BT-Drucksache 15/2017

Volljährige Personen im Jugendstrafrecht

Vom 11. November 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2017
15. Wahlperiode 11. 11. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Dr. Jürgen Gehb,
Dr. Wolfgang Götzer, Ute Granold, Michael Grosse-Brömer, Siegfried Kauder
(Bad Dürrheim), Volker Kauder, Dr. Günter Krings, Daniela Raab, Andreas Schmidt
(Mülheim), Andrea Voßhoff, Marco Wanderwitz, Ingo Wellenreuther, Wolfgang
Zeitlmann und der Fraktion der CDU/CSU

Volljährige Personen im Jugendstrafrecht

Das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 ging von der Vorstellung aus, dass alle
Personen mit 18 Jahren voll verantwortlich für ihre Straftaten seien, während
die Volljährigkeit zur damaligen Zeit erst mit 21 Jahren gegeben war. Im
Jugendgerichtsgesetz (JGG) von 1923 wurde die Altersgruppe der 18- bis unter
21-Jährigen nur insofern berücksichtigt, als dass Strafen unter bestimmten
Voraussetzungen auch in Jugendstrafanstalten vollzogen werden konnten.
Im JGG von 1953 wurde durch die Einführung des § 105 JGG erstmals die
Altersgruppe der Heranwachsenden (18 bis unter 21 Jahren) besonders berück-
sichtigt. Das Volljährigkeitsalter lag weiterhin bei 21 Jahren.
1974 wurde das Volljährigkeitsalter auf 18 Jahre herabgesetzt. Seit dieser Zeit
unterliegen auch volljährige Personen gegebenenfalls dem Jugendstrafrecht
(§ 105 JGG). Der Gesetzgeber ging bei der Schaffung des § 105 JGG davon
aus, dass die Anwendung von Jugendstrafrecht auf Heranwachsende die Aus-
nahme und die Anwendung des allgemeinen Strafrechts die Regel sein sollte.
Nach der in den letzten Jahren zu beobachtenden Praxis wird bei Straftaten
Heranwachsender überwiegend Jugendstrafrecht angewandt. Daher rückt die
strafrechtliche Behandlung Heranwachsender wieder intensiver in die rechts-
wissenschaftliche und rechtspolitische Diskussion.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. In wie vielen Fällen (absolut und prozentual) wurden Heranwachsende in

den Jahren 1991 bis 2002 nach dem Jugendstrafrecht und dem allgemeinen
Strafrecht in den einzelnen Bundesländern verurteilt?

2. In wie vielen Fällen (absolut und prozentual) wurden Heranwachsende in
den Jahren 1991 bis 2002 in folgenden Deliktsgruppen (Vorsätzliche Tö-
tungsdelikte; Raub/Erpresung; Sexualdelikte insgesamt; Vergewaltigung;
Diebstahl/Unterschlagung, Betrug; gefährliche Körperverletzung; Straßen-
verkehrsdelikte insgesamt, Verstöße gegen das Ausländergesetz) nach
Jugendstrafrecht und dem allgemeinen Strafrecht in den einzelnen Bundes-
ländern verurteilt?

3. Gibt es ein Stadt-/Landgefälle bei Heranwachsenden in der Anwendungs-
häufigkeit von Jugendstrafrecht?

4. In welchen Bundesgesetzen wird auf den Begriff des Heranwachsenden im
Sinne des § 105 JGG Bezug genommen?

Drucksache 15/2017 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
5. Wie häufig werden zur Ermittlung des Reifegrades von Heranwachsenden
Gutachten – jenseits der Berichterstattung durch die Jugendgerichtshilfe –
extern in Auftrag gegeben, und welche Kosten enstehen hierdurch jährlich?

6. Wann tritt in den Mitgliedsländern der Europäischen Union die Volljährig-
keit ein?

7. In welchen Mitgliedsländern der Europäischen Union unterliegen voll-
jährige Personen im Alter bis 21 Jahren ohne Einschränkung dem
allgemeinen Strafrecht?

8. In welchen Mitgliedsländern der Europäischen Union existieren für voll-
jährige Personen im Alter bis 21 Jahren gesetzliche Milderungen im
allgemeinen Strafrecht?

9. In welchen Mitgliedsländern der Europäischen Union können für voll-
jährige Personen im Alter bis 21 Jahren besondere erzieherische Reakti-
onsmittel anstatt oder ergänzend zu den Sanktionen des allgemeinen Straf-
rechts angeordnet werden?

10. Welche Mitgliedsländer der Europäischen Union sehen eine Einbeziehung
von volljährigen Personen im Alter bis 21 Jahren in einem dem deutschen
JGG vergleichbaren Gesetz vor?

11. Welche Mitgliedsländer der Europäischen Union sehen Sonderregelungen
für volljährige Personen auf der Ebene des Strafvollzugs, nicht jedoch im
Rahmen der Strafzumessung vor?

12. Wann tritt in den Beitrittsländern der Europäischen Union die Volljährig-
keit ein?

13. In welchen Beitrittsländern der Europäischen Union unterliegen volljährige
Personen im Alter bis 21 Jahren ohne Einschränkung dem allgemeinen
Strafrecht?

14. In welchen Beitrittsländern der Europäischen Union existieren für voll-
jährige Personen im Alter bis 21 Jahren gesetzliche Milderungen im
allgemeinen Strafrecht?

15. Welche Beitrittsländer der Europäischen Union sehen eine Einbeziehung
von volljährigen Personen im Alter bis 21 Jahren in einem dem deutschen
JGG vergleichbaren Gesetz vor?

16. In welchen Beitrittsländern der Europäischen Union können für volljährige
Personen im Alter bis 21 Jahren besondere erzieherische Reaktionsmittel
anstatt oder ergänzend zu den Sanktionen des allgemeinen Strafrechts an-
geordnet werden?

17. Welche Beitrittsländer der Europäischen Union sehen Sonderregelungen
für volljährige Personen auf der Ebene des Strafvollzugs, nicht jedoch im
Rahmen der Strafzumessung vor?

Berlin, den 11. November 2003
Wolfgang Bosbach
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Jürgen Gehb
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Michael Grosse-Brömer
Siegfried Kauder (Bad Dürrheim)
Volker Kauder

Dr. Günter Krings
Daniela Raab
Andreas Schmidt (Mülheim)
Andrea Voßhoff
Marco Wanderwitz
Ingo Wellenreuther
Wolfgang Zeitlmann
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.