BT-Drucksache 15/4788

zu dem Antrag der Abgeordneten Ingrid Arndt-Brauer, Norbert Barthle, Veronika Bellmann, Lothar Binding (Heidelberg), Renate Blank und weitere Abgeordnete -15/1544- Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an

Vom 28. Januar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4788
15. Wahlperiode 28. 01. 2005

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Ingrid Arndt-Brauer, Norbert Barthle, Veronika
Bellmann, Lothar Binding (Heidelberg), Renate Blank, Angelika Brunkhorst,
Rainer Eppelmann, Petra Ernstberger, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof),
Hans-Michael Goldmann, Josef Göppel, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz
Guttmacher, Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Martin Hohmann,
Dr. Werner Hoyer, Dr. Peter Jahr, Ulrich Kelber, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Werner Lensing, Markus Löning,
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Petra-Evelyne Merkel, Dr. Gerd Müller, Dirk
Niebel, Dietmar Nietan, Cornelia Pieper, Dr. Andreas Pinkwart, Christa Reichard
(Dresden), Walter Schöler, Swen Schulz (Spandau), Werner Schulz (Berlin),
Uwe Schummer, Johannes Singhammer, Dr. Hermann Otto Solms, Rolf Stöckel,
Wolfgang Thierse, Dr. Dieter Thomae, Jürgen Türk, Hans-Jürgen Uhl,
Dr. Antje Vogel-Sperl, Dr. Antje Vollmer
– Drucksache 15/1544 –

Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an

A. Problem
Die Antragsteller heben hervor, die demografische Entwicklung in Deutschland
gefährde die Zukunft der Gesellschaft. Die Probleme der deutschen Gesell-
schaft der Zukunft seien nur zu bewältigen, wenn im Generationenvertrag auch
die junge Generation berücksichtigt und Kindern und den sie großziehenden
Eltern ein ihrer Bedeutung für die Zukunft der Gesellschaft angemessener
Stellenwert eingeräumt werde. Die Gesellschaft insgesamt müsse kinderfreund-
licher werden, die Bereitschaft junger Erwachsener, Eltern zu werden, müsse
gestärkt und die zahlreichen Probleme und Nachteile für Familien mit Kindern
müssten abgebaut werden.
Der in Artikel 38 Abs. 2 des Grundgesetzes festgelegte Ausschluss der Kinder
und Jugendlichen vom Wahlrecht vereitele jedoch eine angemessene Berück-
sichtigung der jungen Generation im politischen Willensbildungsprozess der
Gesellschaft und passe weder in die Gesamtsystematik der demokratischen
Ordnung, noch überzeuge er inhaltlich. Das Wahlrecht sei ein in einer Demo-
kratie unverzichtbares Grundrecht. Wer Kindern und Jugendlichen dieses
grundsätzlich weiter vorenthalte, stelle einerseits die prinzipielle Gleichheit der
Staatsbürger in Frage und leiste andererseits einer Politik Vorschub, die zu
einer Verlagerung von Lasten auf die nächste Generation tendiere.

Drucksache 15/4788 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Aus diesem Grunde soll die Bundesregierung aufgefordert werden, einen Ge-
setzentwurf zur Einführung eines Wahlrechts ab Geburt durch Änderung des
Artikels 38 des Grundgesetzes und erforderlicher weiterer gesetzlicher Ände-
rungen vorzulegen. Dabei soll ein Wahlrecht ab Geburt dergestalt vorgesehen
werden, dass die Kinder zwar Inhaber des Wahlrechts werden, dieses aber treu-
händerisch von den Eltern bzw. Sorgeberechtigten als den gesetzlichen Ver-
tretern ausgeübt werde. Für den Fall, dass sich die Eltern nicht in der Ausübung
des Kinderwahlrechts einigen können, soll eine einfache und beide Elternteile
möglichst gleichberechtigende Regelung vorgesehen werden.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen eine Stimme aus der Frak-
tion der FDP

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4788

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 15/1544 abzulehnen.

Berlin, den 19. Januar 2005

Der Innenausschuss
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast
Vorsitzende

Barbara Wittig
Berichterstatterin

Beatrix Philipp
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

Klaus Haupt
Berichterstatter

Drucksache 15/4788 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Barbara Wittig, Beatrix Philipp, Josef Philip Winkler
und Klaus Haupt

I. Zum Verfahren
1. Überweisung
Der Antrag auf Drucksache 15/1544 wurde in der 102. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 1. April 2004 an den
Innenausschuss federführend sowie an den Ausschuss für
Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, den Rechts-
ausschuss und den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend zur Mitberatung überwiesen.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse
Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung hat in seiner 28. Sitzung am 11. November
2004 mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP bei einer Gegen-
stimme aus der Fraktion der CDU/CSU die Ablehnung des
Antrags empfohlen.
Der Rechtsausschuss hat in seiner 61. Sitzung am 27. Ok-
tober 2004 mit den Stimmen aller Fraktionen bei Enthaltung
einer Stimme aus der Fraktion der CDU/CSU die Ableh-
nung des Antrags empfohlen.
DerAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat in seiner 46. Sitzung am 19. Januar 2005 mit 19 Stim-
men der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen zwei Stimmen aus der Fraktion der
FDP und bei Enthaltung einer Stimme aus der Fraktion der
CDU/CSU empfohlen, den Antrag abzulehnen.

3. Beratungen im federführenden Ausschuss
Der Innenausschuss hat in seiner 49. Sitzung am 1. Dezem-
ber 2004 einvernehmlich beschlossen, ein öffentliches Fach-
expertengespräch zum Thema „Mehr Demokratie wagen
durch ein Wahlrecht von Geburt an“ durchzuführen.
Das öffentliche Fachexpertengespräch hat der Innenaus-
schuss in seiner 50. Sitzung am 13. Dezember 2004 durch-
geführt. An diesem Fachexpertengespräch haben folgende
Sachverständige teilgenommen:
Prof. Dr. Günter Frankenberg
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Prof. Dr. Eckhard Jesse
Technische Universität Chemnitz
Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Meyer
Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Albin Nees
Präsident Deutscher Familienverband e. V.

Prof. Dr. jur. Matthias Pechstein
Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)
Dr. Lore-Maria Peschel-Gutzeit
Rechtsanwältin
Prof. Dr. Siegfried Willutzki
Ehrenvorsitzender Deutscher Familiengerichtstag
Hinsichtlich des Ergebnisses des Fachexpertengesprächs
wird auf das Protokoll der 50. Sitzung des Innenausschusses
vom 13. Dezember 2004 verwiesen (Protokoll 15/50).
Der Innenausschuss hat die Vorlage in seiner 52. Sitzung am
19. Januar 2005 abschließend beraten.
Als Ergebnis der Beratungen wurde der Antrag auf Druck-
sache 15/1544 mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/
CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP bei einer
Gegenstimme aus der Fraktion der FDP abgelehnt.
II. Zur Begründung
Der Befürworter des fraktionsübergreifenden Gruppen-
antrages begrüßt, dass die Debatte um das Wahlrecht von
Geburt an sowohl im Plenum als auch in der im Innenaus-
schuss dazu durchgeführten Anhörung ernsthaft und sach-
lich geführt worden sei. Er betont, dass alle Sachverständi-
gen bei der Anhörung die Intention des Antrags gutgeheißen
hätten. Zudem seien drei der sieben Sachverständigen der
Auffassung gewesen, dass der Gruppenantrag nicht nur ver-
fassungskonform, sondern wegen des Demokratieprinzips
verfassungsrechtlich geboten sei.
Die im Innenausschuss vertretenen Fraktionen SPD, CDU/
CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie die Mehrzahl
der Mitglieder der Fraktion der FDP lehnen den Antrag ab.
Sie betonen, dass es sich zwar um ein ehrenwertes Anliegen
handele, welches jedoch nicht zur Stärkung der Rechte von
Kindern und Jugendlichen beitrage. Schließlich könne we-
der erwartet, noch kontrolliert werden, dass die Wahlrechts-
ausübung tatsächlich im Interesse der Kinder erfolge. Darü-
ber hinaus seien auch in der Anhörung viele Fragen hin-
sichtlich der praktischen Umsetzung des Antrags offen
geblieben. Ferner könnten die verfassungsrechtlichen Be-
denken, insbesondere hinsichtlich der Höchstpersönlichkeit
und der Zählwertgleichheit der Stimmen, nicht ausgeräumt
werden.
Die Berichterstatter der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN plädieren dafür, statt einer Fremdbestim-
mung in Form eines treuhänderisch ausgeübten Wahlrechts
die Selbstständigkeit bzw. Selbstbestimmung von Kindern
und Jugendlichen durch mehr Mitgestaltung und Mitbestim-
mung zu stärken.

Berlin, den 19. Januar 2005
Barbara Wittig
Berichterstatterin

Beatrix Philipp
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

Klaus Haupt
Berichterstatter

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