BT-Drucksache 15/2340

Kindschaftsrechtsreform

Vom 13. Januar 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2340
15. Wahlperiode 13. 01. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Michaela Noll, Ute Granold, Maria Eichhorn, Dr. Norbert
Röttgen, Dr. Maria Böhmer, Wolfgang Bosbach, Antje Blumenthal, Klaus Brähmig,
Thomas Dörflinger, Ingrid Fischbach, Dr. Jürgen Gehb, Dr. Wolfgang Götzer,
Michael Grosse-Brömer, Markus Grübel, Siegfried Kauder (Bad Dürrheim), Volker
Kauder, Kristina Köhler (Wiesbaden), Dr. Günter Krings, Barbara Lanzinger, Walter
Link (Diepholz), Laurenz Meyer (Hamm), Rita Pawelski, Daniela Raab, Hannelore
Roedel, Anita Schäfer (Saalstadt), Andreas Scheuer, Andreas Schmidt (Mülheim),
Andrea Astrid Voßhoff, Marco Wanderwitz, Ingo Wellenreuther, Wolfgang
Zeitlmann, Willi Zylajew und der Fraktion der CDU/CSU

Kindschaftsrechtsreform

Am 1. Juli 1998 ist das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschafts-
rechtsreformgesetz, KindRG) in Kraft getreten. Es brachte umfangreiche Neu-
regelungen, insbesondere im Bereich des Sorge- und Umgangsrechts. Der
Gesetzgeber verfolgte mit dieser Reform eine grundsätzliche Stärkung der
Elternautonomie und der Rechte des Kindes.
Um die Auswirkungen des KindRG untersuchen zu lassen und Erkenntnisse
für eventuelle notwendige Anpassungen zu erhalten, hatte das Bundesministe-
rium der Justiz (BMJ) im September 1998 eine Begleitforschung zur Umset-
zung des Kindschaftsrechtsreformgesetzes in Auftrag gegeben. Auftragneh-
mer war Prof. Dr. Roland Proksch von der Evangelischen Fachhochschule
Nürnberg.
Der Abschlussbericht der Begleitforschung wurde inzwischen veröffentlicht
(Roland Proksch, Rechtstatsächliche Untersuchung zur Reform des Kind-
schaftsrechts, Köln 2002). Die Ergebnisse der Begleitforschung zeigen Schwie-
rigkeiten und Defizite auf, die Grundlage für eine Weiterentwicklung des Kind-
schaftsrechts sein können. Auch der 15. Deutsche Familiengerichtstag hat im
September 2003 in mehreren Arbeitskreisen gesetzgeberischen Handlungs-
bedarf auf dem Gebiet des Kindschaftsrechts aufgezeigt.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus der vor-

gelegten Begleitforschung zur Umsetzung des KindRG gezogen?
2. Wie bewertet die Bundesregierung die Umsetzung des KindRG im Hinblick

auf eine generell verbesserte Rechtsstellung des Kindes und der Erhöhung
elterlicher Autonomie?

3. Welche Aspekte des KindRG sind aus Sicht der Bundesregierung gelungen?
Sieht die Bundesregierung auf dem Gebiet des Kindschaftsrechts gesetz-
lichen Nachbesserungsbedarf?
Wenn ja, welchen?

Drucksache 15/2340 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

4. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die tatsächliche Anhö-
rung der Kinder in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren sicherzustellen?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die folgenden, mit dem KindRG neu
eingeführten Instrumentarien:
a) des Verfahrenspflegers („Anwalt des Kindes“) nach § 50 des Gesetzes

über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG),
b) des gerichtlichen Umgangsvermittlungsverfahrens nach § 52a FGG und
c) des betreuten Umgangs?

6. Wie wird aus Sicht der Bundesregierung die unterschiedliche Ausgestal-
tung der Verfahrenspflegschaft in der Praxis der Familiengerichte bewer-
tet?

7. Wie viele Familienrichter (absolut und prozentual) haben seit 1998 Fortbil-
dungen zur Verfahrenspflegschaft in Anspruch genommen?

8. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass das Instru-
ment der Verfahrenspflegschaft von den Richtern bisher wenig genutzt
wird?

9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ausbildung der bis-
her tätigen Verfahrenspfleger?
Was sind nach Auffassung der Bundesregierung die spezifischen Anforde-
rungen und Qualifikationen eines Verfahrenspflegers?

10. Besteht aus Sicht der Bundesregierung die Notwendigkeit der Erarbeitung
von verbindlichen Qualitätsstandards für Verfahrenspflegschaften?
Wie unterstützt die Bundesregierung langfristig die spezifische Ausbildung
und Qualifizierung von Verfahrenspflegern?

11. Warum hat das BMJ entgegen immer wieder erhobenen Forderungen bis-
lang keine rechtstatsächliche Untersuchung der Implementierung der mit
dem KindRG neu eingeführten Verfahrenspflegschaft in Auftrag gegeben?
Wird die wissenschaftliche Begleitforschung noch erfolgen?
Wenn ja, wann?

12. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Empfehlung der
Begleitforschung, „zu prüfen, durch welche verfahrensrechtlichen Maß-
nahmen das Recht des Kindes auf Umgang im Konfliktfall der Eltern bes-
ser geschützt bzw. umgesetzt werden kann“?
Wie gedenkt die Bundesregierung, diese Empfehlung umzusetzen?

13. Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung, um im Interesse des Kin-
deswohls die Sorge- und Umgangsrechtsverfahren zu beschleunigen?

14. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung bezüglich der Handha-
bung von Umgangsrechtsregelungen im Zusammenhang mit einer Gewalt-
problematik in der Familie vor?

15. Wie viele Umgangsrechtsverfahren mit Großeltern waren in den Jahren
2002/2003 vor Familiengerichten anhängig?
Wie hoch ist die Zahl der Fälle (absolut und prozentual), bei denen das
Umgangsrecht ausgeschlossen wurde?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Empfehlung des 15. Deutschen
Familiengerichtstages, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, um einen
Ergänzungspfleger mit Wirkungskreis „Gestaltung des Umgangs“ zu be-
stellen?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2340

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Kritik von Verbänden zur schwieri-
gen Durchsetzbarkeit des Umgangsrechts auch nach dem neuen Recht?

18. Sollten aus Sicht der Bundesregierung die in § 33 FGG genannten Zwangs-
mittel um die Anordnung einer Umgangspflegschaft erweitert werden?

19. Wann ist mit der im Koalitionsvertrag vom 16. Oktober 2002 angekündig-
ten Reform des FGG zu rechnen?

20. Wie sollten aus Sicht der Bundesregierung die Rahmenbedingungen für ein
verbessertes Zusammenwirken der Verfahrensbeteiligten aus verschiede-
nen Berufszweigen (Familiengericht, Jugendamt, Rechtsanwälte, Verfah-
renspfleger, Sachverständige) ausgestaltet werden?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Forde-
rung nach einer verbindlichen Formulierung berufsspezifischer Standards
oder von Kooperationsvereinbarungen vor Ort?

22. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Empfehlung der
Begleitforschung, die strukturell positiven Wirkungen der neuen Regelun-
gen des KindRG für Eltern und ihre Kinder durch den weiteren Ausbau
von Beratung und Unterstützung vor Ort zu stützen bzw. zu fördern?

23. Hat die Bundesregierung eine wissenschaftliche Begleitforschung in Auf-
trag gegeben, mit dem Ziel zu prüfen, inwieweit Mediation zur Beilegung
von Kindschaftskonflikten beitragen kann?

24. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass auch außergerichtliche
Möglichkeiten der eigenverantwortlichen Konfliktregelung (z. B. Fami-
lienmediation) finanziell unterstützt werden müssen?
Wenn ja, wie?

25. Wie beurteilt die Bundesregierung die Empfehlung des 15. Deutschen
Familiengerichtstages, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, um die Eltern
zur Teilnahme an einer Maßnahme zur Konfliktbewältigung (Beratung)
verpflichten zu können?

26. Wann ist mit der im Koalitionsvertrag vom 16. Oktober 2002 angekündig-
ten Anpassung des Rechtsberatungsgesetzes von 1935 an die gesellschaft-
lichen Bedürfnisse zu rechnen?

27. Welche Ergebnisse liegen der Bundesregierung zu dem im Auftrag des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durch-
geführten Forschungsvorhabens zur Praxis des begleiteten Umgangs in-
zwischen vor?

28. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung gegenwärtig ausreichende Kapazitä-
ten für die Umsetzung des betreuten Umgangs?

29. Wie kann aus Sicht der Bundesregierung die Erstattung der Kosten des be-
treuten Umgangs gesichert werden?

30. Wie viele Angebote zur Aus- und Fortbildung von Familienrichterinnen
und -richtern bestanden in den Justizverwaltungen der Länder seit Inkraft-
treten des KindRG im Jahre 1998?

31. Wie viele Familienrichterinnen und -richter in der Bundesrepublik
Deutschland (absolut und prozentual) haben seit Inkrafttreten des KindRG
im Jahre 1998 an einer der o. g. Fortbildungsveranstaltungen teilgenom-
men?
Konnte die Nachfrage durch das vorhandene Angebot abgedeckt werden?

Drucksache 15/2340 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
32. Wie beurteilt die Bundesregierung den gegenwärtigen Stand der Aus- und
Fortbildung von Richterinnen und Richtern im Hinblick auf die Arbeit an
Familiengerichten?

33. Sollte es aus Sicht der Bundesregierung eine Verpflichtung für Familien-
richterinnen und -richter zur regelmäßigen Fortbildung geben?

34. Wie beurteilt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die auf dem
15. Deutschen Familiengerichtstag erhobenen Forderungen nach der Fest-
schreibung einer obligatorischen Aus- und Fortbildung der Familienrichte-
rinnen und -richter, die durch ein angemessenes Angebot der Justizverwal-
tungen abzusichern ist?

Berlin, den 13. Januar 2004
Michaela Noll
Ute Granold
Maria Eichhorn
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Antje Blumenthal
Klaus Brähmig
Thomas Dörflinger
Ingrid Fischbach
Dr. Jürgen Gehb
Dr. Wolfgang Götzer
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Siegfried Kauder (Bad Dürrheim)
Volker Kauder
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Dr. Günter Krings
Barbara Lanzinger
Walter Link (Diepholz)
Laurenz Meyer (Hamm)
Rita Pawelski
Daniela Raab
Hannelore Roedel
Anita Schäfer (Saalstadt)
Andreas Scheuer
Andreas Schmidt (Mülheim)
Andrea Astrid Voßhoff
Marco Wanderwitz
Ingo Wellenreuther
Wolfgang Zeitlmann
Willi Zylajew
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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