BT-Drucksache 15/2695

Sicherheitsstudie der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit

Vom 9. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2695
15. Wahlperiode 09. 03. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Hartmut Koschyk, Franz Obermeier,
Dr. Rolf Bietmann, Günter Baumann, Clemens Binninger, Hartmut Büttner
(Schönebeck), Cajus Caesar, Marie-Luise Dött, Dr. Maria Flachsbarth,
Norbert Geis, Roland Gewalt, Georg Girisch, Ralf Göbel, Tanja Gönner,
Josef Göppel, Dr. Wolfgang Götzer, Kurt-Dieter Grill, Reinhard Grindel, Holger
Haibach, Volker Kauder, Kristina Köhler (Wiesbaden), Dr. Klaus W. Lippold
(Offenbach), Dorothee Mantel, Erwin Marschewski (Recklinghausen),
Stephan Mayer (Altötting), Doris Meyer (Tapfheim), Ulrich Petzold, Beatrix Philipp,
Dr. Ole Schröder, Thomas Strobl (Heilbronn), Werner Wittlich und der Fraktion
der CDU/CSU

Sicherheitsstudie der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit

Am 28. Januar 2004 wurde in der Presse über eine Studie der Gesellschaft für
Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) zur Gefährdung deutscher Kernkraft-
werke (KKW) durch terroristische Flugzeugabstürze berichtet. In einer vom
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) er-
stellten „Kurzfassung“ zu dieser Studie wurde der mangelnde Schutz von
KKW, insbesondere der älteren Anlagen, u. a. Isar I, vor terroristischen Angrif-
fen behauptet. Die Studie, die bereits im Januar 2003 fertig gestellt wurde, und
ihre „Kurzfassung“ unterlagen auf Veranlassung des BMU der Geheimhaltung.
Der Umgang mit dem Gutachten ist vor dem Hintergrund, dass das Gutachten
als „vs – vertraulich“ eingestuft wurde, nicht nachvollziehbar.
Am 7. Februar 2004 berichtete die „Süddeutsche Zeitung“, dass das BMU ein-
geräumt habe, dass Isar I doch gegen den Absturz von Militärflugzeugen vom
Typ Starfighter gesichert sei.
Darüber hinaus hat der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS),
Wolfram König, unter scheinbarem Bezug auf die Studie der GRS eine weitere
Verunsicherung über die Sicherheit einiger KKW ausgelöst, als er forderte, fünf
der 18 deutschen KKW vorzeitig vom Netz zu nehmen. Diese fünf KKW böten
keinen ausreichenden Schutz gegen Terrorangriffe mit Passagierflugzeugen.
Die erweiterten Schutzmaßnahmen der KKW-Betreiber seien diesbezüglich
nicht ausreichend und gesellschaftlich nicht akzeptabel. Der Bundesminister für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, hat sich zwischen-
zeitlich in einer Pressemitteilung seines Hauses vom 1. März 2004 diese An-
sicht zu Eigen gemacht.
Vor dem Hintergrund der Äußerungen des Präsidenten des BfS muss die Bun-
desregierung – insbesondere der Bundesminister des Innern, Otto Schily, und
der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen
Trittin – dringend erklären, wie sie die Sicherheitslage einschätzt und welche

Drucksache 15/2695 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Konsequenzen sie daraus zieht. Sollte sie die Aussagen des Präsidenten des BfS
nicht teilen, muss sie Auskunft geben, warum der Chef einer oberen Bundesbe-
hörde dann ohne sicherheitspolitische Notwendigkeit in unverantwortlicher
Weise eine öffentliche Diskussion entfacht.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie beurteilt die Bundesregierung den Inhalt des Gutachtens der GRS

„Gutachterliche Untersuchungen zu terroristischen Flugzeugabstürzen auf
deutsche Kernkraftwerke“?

2. Welche Maßnahmen wurden aufgrund des Gutachtens in die Wege gelei-
tet?

3. Aus welchen Gründen wurden das Gutachten der GRS „Gutachterliche
Untersuchungen zu terroristischen Flugzeugabstürzen auf deutsche Kern-
kraftwerke“ sowie eine dazu im BMU erstellte „Kurzfassung“ als „vs –
vertraulich“ eingestuft?

4. Lagen die Gründe – zumindest auch – darin, dass keine Handlungsanlei-
tung für mögliche Terrorangriffe gegeben werden sollte?

5. Wurden durch die Herausgabe der „Kurzfassung“ an Dritte und durch de-
ren Verbreitung Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland be-
rührt?

6. Seit wann ist der Bundesregierung bekannt, dass ein Text „Zusammenfas-
sung der GRS-Studie durch das Bundesministerium für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit (BMU)“ vom Bund für Umwelt und Natur-
schutz Deutschland e.V. (BUND) in das Internet eingestellt wurde?

7. Was wurde unternommen, um diese weltweite Verbreitung zu unterbinden?
8. Durch welche Stelle im BMU wurde die Herausgabe der „Kurzfassung“

veranlasst, durchgeführt oder sonst ermöglicht und an wen ist die Heraus-
gabe erfolgt?

9. War bei der Behandlung des GRS-Gutachtens und der „Kurzfassung“ im
BMU sichergestellt, dass entsprechend den Bestimmungen der Geheim-
schutzordnung nur ein eng begrenzter Personenkreis mit diesen Unterlagen
in Berührung kommen konnte?

10. Was wurde unternommen um aufzuklären, wie es zu der Weitergabe der
„Kurzfassung“ nach außen kommen konnte, und welche Vorkehrungen
wurden getroffen, um solche Vorkommnisse künftig zu verhindern?

11. Wann und wie wurde der Geheimschutzbeauftragte des BMU in der Sache
tätig?

12. Wurden insbesondere disziplinarrechtliche Vorermittlungen angestellt und/
oder Strafanzeigen gegen Unbekannt erstattet?

13. Wenn nein, aus welchen Gründen heraus ist dies unterblieben?
14. Teilt die Bundesregierung die Sorge, dass ein etwaiges Unterlassen der ge-

botenen Maßnahmen andere ermutigen könnte, sich über Geheimschutzbe-
stimmungen hinwegzusetzen und deutsche Sicherheitsinteressen zu gefähr-
den?

15. Was hat das BMU bezüglich Isar I unternommen, um der auf seiner eige-
nen „Kurzfassung“ beruhenden Fehlinformation von Presse und Öffent-
lichkeit und Beunruhigung der Bevölkerung entgegenzuwirken?

16. War der Vorschlag des Präsidenten der BfS, ältere Anlagen abzuschalten,
mit dem BMU abgestimmt?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2695

17. Teilt die Bundesregierung die in der „Berliner Zeitung“ vom 21./22. Fe-
bruar 2004 wiedergegebenen Aussagen des Präsidenten des BfS, ältere An-
lagen abzuschalten?

18. Wenn ja, wird diese Auffassung vom Bundesministerium für Wirtschaft
und Arbeit (BMWA) und vom Bundesministerium des Innern (BMI) je-
weils auch geteilt?

19. Wenn ja, wie vereinbart sich diese Auffassung mit der Strommengenüber-
tragung auf das älteste deutsche KKW, das im Einvernehmen mit BMU,
BMWA und Bundeskanzleramt erfolgt ist?

20. Wenn ja, auf welchen Informationen bzw. welcher veränderten Sicherheits-
lage beruhen diese Einschätzungen?

21. Wenn ja, warum kommt die Bundesregierung erst mehr als ein Jahr nach
Fertigstellung der GRS-Sicherheitsstudie zu dieser Einschätzung?

22. Hält die Bundesregierung in Ansehung, dass die Vereinbarung zur Rest-
strommenge nach dem 11. September 2001, also in Kenntnis einer allge-
meinen terroristischen Gefahr, erfolgte, ein Abrücken von ihrer Vereinba-
rung mit der Energiewirtschaft für notwendig?

23. Hält die Bundesregierung an den Reststrommengen für die einzelnen
KKW, die ohne Zustimmung der Betreiber nicht verändert werden können,
fest?

24. Welche Konsequenzen für die Sicherheitskonzepte der benannten KKW
zieht die Bundesregierung insbesondere für den aktiven Schutz durch
hierzu befähigte Institutionen des Bundes?

25. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Schutz der KKW nicht
Aufgabe der Bundeswehr ist?

Berlin, den 9. März 2004
Dr. Peter Paziorek
Hartmut Koschyk
Franz Obermeier
Dr. Rolf Bietmann
Günter Baumann
Clemens Binninger
Hartmut Büttner (Schönebeck)
Cajus Caesar
Marie-Luise Dött
Dr. Maria Flachsbarth
Norbert Geis
Roland Gewalt
Georg Girisch
Ralf Göbel
Tanja Gönner
Josef Göppel

Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Holger Haibach
Volker Kauder
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Stephan Mayer (Altötting)
Doris Meyer (Tapfheim)
Ulrich Petzold
Beatrix Philipp
Dr. Ole Schröder
Thomas Strobl (Heilbronn)
Werner Wittlich

Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.