BT-Drucksache 15/302

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Graffiti-Bekämpfungsgesetz -

Vom 14. Januar 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/302
15. Wahlperiode 14. 01. 2003

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Dr. Norbert Röttgen, Cajus Caesar, Dr. Wolfgang Götzer,
Dr. Jürgen Gehb, Peter Götz, Ute Granold, Michael Grosse-Brömer, Siegfried
Kauder (Bad Dürrheim), Dr. Günter Krings, Daniela Raab, Andreas Schmidt
(Mülheim), Andrea Voßhoff, Marco Wanderwitz, Ingo Wellenreuther, Wolfgang
Zeitlmann und der Fraktion der CDU/CSU

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches
– Graffiti-Bekämpfungsgesetz –

A. Problem
Graffitis, Tags und Schmierereien haben in den vergangenen Jahren – insbeson-
dere in Ballungszentren – immer weiter zugenommen und verursachen hohe
volkswirtschaftliche Schäden. Betroffen sind vor allem Einrichtungen der
öffentlichen Nahverkehrsunternehmen, der Deutschen Bahn AG sowie private
und öffentliche Gebäude. Einschlägige Taten sind nicht selten Ausdruck von
Vandalismus und tragen so zu einer Verunsicherung der Bevölkerung bei. Sie
werden von breiten Bevölkerungskreisen als ein Symbol für den Zerfall von
Ordnung angesehen. Mit strafrechtlichen Mitteln kann ihnen gleichwohl nicht
effektiv entgegengewirkt werden.

B. Lösung
Die Tatbestände der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) und der gemeinschäd-
lichen Sachbeschädigung (§ 304 StGB) werden um das Merkmal des Verunstal-
tens ergänzt. Das Graffiti-Unwesen wird auf diese Weise eindeutig strafrecht-
lich erfasst. Dies gewährleistet, dass das Strafrecht künftig seinen Beitrag zur
Bekämpfung der Missstände zu leisten vermag. Zugleich wird die Neuregelung
eine spürbare Verminderung des Ermittlungsaufwandes bei der Strafjustiz
bewirken.

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Keine

Drucksache 15/302 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches
– Graffiti-Bekämpfungsgesetz –

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

In § 303 Abs. 1 und § 304 Abs. 1 des Strafgesetzbuches in
der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998
(BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Vier-
unddreißigsten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 22. Au-
gust 2002 (BGBl. I S. 3390), werden jeweils die Wörter
„beschädigt oder zerstört“ durchdieWörter „zerstört, beschä-
digt oder verunstaltet“ ersetzt.

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in
Kraft.

Berlin, den 14. Januar 2003

Dr. Norbert Röttgen
Cajus Caesar
Dr. Wolfgang Götzer
Dr. Jürgen Gehb
Peter Götz
Ute Granold
Michael Grosse-Brömer
Siegfried Kauder (Bad Dürrheim)
Dr. Günter Krings
Daniela Raab
Andreas Schmidt (Mülheim)
Andrea Voßhoff
Marco Wanderwitz
Ingo Wellenreuther
Wolfgang Zeitlmann
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/302

Begründung

A. Allgemeines
1. Das Graffiti-Unwesen hat in den letzten Jahren überhand

genommen. In manchen Städten gibt es namentlich im
Bereich der öffentlichen Nahverkehrsunternehmen und
der Deutschen Bahn AG kaum noch freie Flächen an Ge-
bäuden, Beförderungsmitteln und sonstigen Einrichtun-
gen, auf denen keine Schmierereien angebracht sind.
Werden sie beseitigt, so finden sich alsbald neue Verun-
staltungen. Tatmittel sind in der Regel Farblack-Sprüh-
dosen und Filzstifte. Die Reinigung verursacht in der
Regel hohe Kosten. Die volkswirtschaftlichen Schäden
sind demnach beträchtlich.

Um dem Graffiti-Unwesen entgegenzuwirken, bedarf es
Anstrengungen auf dem Gebiet der Prävention. Entspre-
chende Bemühungen werden vielerorts bereits unternom-
men. Jedoch muss auch das Strafrecht seinen Beitrag zur
Bekämpfung der Missstände leisten. Effektiver strafrechtli-
cher Schutz gegen Graffiti-Schmierereien ist derzeit aber
nicht gewährleistet. Seit der Grundsatzentscheidung des
Bundesgerichtshofes in BGHSt 29, 129 nimmt die ständige
Rechtsprechung eine Sachbeschädigung nur an, wenn eine
Substanzverletzung gegeben ist (BGH a. a. O. S. 131 ff.;
BGH NJW 1980, 602, 603; NStZ 1982, 508, 509;
BayObLG StV 1997, 80, 81; OLG Düsseldorf StV 1993,
366, 367; KG NJ 1998, 658, 659; OLG Frankfurt NJW
1990, 2007; OLG Celle NStZ 1981, 223, 224). Es muss im
Einzelfall festgestellt und nachgewiesen werden, dass die
Schmiererei oder deren Beseitigung den Untergrund (Sub-
stanz der Sache bzw. ein dort befindlicher Farbanstrich) ver-
letzt. Nicht ausreichend ist hingegen, dass der Instandset-
zungsaufwand erheblich ist.
Die daraus resultierende Straflosigkeit einschlägiger Hand-
lungen kann nicht länger hingenommen werden. Der Un-
rechtsgehalt schwer behebbarer Verunstaltungen ist nicht
geringer, wenn die Sachsubstanz nach aufwendigen und
kostenträchtigen Sanierungsmaßnahmen letztlich erhalten
werden kann. Oftmals wird der Erfolg dieser Maßnahmen
vom Zufall abhängen. Wertungswidersprüche bestehen auch
im Vergleich mit den vom Merkmal des Beschädigens sonst
erfassten Handlungen (z. B. Zerlegen einer Maschine).
Schließlich sind die Ermittlungsschwierigkeiten nicht zu
verkennen. Zumeist müssen Gutachter herangezogen wer-
den. Hat der Berechtigte die Schmiererei aus verständlichen
Gründen bereits beseitigt, bevor die Feststellungen abge-
schlossen sind, geht der Nachweis nicht selten fehl.
2. Der Entwurf schlägt vor, die Defizite des geltenden

Rechts dadurch zu beheben, dass die §§ 303 und 304
StGB jeweils um das Merkmal des Verunstaltens ergänzt
werden. Er greift damit einen Vorschlag des Entwurfs
1962 auf (§§ 259, 250 i. d. F. des Entwurfs 1962, Druck-
sache IV/650), mit dem gleichfalls Schmierereien erfasst
werden sollten (Drucksache IV/650, S. 420). Das Merk-
mal ist geeignet, die strafwürdigen Handlungen des
Graffiti-Unwesens zutreffend zu erfassen. Wesentlich
aus dem Fehlen dieser Tathandlung im Rahmen der
Sachbeschädigung hat der Bundesgerichtshof seine Aus-

legung abgeleitet (BGHSt 29, 129, 133). Mit dem Ent-
wurf 1962 ist der aktuelle Entwurf weiterhin der Mei-
nung, dass das (auch in § 134 StGB enthaltene) Merk-
mal nicht um ein Merkmal des Beschmutzens ergänzt
werden sollte. Dies würde die Strafbarkeit überspannen.
Das Gleiche gilt für ein Merkmal des Bemalens, das sich
zudem mit Blick auf seinen positiven Sinngehalt im Ver-
ständnis der Allgemeinheit kaum für die Verwendung in
einem Straftatbestand eignet.

3. Das Vorhaben wird im Hinblick auf die Erweiterung von
Straftatbeständen zu gewissen Mehrbelastungen der
Strafjustiz führen. Andererseits wird der Ermittlungsauf-
wand in einschlägigen Verfahren spürbar vermindert.
Mehrkosten für Bund, Länder und Kommunen werden
nicht entstehen. Die Wirtschaft wird nicht belastet, Aus-
wirkungen auf Einzelpreise, das Preisniveau, insbeson-
dere das Verbraucherpreisniveau, oder die Umwelt sind
nicht zu erwarten.

B. Einzelbegründung
Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)
1. Das Merkmal des Verunstaltens erfasst Veränderungen

des äußeren Erscheinungsbildes der Sache. Unrechts-
kern ist der rechtswidrige Eingriff in die durch den Be-
rechtigten gewählte Gestaltung. Es kommt daher nicht
darauf an, wie Dritte die Veränderung beurteilen. Der
Tatbestand ist auch dann erfüllt, wenn die Veränderung
dem ästhetischen Empfinden eines Beobachters u. U.
mehr entgegenkommt als die ursprüngliche Gestaltung.
Dies steht in Einklang mit den Grundsätzen eines frei-
heitlichen Gemeinwesens. Der Berechtigte muss davor
geschützt werden, dass ihm eine bestimmte Gestaltung
aufgezwungen wird.

Die Tatbestandsfassung bietet andererseits Auslegungs-
spielräume, um bagatellhafte Veränderungen auszugrenzen.
„Verunstalten“ verlangt bereits seinem Wortsinn nach einen
Eingriff von einigem Gewicht. Dem entspricht die Judikatur
in Österreich, wo das Verunstalten im Rahmen der Sachbe-
schädigung bereits heute pönalisiert ist (§ 125 ÖStGB). Sie
gelangt zur Annahme des Tatbestands erst dann, wenn eine
ins Gewicht fallende Veränderung oder Umformung des
Erscheinungsbildes gegeben ist. Verunstalten wird z. B.
angenommen bei groben Verunreinigungen durch Be-
schmieren oder Besprayen, sofern der Aufwand der Beseiti-
gung nicht zu vernachlässigen ist (Leukauf-Steininger,
Kommentar zum Österreichischen StGB, 3. Auflage 1992,
§ 125 Rn. 7). Nach diesen Grundsätzen reicht beispiels-
weise das Bewerfen einer Fensterscheibe mit einem Ei nicht
aus (Leukauf-Steininger a. a. O.).
2. Vorgeschlagen wird, die Abfolge der Tathandlungen um-

zustellen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass das
Verunstalten dem Beschädigen näher steht als der Zer-
störung. Eine sachliche Änderung ist damit nicht ver-
bunden.

Drucksache 15/302 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3. Der Entwurf hat davon abgesehen, auch das durch den
Entwurf 1962 vorgeschlagene und von § 125 ÖStGB
verwendete Merkmal des Unbrauchbarmachens in den
Tatbestand aufzunehmen. Zwar könnten hierdurch Aus-
legungsprobleme beseitigt werden, die sich namentlich
bei Eingriffen in zusammengesetzte Sachen ergeben.
Andererseits ist die Rechtsprechung zu den maßgeben-
den Fallkonstellationen gefestigt, so dass ein dringendes
Bedürfnis nicht erkennbar ist. Auch steht die Frage nicht

in unmittelbarem Zusammenhang mit Graffiti-Schmiere-
reien. Diese Aspekte schließen nicht aus, dass der Frage
der Ergänzung im weiteren Gesetzgebungsverfahren
nachgegangen wird.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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