BT-Drucksache 15/5481

Erleichterte Visumvergabe für Reisende aus den Golfstaaten

Vom 10. Mai 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5481
15. Wahlperiode 10. 05. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl
(Heilbronn), Dr. Ole Schröder, Wolfgang Zeitlmann, Günter Baumann, Clemens
Binninger, Hartmut Büttner (Schönebeck), Norbert Geis, Roland Gewalt,
Ralf Göbel, Reinhard Grindel, Kristina Köhler (Wiesbaden), Dorothee Mantel,
Erwin Marschewski (Recklinghausen), Stephan Mayer (Altötting), Michaela Noll,
Beatrix Philipp und der Fraktion der CDU/CSU

Erleichterte Visumvergabe für Reisende aus den Golfstaaten

Deutschland braucht sowohl weltoffene, wirtschaftsfreundliche als auch sicher-
heitsorientierte Visa-Regelungen. Nicht zuletzt die bisherigen Ergebnisse des
Visa-Untersuchungsausschusses belegen die Notwendigkeit einer zielgenauen
Visa-Vergabe, die Sicherheitsrisiken ausschaltet und zugleich auch den wirt-
schaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Interessen unseres Landes
Rechnung trägt.
Der Ausschaltung von Sicherheitsrisiken kommt seit den Anschlägen vom
11. September 2001 naturgemäß besondere Bedeutung zu.
Deutschland und andere europäische Staaten dienen bekanntermaßen islamisti-
schen Terroristen als Ruheraum und sind trotzdem potentielle Ziele von Terror-
anschlägen. Aufgrund der damit einhergehenden Gefahren haben Sicherheits-
belange bei der Visumvergabe für die Bundesrepublik Deutschland und die
weiteren Schengen-Staaten an Bedeutung zugenommen.
Nach den Anschlägen des 11. September 2001 wurde mit dem Terrorismus-
bekämpfungsgesetz eine Regelung in das Ausländergesetz (heute Aufenthalts-
gesetz) aufgenommen, nach der ein Antrag auf Erteilung eines Visums dann
abzulehnen ist, wenn der Antragsteller Verbindungen zum internationalen
Terrorismus unterhält (§ 8 Abs. 1 AuslG bzw. § 5 Abs. 4, § 54 AufenthG). Bei
Antragstellern aus genannten Risikostaaten ist bei der Visumerteilung eine
Konsultation zentraler Behörden vorzunehmen, um zu überprüfen, ob Ver-
bindungen zum internationalen Terrorismus beim Antragsteller vorliegen
(§ 64a AuslG; § 73 AufenthG; Artikel 17 Abs. 2 Schengener Durchführungsü-
bereinkommen in Verbindung mit Gemeinsame Konsularische Instruktion
(GKI) Anlage 5).
Laut Presseartikeln (DER SPIEGEL vom 4. April 2005, FOCUS 9/2005) hat
Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem französischen Staatspräsidenten
Jacques Chirac vereinbart, fünf Staaten aus der Region am Persischen Golf von
der so genannten Schengen-Konsultationsliste gemäß GKI Anlage 5 zu strei-
chen. Nachdem bereits der Bundesminister des Innern, Otto Schily, auf seiner
Reise im Februar 2005 mehreren Golf-Staaten eine schnellere Visaerteilung
signalisiert habe, habe der Bundeskanzler auf seiner Reise in den Nahen Osten

Drucksache 15/5481 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Anfang März 2005 den betreffenden Staaten die beschlossenen Änderungen zur
Visavergabe präsentiert.
Laut Presseberichten (DER SPIEGEL vom 4. April 2005, FOCUS 9/2005)
sollen die deutschen Sicherheitsbehörden massiven Protest gegen die durch-
gesetzten Visaerleichterungen für Bürger der Golfstaaten eingelegt haben. Das
Bundeskriminalamt, der Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Ver-
fassungsschutz hätten in einer internen Vorlage für den Bundesminister des
Innern, Otto Schily, erhebliche Sicherheitsbedenken angemeldet.

Wir fragen daher die Bundesregierung:
1. Welche Staaten hat das Bundesministerium des Innern aus welchem Grund

im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt gemäß § 73 Abs. 4 AufenthG
bzw. seiner Vorgängervorschrift § 64a Abs. 4 AuslG („Angehörige be-
stimmter Staaten“) durch allgemeine Verwaltungsvorschrift als Staaten im
Sinne des § 73 Abs. 1 bestimmt und wie viele und welche sind die in § 73
Abs. 4 AufenthG genannten „bestimmten Personengruppen“ (“Angehörigen
von in sonstiger Weise bestimmten Personengruppen“)?

2. Wie viele Visa hat das Auswärtige Amt bzw. wie viele Ausnahmevisa hat
das Bundesministerium des Innern seit dem 11. September 2001 an Staats-
angehörige aus den in Frage 1 angesprochenen Staaten ausgestellt, wie viele
abgelehnt?

3. Welche Staaten aus der Golfregion und aus welchem Grund hat das Bundes-
ministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt gemäß
§ 73 Abs. 4 AufenthG bzw. seiner Vorgängervorschrift § 64a Abs. 4 AuslG
(„Angehörige bestimmter Staaten“) durch allgemeine Verwaltungsvorschrift
bestimmt?

4. Wann und aus welchem Grund hat das Bundesministerium des Innern seit
1. Januar 2002 welche Staaten aus der Golfregion, die im Einvernehmen mit
dem Auswärtigen Amt gemäß § 73 Abs. 4 AufenthG bzw. seiner Vorgänger-
vorschrift § 64a Abs. 4 AuslG („Angehörige bestimmter Staaten“) durch all-
gemeine Verwaltungsvorschrift bestimmt worden waren, aus dieser Liste
herausgenommen (bitte jeweils Staat und Zeitpunkt nennen)?

5. Welche Einschätzungen welcher Sicherheitsbehörden lagen jeweils der Auf-
nahme in die Liste und jeweils der Herausnahme aus der Liste zugrunde?

6. Welche fünf Staaten aus der Region am Persischen Golf sind nach der
Übereinkunft von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem französischen
Staatspräsidenten Jacques Chirac von der so genannten Schengen-Konsul-
tationsliste gemäß GKI Anlage 5 gestrichen worden?
Welche Gründe haben zu dieser Übereinkunft zum jetzigen Zeitpunkt
geführt?

7. Wurde hinsichtlich der fünf Staaten aus der Region am Persischen Golf nur
das nationale oder auch das schengenweite Konsultationsverfahren – und
aus welchem Grund – abgeschafft?

8. Ist die Abschaffung des Konsultationsverfahrens für diese fünf Staaten aus
der Region am Persischen Golf mit allen Schengenpartnern abgestimmt?

9. Wie haben diese hierauf reagiert?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5481

10. Ist die Abschaffung des Konsultationsverfahrens für diese fünf Staaten aus
der Region am Persischen Golf schengenkonform und wenn ja, nach wel-
chen Vorschriften?

11. Welche Voraussetzungen müssen im Einzelnen für die Abschaffung des
Konsultationsverfahrens erfüllt sein, insbesondere in sicherheitsheitsrecht-
licher Hinsicht, und waren diese Voraussetzungen erfüllt?
Wenn ja, was genau waren die Gründe?

12. Wie oft und aus welchem Grund ist das Konsultationsverfahren bisher ent-
gegen den gesetzlichen Bestimmungen nicht angewandt worden?

13. Wie viele des Terrorismus verdächtige bzw. für die Visumerteilung ge-
sperrte Personen sind seit 2000 mit einem deutschen Visum in den Schen-
genraum eingereist (Aufteilung nach deutschen Listen und Listen der
Schengenpartner)?

14. Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlasst, die Visaerteilung
für die Bürger der oben genannten fünf Staaten zu erleichtern?

15. Welche konkreten Vereinbarungen hat der Bundesminister des Innern, Otto
Schily, auf seiner Reise in den Nahen Osten im Februar 2005 mit diesen
Staaten getroffen?

16. Welche konkreten Vereinbarungen hat der Bundeskanzler auf seiner Reise
in den Nahen Osten im März 2005 mit diesen Staaten getroffen?

17. Welche Arten von Visa sind von den neuen Regelungen zur Visaerteilung
für die Bürger dieser Staaten betroffen?

18. Aufgrund welcher Analysen welcher Sicherheitsinstitutionen kommt die
Bundesregierung zu dem Schluss, dass eine geringere Sicherheitsüber-
prüfung bei der Visaerteilung für die Bürger dieser Staaten gerechtfertigt
ist?

19. Welche konkreten Maßnahmen umfasste die Sicherheitsüberprüfung eines
Visumantragstellers aus den angegebenen Staaten vor Einführung der
Erleichterungen zur Visaerteilung für die Bürger dieser Staaten?

20. Welche konkreten Maßnahmen umfasst die Sicherheitsüberprüfung eines
Visumantragstellers aus den angegebenen Staaten nach Einführung der
Erleichterungen zur Visaerteilung für die Bürger dieser Staaten?

21. Hat die Bundesregierung vor der Einführung der neuen Regelungen zur
Visaerteilung für die Bürger dieser Staaten Beurteilungen des Bundes-
kriminalamtes, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundes-
nachrichtendienstes hinsichtlich der damit verbundenen Sicherheitsrisiken
eingeholt?

22. Welche Bewertung haben das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Ver-
fassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst vorgenommen?

23. Welche Gründe haben die Bundesregierung im Jahre 2001 veranlasst, die
Sicherheitsüberprüfung bei Visaerteilung für Bürger so genannter Risiko-
staaten auszuweiten?

24. Liegen die Gründe für eine Ausweitung der Sicherheitsüberprüfung bei
Visaerteilung nach Ansicht der Bundesregierung heute nicht mehr für die
Staaten vor, für die eine Erleichterung der Visaerteilung beschlossen
wurde, und wenn nein, warum nicht?

Drucksache 15/5481 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
25. Plant die Bundesregierung, die Erleichterungen für die Visaerteilung auf
weitere Staaten auszudehnen?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 10. Mai 2005
Wolfgang Bosbach
Hartmut Koschyk
Thomas Strobl (Heilbronn)
Dr. Ole Schröder
Wolfgang Zeitlmann
Günter Baumann
Clemens Binninger
Hartmut Büttner (Schönebeck)
Norbert Geis
Roland Gewalt
Ralf Göbel
Reinhard Grindel
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Stephan Mayer (Altötting)
Michaela Noll
Beatrix Philipp
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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