absendung
oder Übergabe an den ausländischen Staat als zugegangen, sofern nicht die er-
suchende Behörde Kenntnis davon erlangt, dass das Ersuchen dem ausländi-
schen Staat tatsächlich nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen
ist. Satz 1 gilt nicht für ein Auslieferungsersuchen, für das im ersuchten Staat auf
Grund des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäi-
schen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten
(ABl. EG Nr. L 190 S. 1) oder auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarung eine
§ 83c des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vergleich-
bare Fristenregelung besteht.“‘

Berlin, den 29. Juni 2005

Der Rechtsausschuss
Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Erika Simm
Berichterstatterin

Daniela Raab
Berichterstatterin

Jerzy Montag
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Drucksache 15/5856 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Erika Simm, Daniela Raab, Jerzy Montag und
Jörg van Essen

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 15/5653 in seiner 181. Sitzung am 16. Juni 2005 in
erster Lesung beraten und zur federführenden Beratung dem
Rechtsausschuss und zur Mitberatung dem Innenausschuss
überwiesen.

II. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses
Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 66. Sit-
zung am 29. Juni 2005 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP bei
Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU die Annahme
des Gesetzentwurfs empfohlen.

III. Beratung im Rechtsausschuss
Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner
85. Sitzung am 29. Juni 2005 beraten und mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP
bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU beschlos-
sen, die Annahme des Gesetzentwurfs mit der in der Be-
schlussempfehlung aufgeführten Maßgabe zu empfehlen.
Die Fraktion der CDU/CSU führte aus, weshalb sie sich
der Stimme enthalte, obwohl sie die Intention des Gesetzent-
wurfs begrüße. Wichtigster Kritikpunkt sei der vorgesehene
§ 78b Abs. 5 Satz 2 StGB. Diese Regelung sei zu streichen,
weil nicht verständlich sei, warum es in den Fällen, in denen
Deutschland durch zielgerichtete Übersendung eines Euro-
päischen Haftbefehls unmittelbar an einen bestimmten Staat
um Auslieferung eines Verfolgten ersuche, nicht zu einem
Ruhen der Verjährung kommen solle. Ferner irritiere die Be-
zugnahme in Absatz 5 Satz 3 auf das Amtsblatt der Europä-
ischen Gemeinschaften, welche für Laien nicht verständlich
sei.
Die Fraktion der SPD erwiderte, über die Argumente zu
§ 78b Abs. 5 Satz 2 StGB, die auch in der Stellungnahme des
Bundesrates enthalten seien, habe man ausdrücklich disku-
tiert. Sie halte die Gründe für die vorgeschlagene Regelung
nach wie vor für gewichtig und bitte daher um Zustimmung
zu dem Gesetzentwurf.
Die Fraktion der FDP plädierte ebenfalls für Zustimmung
zu dem Gesetzentwurf. Beim Europäischen Haftbefehl gelte
eine strenge Fristenregelung von maximal 60 Tagen; diese
kurze Fristverzögerung von allenfalls zwei Monaten könne
nicht zu einem Ruhen der Verjährung führen.
DieBundesregierung führte zu den Einwänden der Fraktion
der CDU/CSU aus, es gebe keine überlangen Auslieferungs-
verfahren beim Europäischen Haftbefehl, eine Ausweitung
des Ruhens der Verjährung sei nicht erforderlich. Die Ver-
weisung auf das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaf-
ten sei für diejenigen, die mit dem Gesetz arbeiten werden,
die deutschen Gerichte und Staatsanwaltschaften, durchaus
verständlich.

IV. Zur Begründung der Beschlussempfehlung
Soweit der Rechtsausschuss den Gesetzentwurf unverändert
angenommen hat, wird auf die Begründung in Drucksache
15/5653, S. 6 ff. verwiesen.
Die vom Ausschuss empfohlene Änderung stellt klar, dass
das Ruhen der Verjährung nur dann eintritt, wenn ein Auslie-
ferungsersuchen an einen Staat gestellt wird, in dem sich der
Täter tatsächlich aufhält. Damit ist sowohl der Fall erfasst,
dass den deutschen Behörden der Aufenthalt in dem auslän-
dischen Staat bekannt wird, weil der Verfolgte aufgrund in-
ternationaler Fahndung oder eines konkret an diesen Staat
gerichteten Festnahmeersuchens festgenommen worden ist,
wie auch der Fall, dass der ausländische Wohnort des Ver-
folgten den deutschen Behörden bekannt ist und daraufhin
ein Auslieferungsersuchen an diesen Staat gerichtet wird.
Das Ruhen der Verjährung tritt nicht bereits dann ein, wenn
ein Ersuchen an einen ausländischen Staat gestellt wird, der
Täter sich jedoch tatsächlich nicht hier, sondern in einem
dritten Staat aufhält.
Die Anknüpfung an den Zugang eines förmlichen Ausliefe-
rungsersuchens setzt den Grundgedanken des Entwurfs um,
dass – nur – Verzögerungen im Einflussbereich des ersuch-
ten Staates ohne Auswirkung auf die Verjährung sein sollen.
Soweit das Auslieferungsersuchen aufgrund eines bilatera-
len Vertrages oder einer anwendbaren multilateralen Über-
einkunft erfolgt, ergeben sich die Anforderungen, die an ein
förmliches Ersuchen hinsichtlich der gebotenen Form, des
Geschäftsweges und der vollständigen notwendigen Auslie-
ferungsunterlagen zu stellen sind, aus der völkerrechtlichen
Vereinbarung. In den Fällen des vertragslosen Ausliefe-
rungsverkehrs ist von einem förmlichen Ersuchen dann aus-
zugehen, wenn es der international üblichen Praxis für die
Stellung förmlicher Auslieferungsersuchen, wie sie auch in
den Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in straf-
rechtlichen Angelegenheiten Niederschlag gefunden hat,
bzw. den den deutschen Behörden bekannten oder zu erfra-
genden Anforderungen des ersuchten Staates entspricht.
Hinsichtlich des Zugangs des Ersuchens ist angesichts der
im Verhältnis zu den einzelnen Staaten geltenden, unter-
schiedlichen Geschäftswege für die Stellung von Ausliefe-
rungsersuchen sowie der dabei zur Anwendung kommenden
unterschiedlichen Transportwege mit einer gesetzlichen Zu-
gangsfiktion von einem Monat nach Absendung zu arbeiten,
sofern der deutschen Behörde nicht positive Kenntnis darü-
ber vorliegt, dass das Ersuchen dem ausländischen Staat tat-
sächlich nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zuge-
gangen ist. Eine Zugangsfiktion ist, wie § 40 Abs. 1 Satz 2
StPO zeigt, auch dem Strafverfahrensrecht nicht fremd.
Die Verfolgungsverjährung soll nur ruhen, wenn und solange
sich der Täter im ersuchten Staat aufhält. Auch damit soll
ausgeschlossen werden, dass Unklarheiten über den tatsäch-
lichen Aufenthalt zu Lasten des Täters gehen oder Ausliefe-
rungsersuchen missbräuchlich gestellt werden. Als Ergebnis
der Erörterungen im Rechtsausschuss ist in Nummer 2 nun-
mehr auch ein eigener Beendigungsgrund für den Ruhens-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/5856

zeitraum vorgesehen („bis der Täter das Hoheitsgebiet des
ersuchten Staates auf andere Weise verlassen hat“). Die For-
mulierung „verlassen hat“ soll sicherstellen, dass der Täter
seinen Aufenthalt im ersuchten Staat endgültig beendet ha-
ben muss, damit die Rechtsfolge – Weiterlaufen der Verjäh-
rungsfrist – eintritt. Das Ruhen der Verjährung ist demnach
noch nicht durch eine Ausreise für einen vorübergehenden
Aufenthalt in einem anderen Land beendet; vielmehr ist die
endgültige Beendigung seines Aufenthalts im ersuchten
Staat erforderlich.

Berlin, den 29. Juni 2005
Erika Simm
Berichterstatterin

Daniela Raab
Berichterstatterin

Jerzy Montag
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

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