BT-Drucksache 15/2611

Konsequenzen für Flugreisende aus dem Kontrollsystem CAPPS II

Vom 2. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2611
15. Wahlperiode 02. 03. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jürgen Klimke, Klaus Brähmig, Hartmut Koschyk, Dirk Fischer
(Hamburg), Ernst Hinsken, Eduard Oswald, Edeltraut Töpfer, Günter Baumann,
Clemens Binninger, Renate Blank, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Wolfgang
Bosbach, Georg Brunnhuber, Hartmut Büttner (Schönebeck), Cajus Caesar,
Hubert Deittert, Dr. Hans Georg Faust, Albrecht Feibel, Enak Ferlemann,
Dr. Michael Fuchs, Norbert Geis, Roland Gewalt, Ralf Göbel, Peter Götz, Reinhard
Grindel, Gerda Hasselfeldt, Uda Carmen Freia Heller, Bernd Heynemann, Klaus
Hofbauer, Kristina Köhler (Wiesbaden), Norbert Königshofen, Werner Kuhn
(Zingst), Eduard Lintner, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Dorothee Mantel,
Erwin Marschewski (Recklinghausen), Stephan Mayer (Altötting), Maria Michalk,
Klaus Minkel, Bernward Müller (Gera), Henry Nitzsche, Günter Nooke, Beatrix
Philipp, Anita Schäfer (Saalstadt), Dr. Ole Schröder, Bernhard Schulte-Drüggelte,
Wilhelm Josef Sebastian, Kurt Segner, Johannes Singhammer, Gero Storjohann,
Thomas Strobl (Heilbronn), Lena Strothmann, Volkmar Uwe Vogel, Gerhard
Wächter, Klaus-Peter Willsch, Wolfgang Zeitlmann und der Fraktion der CDU/CSU

Konsequenzen für Flugreisende aus dem Kontrollsystem CAPPS II

Im Dezember 2003 kam es zur vorläufigen Einigung zwischen der Europäischen
Union mit den USA hinsichtlich des Austausches von Flugpassagierdaten. EU-
Kommissar Frits Bolkestein erklärte am 2. Dezember 2003 vor dem zuständigen
Ausschuss des Europäischen Parlaments, man habe die Zusicherung der Regie-
rung der USA, dass PNR-Datensätze (Passenger Name Record) vorerst nicht für
das Flugpassagier-Kontrollsystem CAPPS II (Computer Assisted Passenger
Prescreening System) verwendet würden.
Die amerikanische Transportation Security Administration (TSA) beabsichtigt,
CAPPS II zum Juni 2004 einzuführen. Von dieser Regelung würden alle Passa-
giere betroffen, die auf internationalen Flügen in die USA einreisen oder auf
dem Weg zu anderen Destinationen einen Zwischenstopp in den USA haben.
Diese Passagiere sollen künftig bereits bei der Buchung ihres Fluges bestimmte
persönliche Daten angeben. Diese Angaben werden mit nicht näher bezeichne-
ten amtlichen und nichtamtlichen Datenbanken abgeglichen, die dem Fluggast
einen bestimmten Sicherheitsstatus verleihen. Abhängig vom zugewiesenen
Sicherheitsstatus, der abgestuft nach einer Farbskala vergeben werden soll, wird
durch die US-Behörden über die Einreise, zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen
oder bereits über den Ausschluss vom Flug befunden. Getestet wurde CAPPS II
seit dem Frühjahr 2003 in Zusammenarbeit mit der Fluggesellschaft Delta Air-
lines auf drei Inlandsflughäfen in den USA. Als Folge hat sich in den USA eine
Koalition aus 11 Interessenverbänden gebildet, die im März 2003 das Repräsen-
tantenhaus aufgefordert haben, sich für einen sofortigen Einführungs-Stopp von
CAPPS II einzusetzen.

Drucksache 15/2611 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Aus der Tourismusbranche, insbesondere von Reisebüros, Reiseveranstaltern
und Flughäfen, sowie von Datenschützern werden Befürchtungen geäußert, dass
CAPPS II zu Problemen im Reiseverkehr führen könnte und die gesammelten
Daten auch für andere Zwecke als die Terrorismusbekämpfung eingesetzt wer-
den könnten. Unklar ist weiter, inwieweit Passagiere über den Verbleib und die
Verwertung ihrer persönlichen Daten informiert werden und mit welchen Kos-
ten die Einführung dieses Kontrollsystems sowie der laufende Betrieb auf deut-
scher Seite verbunden sein werden. Bisher ist anzunehmen, dass vor allem die
Reisebürounternehmen und die Buchungsstellen der Fluggesellschaften mit den
zusätzlichen Kosten für die gefordete Datenerhebung belastet werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Rolle haben Datenschutzbestimmungen bei den Verhandlungen

zwischen der Europäischen Union und den USA hinsichtlich des Aus-
tauschs von Flugpassagierdaten (PNR) gespielt?

2. Auf welchen gesetzlichen Grundlagen basiert CAPPS II?
3. Welches sind die 34 Datenelemente pro Passagier, die den USA künftig

übermittelt werden müssen (nicht beispielhaft, sondern vollzählig genannt)?
4. Weshalb werden PNR-Daten, die Rückschlüsse auf besonders schutzwürdi-

ge Daten zulassen und die zunächst manuell und später automatisiert ge-
löscht werden, überhaupt in die USA übermittelt und nicht in Europa ausge-
filtert?

5. Findet die Übermittlung der PNR-Daten durch die Fluggesellschaften, die
Global Distribution Systems (GDS) oder beide statt?
Haben die übermittelnden Stellen Bedenken dagegen angemeldet?

6. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission, an-
stelle des vollständigen Systemzugriffs der US-Behörden ein Übermitt-
lungsverfahren der Fluggesellschaften einzurichten (Filter- und Push-Sys-
tem), bei dem ausschließlich die erforderlichen PNR-Merkmale durch die
Fluggesellschaft übersendet werden, ohne dabei den US-Behörden unkon-
trollierten Zugang zu den Computersystemen der Fluggesellschaften zu
gewähren?

7. Ist der Bundesregierung Kritik von Datenschützern an CAPPS II bekannt
und wie bewertet sie Äußerungen wie beispielsweise der European Digitals
Rights Organisation?

8. Wie viele Bundesbürger reisen jährlich in die USA und wie viele davon sind
Geschäftsreisende?

9. Wann und wie sollen Fluggäste, die in die USA zu fliegen beabsichtigen,
über die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen sowie das Kontrollsystem
CAPPS II informiert werden?

10. Welche Informationen über die Passagiere werden geprüft?
Reicht bei Mehrfachreisenden in die USA eine einzige Überprüfung aus?

11. Werden auch Daten von Regierungsmitgliedern, Regierungsvertretern und
Diplomaten überprüft?

12. Wen würden etwaige Informationspflichten gegenüber den Passagieren
über die Weitergabe von PNR-Daten treffen, z. B. bei der Buchung über
Reisebüros, Callcenter oder das Internet?

13. Welchen Sicherheitsstatus können Fluggäste erhalten und welche Konse-
quenzen hat dies für sie im Einzelnen?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2611

14. Wirkt sich die Risikobewertung eines Fluggastes innerhalb einer Gruppe
auch auf seineMitreisenden und bei Geschäftsreisen auf Angehörige dessel-
ben Unternehmens aus?

15. Wie hoch ist nach Erkenntnissen der Bundesregierung die Fehlerquote bei
der Risikobewertung von Fluggästen durch CAPPS II?

16. Können nach Erkenntnissen der Bundesregierung Passagiere ihre Kategori-
sierung anfechten, und wenn ja, wie?

17. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage werden deutsche Behörden Entschei-
dungen der US-Behörden in Folge von CAPPS II umsetzen und wie soll
diesbezüglich die schadensersatzrechtliche Verantwortung geregelt wer-
den?

18. Welche Rechte haben Passagiere im Konfliktfall vor Ort und waren diese
Rechte Gegenstand der Verhandlungen zwischen der Europäischen Union
und den USA?

19. Sind die deutschen diplomatischen Vertretungen in den USA darauf vorbe-
reitet, betroffenen Reisenden kurzfristig, unbürokratisch und kompetent zu
helfen?

20. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, welche US-Behörden Zu-
griff auf die Daten von CAPPS II haben, und wenn ja, welche Behörden sind
dies im Einzelnen?

21. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, als wie wirksam der Beitrag
von CAPPS II bei der Terrorismusbekämpfung eingeschätzt wird, und wenn
ja, welche?

22. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, welche Institutionen oder
Einrichtungen CAPPS II überwachen oder kontrollieren, und wenn ja, wel-
che Institutionen oder Einrichtungen sind dies im Einzelnen?

23. Nach welcher Speicherzeit sollen PNR-Daten, die Zugriff auf besonders
schutzwürdige Informationen zulassen, gelöscht werden und sind diese Da-
ten bis dahin speziell zugriffsgesichert?

24. Welcher logistische, personelle und finanzielle Aufwand entsteht nach
Einschätzung der Bundesregierung auf europäischer Seite hinsichtlich
CAPPS II, bei den Reisebüros, Fluggesellschaften und Firmenreisestellen,
und wer soll diese Kosten in Deutschland kompensieren?

25. Wie schätzt die Bundesregierung die Auswirkungen von CAPPS II auf den
Luftverkehr in Europa ein, insbesondere durch eine mögliche zunehmende
Absage von Flügen und daraus folgende Schadensersatzansprüche der
Passagiere an die Fluggesellschaften bzw. einer Verunsicherung von Touris-
ten und Geschäftsreisenden?

26. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, dass diejenigen, die PNR-
Daten verarbeiten, besonders geschult und sicherheitsüberprüft sind, und
wenn ja, welche?

27. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung Private Zugang zu Fluggastda-
ten, die aufgrund einer CAPPS II-Überprüfung gewonnen wurden?

28. Wie sicher ist nach Erkenntnis der Bundesregierung das Kontrollsystem
CAPPS II vor dem Zugriff Dritter?

29. Ist der Bundesregierung bekannt, ob das Kontrollsystem CAPPS II oder
ähnliche Systeme von Regierungen der Europäischen Union oder anderen
Einrichtungen eingeführt sind bzw. werden sollen, und wenn ja, von wel-
chen?

Drucksache 15/2611 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
30. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, welche Nicht-EU-Staaten
gegenüber den USA der Überprüfung von Fluggastdaten mit dem Kontroll-
system CAPPS II zugestimmt haben, und wenn ja, welche?

31. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, wie angesichts der opera-
tionellen Probleme der Fluggesellschaften die Verantwortlichkeit für die
Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Fluggast gelieferten Daten zuge-
ordnet werden kann und wie weitgehend dabei die Überprüfungspflichten
der Buchungsstelle sein sollen?

32. Unterstützt die Bundesregierung die EU-Kommission bei ihren Verhand-
lungen mit den USA, und wenn ja, in welcher Form?

33. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, die Datenweiterleitung
der PNR-Daten an die USA künftig zentral über eine Europäische Institu-
tion zu gewährleisten, sodass Ansprechpartner für die US-Behörden künftig
ein überstaatliches Organ und nicht mehr die einzelne Fluggesellschaft ist?

Berlin, den 2. März 2004
Jürgen Klimke
Klaus Brähmig
Hartmut Koschyk
Dirk Fischer (Hamburg)
Ernst Hinsken
Eduard Oswald
Edeltraut Töpfer
Günter Baumann
Clemens Binninger
Renate Blank
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Wolfgang Bosbach
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner (Schönebeck)
Cajus Caesar
Hubert Deittert
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Enak Ferlemann
Dr. Michael Fuchs
Norbert Geis
Roland Gewalt
Ralf Göbel
Peter Götz
Reinhard Grindel
Gerda Hasselfeldt
Uda Carmen Freia Heller
Bernd Heynemann
Klaus Hofbauer

Kristina Köhler (Wiesbaden)
Norbert Königshofen
Werner Kuhn (Zingst)
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Stephan Mayer (Altötting)
Maria Michalk
Klaus Minkel
Bernward Müller (Gera)
Henry Nitzsche
Günter Nooke
Beatrix Philipp
Anita Schäfer (Saalstadt)
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Johannes Singhammer
Gero Storjohann
Thomas Strobl (Heilbronn)
Lena Strothmann
Volkmar Uwe Vogel
Gerhard Wächter
Klaus-Peter Willsch
Wolfgang Zeitlmann
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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