BT-Drucksache 15/4154

Für eine verständlichere Sprache in Gesetzen, Verordnungen und Behördenschreiben - Gegen schlechtes Amtsdeutsch

Vom 9. November 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4154
15. Wahlperiode 09. 11. 2004

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl
(Heilbronn), Dr. Ole Schröder, Stephan Mayer (Altötting), Günter Baumann,
Clemens Binninger, Monika Brüning, Hartmut Büttner (Schönebeck), Gitta
Connemann, Alexander Dobrindt, Marie-Luise Dött, Klaus-Peter Flosbach,
Dr. Michael Fuchs, Norbert Geis, Roland Gewalt, Ralf Göbel, Peter Götz, Reinhard
Grindel, Kristina Köhler (Wiesbaden), Dorothee Mantel, Erwin Marschewski
(Recklinghausen), Hildegard Müller, Melanie Oßwald, Eduard Oswald, Beatrix
Philipp, Angela Schmid, Marco Wanderwitz, Ingo Wellenreuther, Klaus-Peter
Willsch, Wolfgang Zeitlmann und der Fraktion der CDU/CSU

Für eine verständlichere Sprache in Gesetzen, Verordnungen und
Behördenschreiben – Gegen schlechtes Amtsdeutsch

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Bürgerfreundlichkeit ist ein zentrales Ziel der Modernisierung der öffentlichen
Verwaltungen. Schon jetzt müssten Gesetzentwürfe grundsätzlich für jedermann
verständlich gefasst werden (vgl. § 42 Abs. 5 der Gemeinsamen Geschäftsord-
nung der Bundesministerien). Doch dies geschieht nicht.
Die Sprache in Behördenschreiben, Gesetzestexten und Verordnungen bleibt zu
unverständlich. Alle bisherigen Lösungsversuche brachten keine Verbesserung.
So hat das Bundeministerium der Justiz bereits im Jahr 1999 allgemeine Emp-
fehlungen für das Formulieren von Rechtsvorschriften gegeben. Diese bleiben
im Verwaltungsalltag jedoch weitestgehend unbeachtet. Ebenso ist es mit dem
Arbeitshandbuch „Bürgernahe Verwaltungssprache“ der Bundesstelle für Büro-
organisation und Bürotechnik.
Wie wirkungslos diese Ansätze geblieben sind, zeigt auch die aktuelle Diskus-
sion bei den Anträgen zum Arbeitslosengeld II. Die Bürger verstehen nicht, was
der Staat formuliert. Wie sollen sie aber befolgen, was sie nicht verstehen? Im
Extremfall verweigert sich der Bürger dann der Vorschrift. So führt die Unver-
ständlichkeit auch zu einem Autoritätsverlust des Staates. Weitere Folge ist eine
Vertrauenskrise zwischen dem Staat und seinen Bürgern.
Zudem verursacht das komplizierte Amtsdeutsch immense Kosten. Unterneh-
men und Bürger müssen viel Zeit und Geld in die Auslegung unverständlicher
Behördentexte investieren. Aber auch für die Behörden selbst resultiert ein un-
nötiger Mehraufwand. Deutlich wird dies am folgenden Beispiel: Vorausgesetzt,
nur jeder vierte Bürger informiert sich in einem zehnminütigen Gespräch bei sei-
ner Behörde über einen erhaltenen Bescheid. Dann bedeutet das für die Behörde
bei 10 000 Bescheiden bereits einen Arbeitsaufwand von 55 Arbeitstagen.

Drucksache 15/4154 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Will man dieses Problem beseitigen, muss man es im Keim bekämpfen. Unver-
ständliche Behördenschreiben basieren häufig auf den komplizierten Formulie-
rungen der Gesetzestexte und Verordnungen. Sie bilden die Grundlage für viele
Folgedokumente. Entscheidend ist daher, dass bereits in Gesetzestexten und
Verordnungen eine einfache Sprache benutzt wird.
Wie einfach hier Abhilfe geschaffen werden kann, zeigen kommunale Initiati-
ven. Mit Hilfe eigens entwickelter Regeln ist es verschiedenen regionalen Ver-
waltungen gelungen, eine bürgerfreundliche Verwaltungssprache zu schaffen.
Anstelle der kaum verständlichen Aufforderung: „Stellen Sie die Anleiterbarkeit
sicher“, schreibt etwa die Kreisverwaltung Harburg nun: „Stellen Sie sicher,
dass die Rettungsleitern der Feuerwehr am Gebäude angelehnt werden können.“
Auch das Bundesverwaltungsamt fordert seit langem eine bürgerfreundliche
Sprache der Behörden. Aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen für die öf-
fentliche Verwaltung leitet es folgende Grundforderungen für Texte der Verwal-
tungssprache ab:
l Sie müssen präzise sein, d. h. klar, eindeutig und vollständig (Fachsprache).
l Sie sollten leicht verständlich sein, d. h. einfach, geläufig und eingängig

(bürgernahe Sprache).
l Sie sollten als Gegenstand kostenträchtiger Verwaltungsabläufe effizient

sein, d. h. kurz, arbeitsgerecht und wirksam (rationelle Sprache).
Eine verständliche Sprache ist ein wichtiger Beitrag zum Bürokratieabbau und
zu mehr Bürgerfreundlichkeit.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,
1. in einem Bundesministerium ein Pilotprojekt für ein besser verständliches

Amtsdeutsch durchzuführen;
2. Initiativen zur Anwendung von verständlichem Deutsch in allen Bundes-

behörden zu ergreifen und dafür zu sorgen, dass die Regeln hierfür umgesetzt
werden;

3. einen für alle Beschäftigten der Bundesministerien und Bundesbehörden gel-
tenden Selbstverpflichtungskatalog zu erarbeiten, damit beim Verfassen von
Gesetzestexten, Verordnungen und Behördenschreiben eine möglichst leicht
verständliche und nachvollziehbare Sprache verwendet wird.

Berlin, den 9. November 2004
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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