BT-Drucksache 15/5453

Kein Wegfall der Grenzkontrollen ohne gesicherten Schengen-Standard

Vom 10. Mai 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5453
15. Wahlperiode 10. 05. 2005

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl
(Heilbronn), Wolfgang Zeitlmann, Günter Baumann, Clemens Binninger, Klaus
Brähmig, Hartmut Büttner (Schönebeck), Norbert Geis, Roland Gewalt, Ralf Göbel,
Reinhard Grindel, Ernst Hinsken, Volker Kauder, Gerlinde Kaupa, Kristina Köhler
(Wiesbaden), Werner Lensing, Dorothee Mantel, Erwin Marschewski
(Recklinghausen), Stephan Mayer (Altötting), Michaela Noll, Beatrix Philipp,
Dr. Ole Schröder, Marco Wanderwitz und der Fraktion der CDU/CSU

Kein Wegfall der Grenzkontrollen ohne gesicherten Schengen-Standard

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die EU-Osterweiterung war und ist für die innere Sicherheit in Deutschland und
in der EU insgesamt eine große Herausforderung. Unbestritten ist, dass die
Sicherheit der Bürger vor grenzüberschreitender Kriminalität gewährleistet sein
muss. Der Wegfall der polizeilichen Grenzkontrollen an den alten EU-Außen-
grenzen darf deshalb erst dann erfolgen, wenn an den neuen EU-Außengrenzen
das bewährte hohe Grenzsicherungsniveau erreicht ist.
Die Äußerung des für die Bereiche Inneres und Justiz zuständigen EU-Kommis-
sars Franco Frattini vom 6. April 2005, wonach die Grenzkontrollen zu Polen
und Tschechien bereits im Oktober 2007 wegfallen können, erscheint in der
Sache verfrüht.
Entsprechend dem Schengener Durchführungsübereinkommen in Verbindung
mit Artikel 3 Abs. 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tsche-
chischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik
Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der
Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und
die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge vom
16. April 2003 darf eine Aufhebung der Personengrenzkontrollen an den EU-
Innengrenzen zu den am 1.Mai 2004 beigetreten EU-Staaten erst erfolgen, wenn
nach einer gemäß den geltenden Schengen-Evaluierungsverfahren durchgeführ-
ten Prüfung festgestellt wird, dass die neuen EU-Mitgliedstaaten alle Schengen-
Standards dauerhaft erfüllen. Darüber hinaus muss das Schengener Informati-
onssystem (SIS II) bis dahin funktionsfähig sein. Erst dann kann das Schengener
Durchführungsübereinkommen (SDÜ) durch einstimmigen Beschluss des Rates
der Justiz- und Innenminister in Kraft gesetzt werden.
Derzeit werden auf EU-Ebene die erforderlichen Evaluierungsarbeiten vorberei-
tet. Für den Bereich des in der Entwicklung befindlichen SIS II sind verlässliche
Aussagen über den Zeitpunkt der befriedigenden Einsatzfähigkeit noch nicht zu
treffen.

Drucksache 15/5453 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Wenn nach den bisherigen Erkenntnissen die EU-Erweiterung bislang nur einen
begrenzten Einfluss auf die Kriminalitätsentwicklung hatte, lag das in nicht un-
erheblichem Maße an dem Fortbestand der Grenzkontrollen zur Tschechischen
Republik und zur Republik Polen. Eine verfrühte Aufhebung der Kontrollen an
den Grenzen zur Republik Polen und zur Tschechischen Republik könnte auf-
grund mangelnder Kontrollen an den neuen EU-Außengrenzen zu einer Beein-
trächtigung der Sicherheitslage in Deutschland führen.
Im Hinblick auf die Bedrohung der Sicherheitslage etwa durch die organisierte
Kriminalität aus den ehemaligen Staaten der Sowjetunion muss vor demWegfall
der Grenzkontrollen zur Republik Polen und der Tschechischen Republik eine
den bisherigen fachlichen Standards entsprechende Grenzsicherung an den
neuen EU-Außengrenzen aufgebaut worden sein.
Ein Abrücken vom Erfordernis der Einhaltung der Schengen-Standards würde
zu Lasten der Sicherheitslage in Deutschland und der gesamten Schengener
Partnerschaft bzw. der EU gehen. Es bestünde die Gefahr, dass die Sicherheits-
lage der „alten EU-Staaten“ insbesondere durch Menschenhandel, Schleusun-
gen, Drogenhandel, Kfz-Verschiebungen und andere Formen der organisierten
Kriminalität bedroht würde. Gerade Deutschland könnte dann aufgrund seiner
geographischen Lage an der östlichen Nahtstelle zwischen den alten und den
neuen EU-Staaten besonders betroffen sein.

Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,
l dafür zu sorgen, dass auf EU-Ebene die notwendigen Evaluierungsarbeiten

sorgfältig durchgeführt werden;
l darauf hinzuwirken, dass im Rahmen der Evaluierung zunächst festgestellt

wird, ob die vertraglichen Bedingungen für die Aufhebung der Grenzkontrol-
len vollständig erfüllt sind;

l der Aufhebung der Personenkontrollen an den Grenzen zu den am 1. Mai
2004 beigetretenen EU-Mitgliedstaaten erst dann zuzustimmen, wenn auf-
grund eines nach der Evaluierung vor Ort von EU-Fachbeamten erstellten
Berichts zweifelsfrei festgestellt wurde, dass der betreffende Staat den ge-
samten europäischen Standard im Bereich der inneren Sicherheit vollständig
übernommen hat und dauerhaft anwendet;

l die Funktionsfähigkeit des Schengener Informationssystems (SIS II) zum
Stichtag sicherzustellen;

l dafür Sorge zu tragen, dass erst nach Erfüllung dieser Voraussetzungen über
den Zeitpunkt der Aufhebung der Grenzkontrollen abschließend entschieden
wird.

Berlin, den 10. Mai 2005
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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