BT-Drucksache 15/3376

Volljährige Personen bis 21 Jahren im Strafrecht der EU-Mitgliedstaaten

Vom 15. Juni 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3376
15. Wahlperiode 15. 06. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Dr. Jürgen Gehb,
Dr. Wolfgang Götzer, Ute Granold, Michael Grosse-Brömer, Siegfried Kauder
(Bad Dürrheim), Volker Kauder, Dr. Günter Krings, Michaela Noll, Daniela Raab,
Andreas Schmidt (Mülheim), Andrea Voßhoff, Marco Wanderwitz, Ingo
Wellenreuther, Wolfgang Zeitlmann und der Fraktion der CDU/CSU

Volljährige Personen bis 21 Jahren im Strafrecht der EU-Mitgliedstaaten

Sowohl unter den bisherigen EU-Mitgliedern als auch unter den zum 1. Mai
2004 hinzugekommenen EU-Mitgliedern variiert die Stellung und Behandlung
volljähriger Personen bis zum Alter von 21 Jahren im materiellen wie formel-
len Strafrecht als auch im Strafvollzugsrecht erheblich. Für volljährige Per-
sonen bis 21 Jahren sehen einzelne Rechtsordnungen keinerlei Sonderbestim-
mungen gegenüber Volljährigen bis 21 Jahren vor, während andere Rechts-
ordnungen – wie in Deutschland (§ 105 Jugendgerichtsgesetz/JGG) – die
Möglichkeit einräumen, Volljährige bis 21 Jahren auch nach Jugendstrafrecht
abzuurteilen.
Die diesbezüglichen Fragen 7 bis 11 und 13 bis 17 der Kleinen Anfrage der Ab-
geordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Dr. Jürgen Gehb, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU „Volljährige Personen im Jugend-
strafrecht“ – Bundestagsdrucksache 15/2017 – wurden von der Bundesregierung
nur zusammenfassend und damit unzureichend beantwortet – Bundestagsdruck-
sache 15/2102. Obwohl der Bundesregierung nach eigenen Angaben keine sys-
tematisch erhobenen Erkenntnisse vorliegen, deutet sich nach Einschätzung der
Bundesregierung auf allgemeiner europäischer Ebene eine Entwicklung an, die
der in Deutschland bestehenden Regelung des § 105 JGG ähnelt, auch wenn in
einzelnen Staaten anscheinend teilweise gegenläufige Tendenzen auszumachen
sind.
Die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries, hat sich am 27. Mai 2003 in
ihrem Vortrag am Walter Hallstein-Institut gegen unmittelbar geltendes EU-
Strafrecht und Strafprozessrecht aber für eine inhaltliche Angleichung der
nationalen Strafrechtsordnungen auf bestimmten Feldern ausgesprochen. Vor-
aussetzung hierzu ist die Kenntnis des jeweiligen Rechts in den EU-Mitglieds-
ländern. Im Hinblick auf die beträchtlichen Änderungen der strafrechtlichen Be-
handlung volljähriger Personen bis 21 Jahren, die in den vergangenen Jahren in
einzelnen der 25 EU-Mitgliedsländer vollzogen wurden, als auch im Hinblick
auf die seit einiger Zeit in Deutschland intensivere rechtswissenschaftliche und
rechtspolitische Diskussion zur strafrechtlichen Behandlung Heranwachsender
(Deutscher Juristentag 2002, Jugendgerichtstag 2004) ergibt sich die Notwen-
digkeit einer aktuellen systematischen Bestandsaufnahme.

Drucksache 15/3376 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Unterlagen zum 1. Mai 2004 in Belgien, Estland, Frankreich, Irland, Italien,

Lettland, Malta, Polen, Vereinigtes Königreich (mit seinen Teilrechtsord-
nungen England, Wales, Schottland, Nordirland), Ungarn volljährige Perso-
nen bis 21 Jahren, die zum Tatzeitpunkt bereits volljährig waren, ohne ge-
setzliche Einschränkungen und gesetzliche Milderungsmöglichkeiten dem
allgemeinen materiellen Strafrecht?

2. Welche der in Frage 1 genannten EU-Mitgliedsländer kennen Milderungs-
möglichkeiten aufgrund von Richterrecht?

3. Welche der in Frage 1 genannten EU-Mitgliedsländer sehen für volljährige
Personen bis 21 Jahren strafprozessuale Sonderregelungen vor?

4. Welche der in Frage 1 genannten EU-Mitgliedsländer sehen für volljährige
Personen bis 21 Jahren vollstreckungs- und/oder vollzugsrechtliche Son-
derregelungen vor?

5. Welche der in Frage 1 genannten EU-Mitgliedsländer planen für Volljährige
bis 21 Jahren entsprechend der Empfehlung des Ministerkomitees des
Europarates („NeueWege zum Umgang mit Jugenddelinquenz und die Rol-
le der Jugendgerichtsbarkeit“, Rec (2003) 20, Punkt 11) eine Änderung
ihrer gesetzlichen Regelungen?

6. Bestanden zum 1. Mai 2004 in Dänemark, Deutschland, Griechenland,
Finnland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schwe-
den, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Zypern für volljährige
Personen bis 21 Jahren, die zum Tatzeitpunkt bereits volljährig waren, Ein-
schränkungen hinsichtlich des Anwendungsbereiches bzw. Milderungs-
möglichkeiten im allgemeinen materiellen Strafrecht?

7. Welche der in Frage 6 genannten EU-Mitgliedsländer sehen lediglich eine
spezielle Milderungsmöglichkeit für volljährige Personen bis 21 Jahren im
allgemeinen materiellen Strafrecht vor?

8. Welche der in Frage 6 genannten EU-Mitgliedsländer sehen die Möglich-
keit der Anwendung von materiellem Jugendstrafrecht auf volljährige Per-
sonen bis 21 Jahren vor?

9. Welche der in Frage 6 genannten EU-Mitgliedsländer sehen die generelle
Anwendung von materiellem Jugendstrafrecht auf volljährige Personen bis
21 Jahren ohne Einzelfallprüfung vor?

10. Welche der in Frage 6 genannten EU-Mitgliedsländer sehen die Anwen-
dung von materiellem Jugendstrafrecht auf volljährige Personen bis 21 Jah-
ren nach den Kriterien des deutschen § 105 JGG („Reifeverzögerung“ bzw.
„Jugendverfehlung“) vor?

11. Welche der in Frage 6 genannten EU-Mitgliedsländer sehen für volljährige
Personen bis 21 Jahren strafprozessuale Sonderregelungen vor?

12. Welche der in Frage 6 genannten EU-Mitgliedsländer sehen für volljährige
Personen bis 21 Jahren vollstreckungs- und/oder vollzugsrechtliche Sonder-
regelungen vor?

13. Zählt die Stellung und Behandlung volljähriger Personen bis 21 Jahren im
materiellen und formellen Strafrecht zu den Feldern, auf denen unter den
EU-Mitgliedsländern eine Angleichung der nationalen Strafrechtsordnun-
gen erfolgen sollte?

14. War der Umgang mit Jugenddelinquenz und die Rolle der Jugendgerichts-
barkeit seit 1999 Gegenstand der Beratungen des Europäischen Rats der
Justizminister?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3376

15. Plant der Europäische Rat der Justizminister eine ähnliche Empfehlung wie
das Ministerkomitee des Europarates („Neue Wege zum Umgang mit
Jugenddelinquenz und die Rolle der Jugendgerichtsbarkeit“, Rec (2003),
20) auszusprechen?

Berlin, den 15. Juni 2004
Wolfgang Bosbach
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Jürgen Gehb
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Michael Grosse-Brömer
Siegfried Kauder (Bad Dürrheim)
Volker Kauder
Dr. Günter Krings
Michaela Noll
Daniela Raab
Andreas Schmidt (Mülheim)
Andrea Voßhoff
Marco Wanderwitz
Ingo Wellenreuther
Wolfgang Zeitlmann
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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