BT-Drucksache 15/5132

zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Joachim Stünker, Wolfgang Spanier, Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Jerzy Montag, Franziska Eichstädt-Bohlig, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/4134- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche

Vom 16. März 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5132
15. Wahlperiode 16. 03. 2005

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Joachim Stünker, Wolfgang Spanier,
Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Jerzy Montag, Franziska Eichstädt-Bohlig, Volker Beck
(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 15/4134 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes
zum Bürgerlichen Gesetzbuche

A. Problem
Die Übergangsvorschrift des Artikels 229 § 3 Abs. 10 EGBGB regelt, dass das
Verbot des § 573c Abs. 4 BGB, zum Nachteil des Wohnraummieters von der
durch die Mietrechtsreform eingeführten dreimonatigen Kündigungsfrist abzu-
weichen, nicht gilt, wenn die Kündigungsfristen vor dem 1. September 2001
durch Vertrag vereinbart worden sind. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom
18. Juni 2003 (VIII ZR 240/02) entschieden, dass die Übergangsvorschrift auch
Verträge erfasst, in denen die bis 1. September 2001 geltenden gesetzlichen
Kündigungsfristen durch Allgemeine Geschäftsbedingungenwörtlich oder sinn-
gemäß wiedergegeben wurden. Nach demWillen des Gesetzgebers sollten diese
Fälle nicht erfasst werden, es sollte vielmehr die neue Kündigungsfrist gelten.

B. Lösung
Annahme des Gesetzentwurfs, mit dem die Anwendung von Artikel 229 § 3
Abs. 10 EGBGB auf vor dem 1. September 2001 geschlossene Wohnraummiet-
verträge, in denen die bis 1. September 2001 geltenden gesetzlichen Kündi-
gungsfristen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen wörtlich oder sinngemäß
wiedergegeben wurden, ausdrücklich ausgeschlossen wird.
Annahme des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP

C. Alternativen
Keine Gesetzesänderung. Die derzeitige, durch das Urteil des Bundesgerichts-
hofes vom 18. Juni 2003 konkretisierte Rechtslage bestünde fort.

D. Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 15/5132 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Beschlussempfehlung
Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf – Drucksache 15/4134 – unverändert anzunehmen.

Berlin, den 16. März 2005

Der Rechtsausschuss
Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Joachim Stünker
Berichterstatter

Marco Wanderwitz
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

Rainer Funke
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5132

Bericht der Abgeordneten Joachim Stünker, Marco Wanderwitz, Jerzy Montag
und Rainer Funke

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 15/4134 in seiner 138. Sitzung am 11. November 2004
in erster Lesung beraten und zur federführenden Beratung
dem Rechtsausschuss und zur Mitberatung dem Ausschuss
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen überwiesen.

II. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses
Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
hat die Vorlage in seiner 69. Sitzung am 16. März 2005
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP beschlossen zu emp-
fehlen, den Gesetzentwurf anzunehmen.

III. Beratung im Rechtsausschuss
Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 74. Sitzung
am 16. März 2005 abschließend beraten und mit den Stim-
men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
beschlossen zu empfehlen, den Gesetzentwurf anzunehmen.
Den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entschlie-
ßungsantrag lehnte der Rechtsausschuss ab.
Die Fraktion der CDU/CSU stellte fest, dass sie ihre Hal-
tung zur Mietrechtsreform nicht geändert habe. Diesem Ge-
setzentwurf, der auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes hin
entstanden sei, seien aber zwei zusätzliche Argumente ent-
gegenzuhalten. Ziel des Gesetzentwurfs sei die Herstellung
von Rechtssicherheit hinsichtlich der Kündigungsfristen für
Mieter in sog. Altmietverträgen. Der von den Koalitions-
fraktionen gewählte Weg, auf das Vorliegen von Allgemei-
nen Geschäftsbedingungen abzustellen, sei nicht geeignet,
die vom Gericht geäußerten Bedenken gegen eine Differen-
zierung zwischen echten und unechten Vereinbarungen aus-
zuräumen. Weiterhin sei auch die gewählte Formulierung in
Gestalt einer doppelten Verneinung nicht geeignet, Rechts-
klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. Die Fraktion der
CDU/CSU werde den Gesetzentwurf daher ablehnen.
Die Fraktion der SPD bestätigte, dass es sich bei diesem
Entwurf um einen Restanten aus der 14. Wahlperiode hande-
le. Der Wille des Gesetzgebers hinsichtlich der Kündigungs-
fristen für Mieter bei Vorliegen von Altmietverträgen sei in
der Begründung der Beschlussempfehlung zur Mietrechtsre-
form eindeutig zumAusdruck gekommen. DieserWille solle
durch den nun vorliegenden Gesetzentwurf umgesetzt wer-
den. Da der Gesetzentwurf klar und deutlich sei, werde es in
Zukunft keine Auslegungsprobleme mehr und somit Rechts-
sicherheit geben.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, dass
das Urteil des Bundesgerichtshofes nicht nur Ausgangspunkt
für den vorliegenden Gesetzentwurf, sondern auch grund-
sätzlich für die Arbeit des Rechtsausschusses von Bedeutung
sei. Das Gericht habe nämlich festgestellt, dass es auch im

Rahmen der Ausdeutung des Gesetzes nach dem Willen des
Gesetzgebers für die Rechtsprechung unerheblich sei, was
der Rechtsausschuss meine, sofern sich seine Auffassung
lediglich im Protokoll der entsprechenden Sitzung wieder-
finde und nicht im Gesetz selbst verankert sei. Bei der Arbeit
im Rechtsausschuss gelte es, sich dieser Ansicht des Gerich-
tes bewusst zu sein. In der Sache selbst bedeute dies, dass
nun die Auffassung, die vom Rechtsausschuss in der
14. Wahlperiode für richtig gehalten worden sei, die aber
nach Ansicht des Bundesgerichtshofes nicht hinreichend
Eingang in das Gesetz gefunden habe, nunmehr direkt in
das Gesetz hineingeschrieben werden solle. Die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimme dem Gesetzentwurf
daher zu.
Die Fraktion der FDP hielt fest, dass es sich bei diesem
Gesetzentwurf um ein Reparaturgesetz handele. Wie die
Fraktion der CDU/CSU lehne sie die Mietrechtsreform, die
schon vor 4 Jahren nicht mehr zeitgemäß gewesen sei, nach
wie vor ab. Da es inzwischen oftmals schwer sei, Mietwoh-
nungen zu vermieten, gebe es keinen Anlass, asymmetrische
Kündigungsfristen einzuführen. Auch aus ordnungspoli-
tischer Sicht sollten eher Anreize für Investitionen in den
Wohnungsbau geschaffen werden. Derzeit müsse hiervon
nämlich schon wegen der rechtlichen Stellung von Mietern
und Vermietern abgeraten werden. Die Fraktion der FDP
verfolge mit dem von ihr eingebrachten Entschließungsan-
trag das Ziel, wieder mehr Marktwirtschaft im Bereich des
Wohnungsbaus einzuführen und nicht weniger, wie dies die
Koalitionsfraktionen anstrebten.
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP:
Der Rechtsausschuss möge beschließen:
I. Ersetzung der asymmetrischen Kündigungsfristen durch

eine einheitliche Kündigungsfrist von drei Monaten
(§ 573c Abs. 1 BGB)

Das am 1. September 2001 in Kraft getretene Gesetz zur
Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts
(Mietrechtsreformgesetz) (BGBl. I S. 1149) hat die Rechts-
stellung der Vermieter in verschiedenen Punkten in sachlich
nicht gebotenem Umfang verschlechtert. Das gilt insbeson-
dere für die asymmetrischen Kündigungsfristen bei der or-
dentlichen Kündigung. Während der Mieter gemäß § 573c
Abs. 1 BGB stets spätestens am dritten Werktag eines Kalen-
dermonats zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen
kann, verlängert sich die Kündigungsfrist für den Vermieter
nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohn-
raums um jeweils drei Monate.
Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch führt zu
einer weiteren Verfestigung der asymmetrischen Kündi-
gungsfristen und damit zu einer weiteren Benachteiligung
der Vermieter. Zum einen sollen nunmehr auch auf Altmiet-
verträge, in denen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen
die Geltung der seinerzeitigen gesetzlichen Kündigungsfris-
ten vereinbart wurde, die neuen gesetzlichen asymmetri-
schen Kündigungsfristen anzuwenden sein, zum anderen und

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darüber hinausgehend sollen von der gesetzlichen Neurege-
lung nur Mieter profitieren. Von der neuen gesetzlichen Re-
gelung abweichende Vereinbarungen zum Nachteil des Ver-
mieters blieben unverändert wirksam. Dies ist insbesondere
in den Fällen problematisch, in denen längere als die bis zur
Mietrechtsreform 2001 geltenden Kündigungsfristen verein-
bart worden sind.
Die asymmetrischen Kündigungsfristen lassen sich nicht
länger rechtfertigen. Sie sind nicht notwendig. Auf Grund
der veränderten Wohnraumsituation, der Veränderung der
allgemeinen Lebensbedingungen zu mehr Flexibilität sowie
des sozialen Mietrechts, insbesondere des Erfordernisses
eines berechtigten Interesses des Vermieters an der Kündi-
gung, sind Mieter auf zusätzlichen Schutz durch lange Kün-
digungsfristen nicht mehr angewiesen. Die asymmetrischen
Kündigungsfristen sind daher durch eine für beide Mietpar-
teien einheitliche Kündigungsfrist von drei Monaten zu er-
setzen.
II. Weitere Maßnahmen zur Liberalisierung des Wohn-

raummietrechts
Zur Schaffung eines ausgewogenen Wohnraummietrechts,
das auch Kapitalanlegern Anreiz zur Investition bietet, zur
Belebung der Bautätigkeit und zur Steigerung der Attraktivi-
tät des privaten Wohnungsbaus sind folgende weitere Rege-
lungen erforderlich:
1. Länderöffnungsklausel zur Erhöhung der Kappungs-

grenze auf 30 v. H. (§ 558 Abs. 3 BGB)
Die Landesregierungen werden ermächtigt, die Kappungs-
grenze des § 558 Abs. 3 BGB durch Rechtsverordnung von
20 auf 30 v. H. zu erhöhen. Durch das Mietrechtsreform-
gesetz wurde die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen auf
20 v. H. abgesenkt. Die Absenkung stellt einen erheblichen
Eingriff in den Markt dar, der im Hinblick auf die örtlich
verschiedenen Gegebenheiten nicht, jedenfalls nicht in allen

Bundesländern zur Erzielung eines angemessenen Aus-
gleichs von Vermieter- und Mieterinteressen notwendig ist.
2. Verkürzung der Schonfrist auf einen Monat (§ 569 Abs. 3

Abs. 2 Satz 1 BGB)
Die Schonfrist des § 569 Abs. 3 Abs. 2 Satz 1 BGB wird wie-
der auf einen Monat verkürzt. Durch das Mietrechtsreform-
gesetz wurde die Schonfrist von einem auf zwei Monate
verlängert. Danach wird die außerordentliche fristlose Kün-
digung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum
Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit
des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete bzw.
Nutzungsentschädigung befriedigt wird oder sich eine öf-
fentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Durch die Ver-
längerung der Schonfrist um einen Monat läuft der Vermie-
ter Gefahr, die Miete bzw. Nutzungsentschädigung für einen
weiteren Monat nicht zu erhalten. Der Erhöhung des wirt-
schaftlichen Risikos des Vermieters steht auf Mieterseite kein
praktisch relevanter zusätzlicher Nutzen gegenüber. Regel-
mäßig wird ein Mieter, der nicht in der Lage ist, die Rück-
stände innerhalb eines Monats zurückzuführen, hierzu auch
nicht innerhalb zweier Monate in der Lage sein. Praktisch
wichtiger sind die Fälle, in denen sich eine öffentliche Stelle,
insbesondere die Sozialhilfebehörde, zur Befriedigung des
Vermieters verpflichtet. Diese ist erst recht nicht auf eine
zweimonatige Frist angewiesen.
Eine solche Liberalisierung des Wohnraummietrechts trägt
den Interessen der Vermieter als auch denjenigen der Mieter
angemessen Rechnung und wird positive Auswirkungen auf
den Mietwohnungsbau haben, insbesondere zu einem zusätz-
lichen Angebot bezahlbaren Wohnraums führen.
Der Ausschuss lehnte den Entschließungsantrag mit den
Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei
Stimmenthaltung der Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU
ab.

Berlin, den 16. März 2005
Joachim Stünker
Berichterstatter

Marco Wanderwitz
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

Rainer Funke
Berichterstatter

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