BT-Drucksache 15/2337

Schaffung einer nationalen Küstenwache

Vom 13. Januar 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2337
15. Wahlperiode 13. 01. 2004

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dr. Ole Schröder, Dirk Fischer
(Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Georg Brunnhuber,
Ulrich Adam, Dietrich Austermann, Günter Baumann, Otto Bernhardt, Clemens
Binninger, Renate Blank, Antje Blumenthal, Wolfgang Bosbach, Hartmut Büttner
(Schönebeck), Peter H. Carstensen (Nordstrand), Gitta Connemann, Hubert
Deittert, Anke Eymer (Lübeck), Enak Ferlemann, Dr. Maria Flachsbarth, Dr. Michael
Fuchs, Norbert Geis, Roland Gewalt, Ralf Göbel, Peter Götz, Kurt-Dieter Grill,
Reinhard Grindel, Markus Grübel, Jürgen Herrmann, Klaus Hofbauer, Jürgen
Klimke, Kristina Köhler (Wiesbaden), Norbert Königshofen, Hartmut Koschyk,
Thomas Kossendey, Werner Kuhn (Zingst), Helmut Lamp, Eduard Lintner,
Dorothee Mantel, Erwin Marschewski (Recklinghausen), Stephan Mayer
(Altötting), Klaus Minkel, Henry Nitzsche, Günter Nooke, Beatrix Philipp, Volker
Rühe, Christian Schmidt (Fürth), Gero Storjohann, Thomas Strobl (Heilbronn),
Lena Strothmann, Volkmar Uwe Vogel, Gerhard Wächter, Wolfgang Zeitlmann und
der Fraktion der CDU/CSU

Schaffung einer nationalen Küstenwache

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
alle rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für die Schaffung einer nati-
onalen Küstenwache in eigenständiger Form mit allen Zuständigkeiten zur Ge-
fahrenerforschung und -abwehr auf See zu schaffen und dem Deutschen Bun-
destag einen entsprechenden Gesetzesentwurf schnellstmöglich zuzuleiten.
Die örtliche Zuständigkeit der neu zu schaffenden Körperschaft erstreckt sich
auf alle deutschen Hoheitsgewässer, einschließlich des bisher im Zuständig-
keitsbereich der Länder liegenden Küstenmeeres. Die sachliche Zuständigkeit
erstreckt sich auf die Erforschung und Abwehr aller Gefahren auf See, insbe-
sondere auf Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs,
für externe Gefahren auf den Seeverkehr und die Umwelt, auf die Überwa-
chung und Abwehr von Terror, den polizeilichen Grenzschutz, Überwachung
des Fischfangs, die Ein- und Ausfuhr von Waren etc.
Bei der Schaffung der Organisationsstrukturen sind die Anforderungen der Eu-
ropäischen Agentur für Seesicherheit und deren zukünftiger Ausbau zu einer
europäischen Küstenwache zu berücksichtigen.
Für terroristische Angriffe von See, zu deren Abwehr die Mittel der Küstenwa-
che nicht ausreichen, bedarf es einer Einsatzmöglichkeit der Bundesmarine.
Solch ein Einsatz der Bundesmarine zur Abwehr von terroristischen Gefahren

Drucksache 15/2337 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

muss im Rahmen einer noch vorzulegenden Gesamtverteidigungskonzeption
auf eine gesicherte Rechtsgrundlage gestellt werden.
Berlin, den 13. Januar 2004

Begründung
Das Nebeneinander von auf vier Bundesministerien verteilten Zuständigkeiten
(BGS-Boote beim Bundesinnenministerium, Zoll-Boote beim Bundesfinanzmi-
nisterium, Fischereischutzboote beim Bundesministerium für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft sowie der Boote unter Obhut des Bun-
desverkehrsministeriums und der Wasserschifffahrtsdirektion) führt zu einer
Verantwortungsteilung, nicht zu einer Führungskonzentration. Eine ähnliche
Zersplitterung gibt es noch einmal im Zuständigkeitsbereich der Länder, den
Küstengewässern.
Auch die Schaffung des Havariekommandos, parallel zu der bestehenden Küs-
tenwache des Bundes und des Landes Schleswig-Holstein hat hier keine we-
sentliche Verbesserung gebracht. Beide Einrichtungen sind nur informelle Ko-
ordinierungsverbünde und besitzen keine eigene originäre Zuständigkeit. Selbst
die bestehende Küstenwache wird nicht zentral koordiniert: Noch immer gelten
für den Einsatzverbund Küste zwei Zentren: Neustadt für die Ostsee, Cuxhaven
für die Nordsee.
Der Wechsel an bürokratischen Zuständigkeiten soll an folgendem Beispiel
verdeutlicht werden:

Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Dr. Ole Schröder
Dirk Fischer (Hamburg)
Eduard Oswald
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Georg Brunnhuber
Ulrich Adam
Dietrich Austermann
Günter Baumann
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Renate Blank
Antje Blumenthal
Wolfgang Bosbach
Hartmut Büttner (Schönebeck)
Peter H. Carstensen (Nordstrand)
Gitta Connemann
Hubert Deittert
Anke Eymer (Lübeck)
Enak Ferlemann
Dr. Maria Flachsbarth
Dr. Michael Fuchs
Norbert Geis
Roland Gewalt
Ralf Göbel
Peter Götz
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel

Markus Grübel
Jürgen Herrmann
Klaus Hofbauer
Jürgen Klimke
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Werner Kuhn (Zingst)
Helmut Lamp
Eduard Lintner
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Stephan Mayer (Altötting)
Klaus Minkel
Henry Nitzsche
Günter Nooke
Beatrix Philipp
Volker Rühe
Christian Schmidt (Fürth)
Gero Storjohann
Thomas Strobl (Heilbronn)
Lena Strothmann
Volkmar Uwe Vogel
Gerhard Wächter
Wolfgang Zeitlmann
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2337

Ein von Terroristen mit Sprengstoff bestückter Öltanker treibt herrenlos von der
offenen See kommend in Richtung Emden. Dabei durchquert er einen im Bau
befindlichen Off-Shore-Windpark außerhalb der Küstengewässer. Es droht
nicht nur eine terroristische Gefahr, sondern auch eine Schiffskollision mit dem
Windpark und eine Umweltkatastrophe. Für das Entschärfen der Bombe ist der
BGS zuständig, für die Abwehr der Kollisionsgefahr das Bundesministerium
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und für die Vorsorge der Ölbeseitigung
das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die
notwendigen SAR-Hubschrauber hält die Bundesmarine vor. Koordiniert wird
der Einsatz von der Küstenwache des Bundes.
Die Kollision kann verhindert werden, doch beim Versuch den Tanker zu brem-
sen, wird er gerammt und schlägt leck. Der auslaufende Tanker treibt weiter auf
die deutschen Küstengewässer zu. Nach dem Eintreten in das Küstengewässer
ist nun für das Entschärfen der Bombe die Polizei von Niedersachen zuständig,
für die Ölbeseitigung das dortige Umweltministerium. Der Tanker treibt weiter
in die Küstengewässer Schleswig-Holsteins. Analog zur Küstenwache des Bun-
des werden hier – anders als in Niedersachsen – die verschiedenen Behörden
durch die Küstenwache des Landes koordiniert. Seit Anfang des Jahres 2003
versucht nun auch noch das Havariekommando in die Zuständigkeiten der Län-
derbehörden koordinierend einzugreifen. Ob bei diesen Zuständigkeitswech-
seln die Gefahrenabwehr gelingt?
Auch wenn dieses Szenario stark vereinfacht ist und die Zusammenarbeit der
einzelnen Behörden aufgrund von zahlreichen Kooperationsverträgen inzwi-
schen verbessert wurde, so wird doch die Notwendigkeit der Schaffung einer
Leitstelle mit allen Kompetenzen erkennbar.
Auch im maritimen Bereich besteht die Gefahr terroristischer Angriffe. Ob-
wohl die Einheiten der Bundesküstenwache und die der Länder mit ihrer heuti-
gen Ausstattung nicht in der Lage sind, diese seewärtigen Terrorgefahren abzu-
wehren, ist es nach geltender Rechtslage nicht möglich, die Bundesmarine als
Ultima Ratio zur Unterstützung anzufordern.
Bei der Schaffung eines sinnvollen Gesamtkonzepts für die Gefahrenabwehr
auf See darf dieser Aspekt nicht unberücksichtigt bleiben. Dieses hat auch der
Bundesminister der Verteidigung erkannt. So heißt es in den „Verteidigungs-
politischen Richtlinien“ vom 21. Mai 2003 unter Nummer 75: „Angesichts der
gewachsenen Bedrohung des deutschen Hoheitsgebiets durch terroristische
Angriffe gewinnt der Schutz von Bevölkerung und Territorium an Bedeutung
und stellt zusätzliche Anforderungen an die Bundeswehr bei der Aufgaben-
wahrnehmung im Inland und demzufolge an ihr Zusammenwirken mit den
Innenbehörden des Bundes und der Länder.“
Dieser Einsatz der Bundesmarine muss auf eine gesicherte Rechtsgrundlage
gestellt werden.
Eine nationale Küstenwache mit einer einzigen Zuständigkeit wäre auch aus
fiskalisch-ökonomischen Überlegungen sinnvoll. Der Bundesrechnungshof hat,
wie auch der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, die Bundesregie-
rung mehrfach auf die Notwendigkeit der Konzentration aller Seedienste hinge-
wiesen.
Die Vorteile einer nationalen Küstenwache sind:
l Im Notfall sind Verantwortung und Führung in einer Hand. Die bloße Ko-

operation der Bundesministerien (die Struktur der Küstenwache in S.-H. ist
analog der im Bund) und das Nebeneinander von Bundes- und Länderkom-
petenzen führt dazu, dass im Notfall niemand die Führung beanspruchen
kann oder bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen.

Drucksache 15/2337 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
l Die hochsensiblen und einzigartigen Ökosysteme in Nord- und Ostsee und
an ihren Küsten können in Abstimmung mit den zuständigen Behörden
effektiv geschützt werden. Eine Ölkatastrophe im Wattenmeer oder im
Fastbinnenmeer Ostsee würden nicht wieder behebbare Schäden für Flora,
Fauna und Umwelt sowie den Tourismus verursachen.

l Material und Ausbildung können gemeinsam bereitgestellt werden. Hier-
durch können Skalen- und Verbundvorteile genutzt werden. Der Bundes-
rechnungshof hat, wie auch der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundes-
tages, die Bundesregierung mehrfach aufgrund fiskalisch-ökonomischer
Überlegungen auf die Notwendigkeit der Konzentration aller Seedienste
hingewiesen.

l Hohe und einheitliche Standards in der Qualität der Vollzugskräfte und des
Materials können gewährleistet werden.

l Eine bundesweite Finanzierung und damit eine gerechte Lastenteilung
(jedes Bundesland profitiert von dem Zugang zu den Meeren und sicheren
Seegrenzen).

l Eine schlankere und damit kostengünstigere Verwaltung. Doppelarbeit so-
wohl im Vollzug als auch im administrativen Bereich wird vermieden.

l Senkung von Koordinierungskosten. Im Status quo müssen sich zu viele
Einheiten koordinieren. Das verursacht Verhandlungs- und Kommunikati-
onskosten in erheblichem Maße.

Handlungsdruck kommt auch von der EU-Kommission und vom Europäischen
Parlament. Die EU will eine europäische Küstenwache und hat als einen ersten
Schritt die Europäische Agentur für Seesicherheit gegründet. Aus europäischer
Sicht ist es notwendig, in jedem EU-Mitgliedstaat nur eine Anlaufstelle zu
schaffen und nicht in jedem deutschen Küstenland eine Vielzahl davon zu un-
terhalten.

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