BT-Drucksache 15/3487

Gesamtkonzept zur Abwehr bioterroristischer Gefahren vorlegen

Vom 29. Juni 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3487
15. Wahlperiode 29. 06. 2004

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Katherina Reiche,
Thomas Strobl (Heilbronn), Wolfgang Zeitlmann, Günter Baumann, Dr. Christoph
Bergner, Clemens Binninger, Helge Braun, Hartmut Büttner (Schönebeck),
Vera Dominke, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Norbert Geis, Roland Gewalt,
Ralf Göbel, Reinhard Grindel, Helmut Heiderich, Jürgen Herrmann, Volker Kauder,
Kristina Köhler (Wiesbaden), Michael Kretschmer, Helmut Lamp, Werner Lensing,
Dorothee Mantel, Erwin Marschewski (Recklinghausen), Stephan Mayer
(Altötting), Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Bernward Müller (Gera), Beatrix
Philipp, Thomas Rachel, Dr. Ole Schröder, Uwe Schummer, Marion Seib und
der Fraktion der CDU/CSU

Gesamtkonzept zur Abwehr bioterroristischer Gefahren vorlegen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die weltweit verübten Terroranschläge zeugen von der realen terroristischen Be-
drohung. Dabei darf die Möglichkeit eines bioterroristischen Angriffs nicht ver-
drängt werden. Neben der Verbesserung der Sicherheitsstrukturen in Deutsch-
land und Europa ist es dringend erforderlich, Maßnahmen einzuleiten, um die
Bevölkerung in Deutschland besser vor möglichen bioterroristischen bzw. ABC-
Angriffen zu schützen.
Noch nie war es so einfach wie heute, eine biologische Waffe herzustellen.
Mikrobiologisches und biotechnologisches Wissen ist weltweit verfügbar und
anwendbar. Fanatische Terrorgruppen können sich ebenso wie psychopathische
Einzeltäter Zugriff zu entsprechenden biologischen oder chemischen Stoffen
verschaffen. Für neue Formen des Terrorismus, darunter auch der islamis-
tische, ist zudem eine hohe Zahl von Toten ein erstrebenswertes Ziel. Das Ab-
schreckungsprinzip, nach dem Kriegführende Länder bei einem Einsatz von
BC-Kampfstoffen einen vernichtenden Gegenschlag befürchten müssen, funk-
tioniert in diesen Fällen nicht.
In dieser Situation ist Deutschland vor einem terroristischen Anschlag durch
eine bewusste Freisetzung biologischer Organismen oder chemischer Stoffe
nicht ausreichend geschützt.
Auch wenn es nicht möglich sein wird, einen Anschlag mit BC-Waffen
(Schmutzige Bombe) absolut auszuschließen, so muss doch zumindest versucht
werden, die entsprechenden Präventionsstrategien zu optimieren.
Zwar sind durch die Anschaffung von Pockenimpfstoffen und ABC-Erkun-
dungsfahrzeugen bei den Katastrophenschutzeinheiten schon Schritte unter-
nommen worden, gebraucht wird aber ein schlüssiges Gesamtkonzept.

Drucksache 15/3487 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
II. Jenseits von Panikmache fordern wir die Bundesregierung auf,
die Herausforderung anzunehmen und die notwendigen Planungen für den even-
tuellen Ernstfall vorzulegen. Insbesondere
l eine umfassende Gefährdungsanalyse vorzulegen;
l anfällige technologische Systeme und kritische Infrastrukturen – Orte, an

denen neben der hochwirksamen Zerstörung von Infrastrukturen eine große
Anzahl von Menschen getötet, verletzt oder infiziert werden könnten –
herauszuarbeiten. Dabei ist neben der Gefahr, die von Explosivstoffen
ausgeht, auch die von radioaktiven Stoffen und humanpathogenen Mikro-
organismen und toxischen Stoffen einzubeziehen;

l dafür zu sorgen, dass Schutz-, Abwehr- und Schadensmilderungsmaßnah-
men rechtzeitig eingeleitet werden können;

l einen bundesweiten Sofortmaßnahmen- und Einsatzplan zu erstellen;
l die aufgestellten Pläne mit allen beteiligten Stellen einzuüben;
l Mess- und Detektionsmöglichkeiten in der Diagnostik, in den taktischen Ein-

heiten und zentralen Einrichtungen zu verbessern und Neuentwicklungen zu
fördern;

l die präklinischen und klinischen Versorgungsmöglichkeiten betroffener Ver-
letzter oder Geschädigter zu intensivieren und vorab eine kritische Bestands-
aufnahme vorzunehmen;

l angesichts der offenkundigen Gefährdungen besonders im Hinblick auf die
ABC-Gefahren die persönliche Schutzausstattung der Ersthelfer vor Ort si-
cherzustellen;

l die Zusammenarbeit von Katastrophenschützern mit den Spezialisten der
Streitkräfte zu intensivieren;

l ein bundesweit einheitliches Führungssystem für alle Großkatastrophenein-
sätze für alle Rettungs- und Hilfskräfte auf allen Ebenen einzuführen;

l die Planung und die Vorhaltung von Ressourcen für den Massenanfall von
Verletzten (Wegfall der Lazarettreserven!) zu verbessern;

l Task forces mit dem Schwerpunkt ABC und den erforderlichen speziellen
wissenschaftlichen, analytischen, technischen, personellen und logistischen
Fähigkeiten einzurichten;

l den Umgang mit hochansteckenden, lebensbedrohenden freigesetzten bio-
logischen Stoffen zu planen und einzuüben;

l Impfstoffe, Antidote, Antibiotika und Sanitätsmaterialen ausreichend zu
bevorraten;

l Forschung, Diagnostik und Therapie der wesentlichen B-Kampfstofferreger
zu intensivieren;

l die Einbindung in die EU-Aktivitäten (besonders auch beim Aufbau des
ECDC (European Center for Disease Prevention and Control) zu verstärken;

l die internationale Vernetzung der Gefahrenabwehr als Ergebnis der Bio-
terrorismusübung Global Mercury voranzutreiben;

l die internationale Kooperation auf EU-Ebene mit den USA, den G7-Staaten
und mit den UN-Gesundheitsbehörden (WHO) zu intensivieren;

l eine Verbundforschung, die die Spitzenlabors auf den Gebieten der Infek-
tionsforschung und der Abwehr bioterroristischer Gefahren zusammenführt,
einzurichten.

Berlin, den 29. Juni 2004
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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