BT-Drucksache 15/4144

Rechtssicherheit für dienst- und hochschulrechtlich erlaubte Drittmitteleinwerbung schaffen

Vom 9. November 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4144
15. Wahlperiode 09. 11. 2004

Antrag
der Abgeordneten Siegfried Kauder (Bad Dürrheim), Dr. Norbert Röttgen,
Dr. Wolfgang Götzer, Dr. Maria Böhmer, Dr. Christoph Bergner, Helge Braun,
Vera Dominke, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Dr. Jürgen Gehb, Ute Granold,
Michael Grosse-Brömer, Helmut Heiderich, Volker Kauder, Michael Kretschmer,
Dr. Günter Krings, Werner Lensing, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Bernward
Müller (Gera), Ronald Pofalla, Daniela Raab, Thomas Rachel, Katherina Reiche,
Andreas Schmidt (Mülheim), Uwe Schummer, Marion Seib, Andrea Voßhoff,
Marco Wanderwitz, Ingo Wellenreuther, Wolfgang Zeitlmann und der Fraktion
der CDU/CSU

Rechtssicherheit für dienst- und hochschulrechtlich erlaubte
Drittmitteleinwerbung schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Öffentliche und private Drittmittel sind für Universitäten unverzichtbar. Der
Anwendungsbereich von Drittmitteln geht vom Zuschuss zum Exzellenz-Pro-
gramm für herausragende Studierende über die staatlich unfinanzierbare An-
schaffung eines besonders teuren Gerätes bis hin zu Reisekostenzuschüssen für
wissenschaftliche Veranstaltungen. Die Haushalte von Hochschulen und Klini-
ken sind seit Jahren massiven Kürzungen ausgesetzt. Die Einwerbung von Dritt-
mitteln ist deshalb zum Gebot der Stunde geworden. Sie trägt maßgeblich dazu
bei, Defizite in den öffentlichenKassen auszugleichen und sie ermöglicht grund-
legende und einzigartige Forschung. In Hochschul- und Besoldungsgesetzen
wird die Drittmitteleinwerbung gar zur Dienstpflicht für Hochschullehrerinnen
und Hochschullehrer erhoben. Allerdings gerät diese fiskalisch notwendige und
wissenschaftspolitisch von allen Seiten befürwortete Maßnahme zunehmend in
Gefahr, weil die einwerbenden Wissenschaftler wegen dieser Kooperationen in
eine strafrechtliche Grauzone geraten. Die Drittmittelthematik wird durch die
mit dem Korruptionsbekämpfungsgesetz vorgenommene Strafverschärfung
nicht adäquat erfasst.
I. Allgemeines
Ziel dieses Antrags ist es, Rechtssicherheit zu schaffen. Die dienst- und hoch-
schulrechtlich erwünschten und zulässigen Fälle der Drittmitteleinwerbung und
-verwendung sollen aus dem Geltungsbereich der Vorteilsnahme und Vorteils-
gewährung nach den §§ 331, 333 StGB herausgenommen werden. Es muss eine
klare rechtliche Abgrenzung zwischen erlaubter Kooperation und strafwürdiger
Korruption mit dem Ziel geschaffen werden, die kontrollierte und durch Hoch-
schulrecht geregelte Forschung in Kooperation mit der Industrie möglich zu
machen.

Drucksache 15/4144 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

II. Bedeutung der Drittmittel
Die besondere Relevanz von Drittmitteln ist auf die Finanzknappheit des Staates
zurückzuführen. Bund und Länder sind nicht mehr in der Lage, die Hochschulen
bedarfsgerecht über die Haushalte zu alimentieren. Um kostenintensive For-
schung zu betreiben, sind Universitäten, Fachhochschulen und andere For-
schungseinrichtungen zwingend auf die Einwerbung/Akquisition von Drittmit-
teln angewiesen. Nur auf diese Weise kann Anschluss an die wissenschaftliche
Weltspitze gehalten werden. Besonders betroffen von dieser Entwicklung sind
die Wissenschaftsbereiche, in denen kostenintensiv geforscht wird. Dies sind
die Naturwissenschaften, insbesondere der technische Bereich und die Human-
medizin.
III. Das strafrechtliche Problem
Die Drittmitteleinwerbung wird rechtlich durch Strafvorschriften und durch das
Dienstrecht der Hochschulen eingegrenzt. Das Strafrecht sanktioniert zunächst
die erstrebte persönliche Bereicherung bei der Einwerbung von Drittmitteln
durch die Tatbestände des Betruges oder der Untreue (§§ 263, 266 StGB), soweit
sich die Annahme von Geschenken oder Vergünstigungen zumNachteil der Uni-
versität auswirken. Bei einer sachwidrigen Drittmitteleinwerbung und Verwen-
dung wird zudem auf Seiten des Einwerbenden die Strafbarkeit wegen Untreue
(§ 266 StGB), Vorteilsannahme (§ 331 StGB) und Bestechlichkeit (§ 332 StGB)
relevant; der Mittelgeber macht sich im Fall einer Vorteilsnahme wegen Vor-
teilsgewährung (§ 333) strafbar.
Schließlich verbietet auch das Dienstrecht der Hochschulen, für Diensthandlun-
gen oder im Zusammenhang mit diesen Geschenke und Belohnungen zu fordern
oder entgegenzunehmen (§ 70 Satz 1 BBG, § 43 Satz 1 BRRG). Die Hochschul-
gesetze der Länder statuieren Verfahrensvorschriften für die Drittmittelein-
werbung und Verwendung, die sich zwar hinsichtlich der Verwaltung des Geldes
flexibel zeigen, jedoch zwingend eine Anzeige des Forschungsvorhabens vor-
sehen.
Die Gesamtzahl der seit 1994 aufgrund dieser Vorschriften eingeleiteten Straf-
verfahren beträgt 1700. Diese Anzahl macht deutlich, dass die Beteiligten dem
Generalverdacht der Korruption ausgesetzt sind. In jüngster Zeit sahen sich
zahlreiche Professoren an Universitätskliniken mit Strafverfahren konfrontiert,
bei denen ihnen weder Betrug noch Untreue oder Bestechlichkeit zur Last gelegt
wurden. Der Vorwurf lautete vielmehr, sie hätten sich bei der Annahme und Ver-
wendung der Drittmittel wegen Vorteilsannahme (§ 331 StGB) strafbar gemacht.
Dies, indem sie die eingeworbenenMittel nicht an ihre Klinik weitergeleitet und
damit der Kontrolle des Haushaltsrechts unterworfen, sondern – trotz Wahrung
von Transparenz und Äquivalenz – über die Verwendung der Forschungsgelder
selbst disponiert hätten. Damit droht eine Verurteilung wegen Vorteilsannahme
nicht nur in den Fällen, in denen Wissenschaftler sich persönlich bereichern,
sondern auch dann, wenn sie finanzielle Mittel zugunsten der universitären For-
schung verwenden. Diese Strafverfahren und erste, durch den Bundesgerichts-
hof bestätigte Verurteilungen wegen Vorteilsannahmen haben bei den Betroffe-
nen im Hochschulbereich erhebliche Rechtsunsicherheit ausgelöst.
IV. Lösungswege
Im Zentrum der Diskussion steht der offensichtliche Widerspruch zwischen der
Dienstpflicht, Drittmittel einzuwerben und der dabei entstehenden Gefahr einer
strafrechtlichen Verurteilung wegen Vorteilsannahme. Für die universitäre Spit-
zenforschung in Drittmittelprojekten müssen in Deutschland daher rechtlich
verlässliche und möglichst einheitliche Bedingungen geschaffen werden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4144

1. Kein bundeseinheitliches Drittmittelgesetz
Nahe liegend wäre die einheitliche Normierung des Drittmittelrechts in einem
Bundesgesetz. Aufgrund der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung fehlt dem
Bund dazu jedoch die Gesetzgebungszuständigkeit. Ein Drittmittelgesetz, das
über die in § 25 HRG statuierten Anforderungen an Drittmitteleinwerbung und
-verwendung hinausginge, wäre nicht mehr von der Rahmengesetzgebungskom-
petenz des Artikels 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG gedeckt und würde daher in den
Kernbereich der Kulturhoheit der Länder eingreifen.
2. Strafrechtliche Lösung
Daher ist eine strafrechtliche Regelung vorzuziehen. Denkbar wäre beispiels-
weise eine Ergänzung der §§ 331, 333 StGB. In dieser könnte klargestellt wer-
den, dass die in § 331 Abs. 1 bzw. § 333 Abs. 1 StGB normierte Vorteilsan-
nahme bzw. Vorteilsgewährung nicht gegeben ist, wenn der Vorteil dienst- oder
hochschulrechtlich erlaubt ist. Eine solche Lösung des Spannungsverhältnisses
zwischen Hochschulrecht und Strafrecht deutet auch der Bundesgerichtshof
(BGHSt 47, 295) an, indem er ausführt, eine Vorteilsannahme bzw. -gewährung
liege dann nicht vor, wenn das von diesen Vorschriften geschützte Rechtsgut,
nämlich die Sachgerechtigkeit und Nichtkäuflichkeit der Entscheidungen des
öffentlichen Dienstes und das Vertrauen der Allgemeinheit in diese Schutzgüter,
nicht berührt werden könne. Dies sei dann anzunehmen, wenn bei Drittmitteln,
die zur Förderung von Forschung und Lehre eingeworben und eingesetzt wür-
den, der in den Hochschulgesetzen der Länder vorgeschriebeneWeg eingehalten
wird.
Diese Vorgehensweise hätte den Vorteil, die Strafbarkeit bereits auf der Tat-
bestandsebene und nicht erst in Form eines Rechtfertigungs- oder persönlichen
Strafaufhebungsgrundes ausscheiden zu lassen. Sie würde die Erwünschtheit
der zulässigen Drittmitteleinwerbung unterstreichen und damit den gesellschaft-
lichen Nutzen der Drittmittel auch rechtspolitisch betonen. Eine solche Lösung
würde zwar auf ein Rechtsgebiet außerhalb des Strafrechts verweisen. Eine ähn-
liche Herangehensweise findet sich aber bereits im Umweltstrafrecht, wo § 329
StGB (Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete) ausdrücklich auf Rechtsverord-
nungen zum Bundes-Immissionsschutzgesetz verweist.
Um der Gefahr der Zersplitterung des Drittmittelrechts zu begegnen, wäre aller-
dings eine Angleichung der unterschiedlichen Drittmittelrichtlinien des Hoch-
schulrechts unter Verständigung der Länder auf inhaltlich vergleichbare Krite-
rien wünschenswert.
V. Fazit
Eine Änderung der §§ 331, 333 StGB und die gleichzeitige Ergänzung des
Hochschulrechts der Länder durch den Erlass von Drittmittelrichtlinien wäre
also ein gangbarer Weg, die Drittmittelakquisitionen rechtlich abzusichern, der
gleichzeitig auch die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berück-
sichtigen würde.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
einen Gesetzentwurf einzubringen, der Rechtssicherheit für dienst- und hoch-
schulrechtlich erwünschte und zulässige Drittmitteleinwerbung schafft und
dieses für den Wissenschafts- und Forschungsstandort Deutschland wichtige
Instrument auf eine verlässliche gesetzliche Grundlage stellt.

Berlin, den 9. November 2004
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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