BT-Drucksache 14/9591

Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -14/9219- Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (5. StUÄndG)

Vom 26. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9591
14. Wahlperiode 26. 06. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/9219 –

Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
(5. StUÄndG)

A. Problem
Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen DDR ist verpflichtet, ab dem 1. Januar 2003 auf Antrag Betroffener
oder Dritter i. S. d. Stasi-Unterlagen-Gesetzes, also von Personen, über die der
Staatssicherheitsdienst Informationen gesammelt hat, die sie betreffenden Un-
terlagen zu anonymisieren bzw. zu vernichten. Nach wie vor sind die von dem
Bundesbeauftragten verwahrten Unterlagen noch nicht in vollem Umfang er-
schlossen. Eine abschließende Bewertung der Unterlagen im Hinblick auf ihre
Bedeutung für die politische und historische Aufarbeitung ist deshalb noch
nicht möglich. Eine Anonymisierung bzw. Vernichtung von Teilen der Unterla-
gen würde deshalb wichtige Informationen für alle Zukunft der Forschung ent-
ziehen. Zudem folgt aus dem Entstehen eines Anspruchs auf Anonymisierung
von Unterlagen eine Konfliktsituation zwischen den zahlreichen noch anhängi-
gen und künftigen Akteneinsichtsanträgen. Eine Anonymisierung würde in vie-
len Fällen zwangsläufig auch den Inhalt von und den Zugang zu Unterlagen
über andere Personen versperren, die selbst einen Anspruch auf Aktenzugang
haben.
Das Stasi-Unterlagen-Gesetz liefert die gesetzliche Grundlage für die Nutzung
der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes für die politische und historische
Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes. Unterlagen des Staats-
sicherheitsdienstes mit Informationen zu Personen der Zeitgeschichte, Inhabern
politischer Funktionen und Amtsträgern haben für die Aufklärung der Stasi-Tä-
tigkeit eine besondere Bedeutung. Deshalb erlaubt das Gesetz ausdrücklich die
Verwendung von solchen Unterlagen. Auf Grund des Wortlauts der bisherigen
Vorschrift ist nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom
8. März 2002 die Verwendung dieser Unterlagen ohne Einwilligung jedoch
nicht mehr möglich, selbst wenn sie ausschließlich die zeitgeschichtliche Rolle
bzw. das funktions- oder amtsbezogene Wirken dieser Personen betreffen und
wenn deren überwiegende schutzwürdige Interessen nicht berührt werden. Da
die Verwendung dieser Unterlagen nur noch mit schriftlicher Einwilligung
möglich ist, bleiben große Teile der Unterlagen für immer unzugänglich – ent-
weder, weil die betreffenden Personen verstorben sind oder weil von ihnen

Drucksache 14/9591 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

keine Einwilligung zu erwarten ist. Dies ist aber unvereinbar mit der von den
Vertragsparteien in Artikel 1 des Einigungsvertrages geäußerten Erwartung,
„dass der gesamtdeutsche Gesetzgeber die Voraussetzungen dafür schafft, dass
die politische, historische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des ehe-
maligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit ge-
währleistet bleibt“.

B. Lösung
Der Anspruch auf Anonymisierung bzw. Löschung von personenbezogenen In-
formationen nach Maßgabe des § 14 StUG entfällt mit der Streichung der Vor-
schrift. An dem grundsätzlich bestehenden Verwendungsverbot von Unterlagen
des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR ändert dies nichts. Die
verbleibenden Schutzvorschriften bieten eine ausreichende Gewähr für die
Wahrung der Persönlichkeitsrechte der betreffenden Personen.
Die Fortsetzung der politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR wird durch eine Änderung des
§ 32 StUG sichergestellt. Unterlagen mit personenbezogenen Informationen zu
Personen der Zeitgeschichte, Inhabern politischer Funktionen oder Amtsträgern
sollen für diese Zwecke zugänglich sein, soweit diese die zeitgeschichtliche
Rolle bzw. das funktions- oder amtsbezogene Wirken dieser Personen betreffen
und das öffentliche Interesse an der historischen und politischen Aufarbeitung
der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes das von der Herausgabe betroffene
Persönlichkeitsrecht überwiegt. Die Einfügung des § 32a StUG stellt durch die
Einführung eines Benachrichtigungsverfahrens sicher, dass Personen der Zeit-
geschichte, Inhaber politischer Funktionen und Amtsträger Einwendungen ge-
gen eine Verwendung der sie betreffenden Unterlagen geltend machen können.
Annahme des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion der PDS

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Zusätzliche Kosten entstehen durch die Änderungen nicht.
Auswirkungen auf die Verbraucherpreise hat das Gesetz nicht.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9591

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/9219 anzunehmen.

Berlin, den 26. Juni 2002

Der Innenausschuss
Ute Vogt (Pforzheim)
Vorsitzende

Dieter Wiefelspütz
Berichterstatter

Hartmut Büttner (Schönebeck)
Berichterstatter

Cem Özdemir
Berichterstatter

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Drucksache 14/9591 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dieter Wiefelspütz, Hartmut Büttner (Schönebeck),
Cem Özdemir, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig und Ulla Jelpke

I. Zum Verfahren
1. Allgemein
Der Gesetzentwurf wurde in der 239. Sitzung des Deut-
schen Bundestages am 6. Juni 2002 an den Innenausschuss
federführend sowie an den Rechtsausschuss, den Ausschuss
für Angelegenheiten der neuen Länder, den Ausschuss für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und den
Ausschuss für Kultur und Medien zur Mitberatung überwie-
sen.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse
a) Der Rechtsausschuss hat in seiner 135. Sitzung am

26. Juni 2002 mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP bei Stimmenthal-
tung der Fraktion der PDS empfohlen, den Gesetzent-
wurf anzunehmen.
Darüber hinaus hat er mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stim-
men der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung
der Fraktionen der FDP und PDS empfohlen, den Ände-
rungsantrag der Fraktion der CDU/CSU abzulehnen so-
wie ebenfalls die Ablehnung des Änderungsantrages der
Fraktion der FDP mit den Stimmen der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktio-
nen der CDU/CSU und PDS empfohlen.

b) Der Ausschuss für Angelegenheiten der neuen
Länder hat in seiner 84. Sitzung am 12. Juni 2002 mit
den Stimmen der Mitglieder der Koalitionsfraktionen,
der Fraktion der CDU/CSU und des Vertreters der Frak-
tion der FDP bei Stimmenthaltung des Vertreters der
Fraktion der PDS empfohlen, Artikel 1 Nr. 1 des Gesetz-
entwurfs anzunehmen sowie mit gleichem Stimmen-
ergebnis empfohlen, Artikel 1 Nr. 7 des Gesetzentwurfs
anzunehmen.
Er hat des Weiteren empfohlen, den Gesetzentwurf im
Übrigen mit den Stimmen der Mitglieder der Koalitions-
fraktionen, gegen die Stimmen der Mitglieder der Frak-
tion der CDU/CSU und des Vertreters der Fraktion der
FDP, bei Stimmenthaltung des Vertreters der Fraktion
der PDS und eines Mitglieds der Fraktion der CDU/CSU
anzunehmen.

c) Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung hat in seiner 72. Sitzung am 26. Juni
2002 mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP bei Stimmenthal-
tung der Fraktion der PDS empfohlen, den Gesetz-
entwurf anzunehmen.

d) Der Ausschuss für Kultur und Medien hat in seiner
79. Sitzung am 26. Juni 2002 mit den Stimmen der Frak-
tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die

Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP bei
Stimmenthaltung der Fraktion der PDS die Annahme des
Gesetzentwurfs empfohlen.

3. Beratungen im federführenden Ausschuss
a) Der Innenausschuss hat in seiner 84. Sitzung am 23. Ja-

nuar 2002 einvernehmlich beschlossen, eine öffentliche
Anhörung zum Thema „Stasi-Unterlagen-Gesetz – StUG“
durchzuführen. Diese diente dazu, das Gesetz nach zehn
Jahren auf den Prüfstand zu stellen und ggf. über eine
Novellierung nachzudenken.
Die öffentliche Anhörung hat der Innenausschuss in sei-
ner 96. Sitzung am 25. April 2002 durchgeführt. Auf das
Protokoll der Anhörung, an der sich 13 Sachverständige
beteiligt haben, wird hingewiesen.
Auf Antrag der Fraktion der CDU/CSU hat der Innen-
ausschuss in seiner 99. Sitzung am 12. Juni 2002 zudem
beschlossen, eine weitere öffentliche Anhörung konkret
zum Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des
Stasi-Unterlagen-Gesetzes auf Drucksache 14/9219
durchzuführen.
Diese öffentliche Anhörung hat der Innenausschuss in
seiner 100. Sitzung am 24. Juni 2002 durchgeführt. Auf
das Protokoll der Anhörung, an der sich 9 Sachverstän-
dige beteiligt haben, wird hingewiesen.
Der Innenausschuss hat in seiner 101. Sitzung am
26. Juni 2002 den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/9219
abschließend beraten. Der Innenausschuss vereinbarte
eine getrennte Abstimmung über Artikel 1 Nr. 1 des
Gesetzentwurfs. Artikel 1 Nr. 1 des Gesetzentwurfs auf
Drucksache 14/9219 wurde einstimmig angenommen.
Der Gesetzentwurf auf Drucksache 14/9219 insgesamt
wurde mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP bei Stimmenthal-
tung der Fraktion der PDS angenommen.

b) Zuvor hat der Innenausschuss mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP
und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU
den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Ausschussdrucksache 14/867 sowie mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
CDU/CSU und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der
FDP den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf
Ausschussdrucksache 14/869 abgelehnt.
aa) Der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU

auf Ausschussdrucksache 14/867 hat einschließlich
Begründung folgenden Wortlaut:

1. In Artikel 1 werden die Nr. 2 bis 11 gestrichen.
2. In Artikel 1 wird folgende neue Nr. 2 eingefügt:

„§ 32 erhält folgende Fassung:

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/9591

§ 32
(1) Für die Forschung zum Zwecke der politischen

und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des
Staatssicherheitsdienstes sowie für Zwecke der politi-
schen Bildung stellt der Bundesbeauftragte folgende
Unterlagen zur Verfügung:
1. Unterlagen, die keine oder nur offenkundige per-

sonenbezogene Informationen enthalten,
2. Duplikate von Unterlagen, in denen die personen-

bezogenen Informationen anonymisiert worden
sind,

3. Unterlagen mit personenbezogenen Informatio-
nen über
– Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, so-

weit es sich nicht um Tätigkeiten für den
Staatssicherheitsdienst vor Vollendung des
18. Lebensjahres gehandelt hat,

– Begünstigte des Staatssicherheitsdienstes,
oder

– sonstige Personen, die das staatliche oder ge-
sellschaftliche Herrschaftssystem der Deut-
schen Demokratischen Republik in herausge-
hobener Position aktiv mitgetragen oder un-
terstützt haben,

soweit durch die Verwendung keine überwiegen-
den schutzwürdigen Interessen der genannten
Personen beeinträchtigt werden,

4. Unterlagen mit personenbezogenen Informatio-
nen über Personen der Zeitgeschichte, Inhaber
politischer Funktionen oder Amtsträger nach
Maßgabe von § 32a; Nummer 3 bleibt unberührt,

5. Unterlagen mit anderen personenbezogenen In-
formationen, wenn die schriftlichen Einwilligun-
gen der betreffenden Personen, in denen das Vor-
haben und die durchführenden Personen bezeich-
net sind, vorgelegt werden.
(2) Unterlagen, die sich nach § 37 Abs. 1 Nr. 3

Buchstabe b – d in besonderer Verwahrung befinden,
dürfen nur mit Einwilligung des Bundesministers des
Innern verwendet werden.
(3) Personenbezogene Informationen dürfen nur

veröffentlicht werden, wenn
1. diese offenkundig sind,
2. die Personen, über die personenbezogene Infor-

mationen veröffentlicht werden sollen, eingewil-
ligt haben,

3. es sich um Informationen handelt über
– Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, so-

weit es sich nicht um Tätigkeiten für den
Staatssicherheitsdienst vor Vollendung des
18. Lebensjahres gehandelt hat,

– Begünstigte des Staatssicherheitsdienstes oder
– sonstige Personen, die das staatliche oder ge-

sellschaftliche Herrschaftssystem der Deut-
schen Demokratischen Republik in herausge-

hobener Position aktiv mitgetragen oder un-
terstützt haben,

und durch die Veröffentlichung keine überwiegen-
den schutzwürdigen Interessen der genannten
Personen beeinträchtigt werden, oder

4. es sich um Informationen handelt über Personen
der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktio-
nen oder Amtsträger nach Maßgabe von § 32a;
Nummer 3 bleibt unberührt.
(4) Die Absätze 1 und 3 gelten sinngemäß auch für

Zwecke der politischen und historischen Aufarbei-
tung der nationalsozialistischen Vergangenheit.“

3. In Artikel 1 wird folgende neue Nr. 3 eingefügt:
„Nach § 32 wird folgender § 32a eingefügt:

§ 32a
(1) Unterlagen über Personen der Zeitgeschichte,

Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger dür-
fen nur dann nach § 32 Abs. 1 zur Verfügung gestellt
oder nach § 32 Abs. 3 veröffentlicht werden, wenn
die Informationen ihre zeitgeschichtliche Rolle,
Funktions- oder Amtsausübung betreffen.
(2) Die betroffenen Personen sind über die beab-

sichtigte Herausgabe der Informationen nach
Absatz 1 und über deren Inhalt schriftlich zu benach-
richtigen. Die Unterlagen dürfen frühestens vier Wo-
chen, nachdem die betroffene Person Gelegenheit
hatte, die Unterlagen einzusehen, herausgegeben
werden. Eine Benachrichtigung nach Satz 1 kann
entfallen, wenn die Benachrichtigung nicht mehr
möglich ist oder diese nur mit unverhältnismäßigem
Aufwand möglich wäre. Nachteile für die betroffene
Person dürfen sich aus der unterbliebenen Benach-
richtigung nicht ergeben.
(3) Widerspricht die betroffene Person in den Fäl-

len des § 5 Absatz einer Herausgabe nach Absatz 1,
dürfen die Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt
werden. Der Widerspruch ist unbeachtlich, wenn die
betroffene Person erkennbar keine Nachteile durch
die Herausgabe erleidet. § 5 Abs. 1 Satz 2 gilt ent-
sprechend. Satz 2 gilt nicht, soweit die Informationen
grundrechtswidrig gewonnen wurden.“

Begründung:
Mit unveränderter Umsetzung des vorliegenden Gesetz-
entwurfs würde der Opferschutz als wesentlicher Zweck
des StUG nicht mehr gewährleistet. Die hier vorgeschla-
gene Neufassung von § 32 sowie die Einfügung eines
§ 32a in das StUG vermeidet diesen Mangel.
Beibehalten werden muss dagegen die Streichung von
§ 14 StUG.
bb) Der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf

Ausschussdrucksache 14/869 hat einschließlich
Begründung folgenden Wortlaut:

1. In Artikel 1 werden die Nr. 2 bis 11 gestrichen.
2. In Artikel 1 wird folgende neue Nr. 2 eingefügt:

„§ 32 StUG erhält folgende Fassung:

Drucksache 14/9591 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

(1) Für die Forschung zum Zwecke der politischen
und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des
Staatssicherheitsdienstes sowie für Zwecke der politi-
schen Bildung stellt der Bundesbeauftragte folgende
Unterlagen zur Verfügung:
1. Unterlagen, die keine personenbezogenen Infor-

mationen enthalten,
2. Duplikate von Unterlagen, in denen die personen-

bezogenen Daten anonymisiert worden sind, wenn
die Informationen offenkundig sind,

3. Unterlagen mit personenbezogenen Daten über
– Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, so-

weit es sich nicht um Tätigkeiten für den
Staatssicherheitsdienst vor Vollendung des
18. Lebensjahres gehandelt hat, oder

– Begünstigte des Staatssicherheitsdienstes,
soweit durch die Verwendung keine überwiegen-
den schutzwürdigen Interessen der genannten
Personen beeinträchtigt werden,

4. Unterlagen mit nicht unter Verletzung von Grund-
rechten gewonnenen personenbezogenen Infor-
mationen über Personen der Zeitgeschichte, Inha-
ber politischer Funktionen oder Amtsträger, so-
weit es sich ausschließlich um Informationen im
Zusammenhang mit der jeweiligen zeitgeschichtli-
chen Rolle, der politischen Funktion oder der
Ausübung des Amtes handelt und schutzwürdige
Belange der genannten Personen nicht beein-
trächtigt werden,

5. Unterlagen mit anderen personenbezogenen In-
formationen, wenn die schriftlichen Einwilligun-
gen der genannten Personen, in denen das Vorha-
ben und die durchführenden Personen bezeichnet
sind, vorgelegt werden.
(2) Unterlagen, die sich nach § 37 Abs. 1 Nr. 3

Buchstabe b – d in besonderer Verwahrung befinden,
dürfen nur mit Einwilligung des Bundesministers des
Innern verwendet werden.
(3) Personenbezogene Informationen dürfen nur

veröffentlicht werden, wenn
1. die Personen, über die personenbezogene Infor-

mationen veröffentlicht werden sollen, eingewil-
ligt haben, oder

2. die Schutzfrist nach § 5 Absatz 2 des Bundesar-
chivgesetzes abgelaufen ist, oder

3. die Voraussetzungen für eine Schutzfristverkür-
zung nach § 5 Absatz 5 Satz 3 oder Satz 4 des
Bundesarchivgesetzes erfüllt sind, oder

4. es sich um Informationen über
– Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, so-

weit es sich nicht um Tätigkeiten für den
Staatssicherheitsdienst vor Vollendung des
18. Lebensjahres gehandelt hat, oder

– Begünstigte des Staatssicherheitsdienstes han-
delt und durch die Veröffentlichung keine
überwiegenden schutzwürdigen Interessen der

genannten Personen beeinträchtigt werden,
oder

5. es sich um nicht unter Verletzung von Grundrech-
ten gewonnene personenbezogene Informationen
über Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politi-
scher Funktionen oder Amtsträger handelt, soweit
diese Informationen ausschließlich im Zusam-
menhang mit der jeweiligen zeitgeschichtlichen
Rolle, der politischen Funktion oder der Aus-
übung des Amtes stehen und schutzwürdige Be-
lange der genannten Personen nicht beeinträch-
tigt werden.
(4) Die Absätze 1 und 3 gelten sinngemäß auch für

Zwecke der politischen Aufarbeitung der nationalso-
zialistischen Vergangenheit.“

3. In Artikel 1 wird folgende neue Nr. 3 eingefügt:
„Nach § 32 wird folgender § 32a eingefügt:
Sollen Unterlagen nach § 32 Abs. 1 Nr. 4 zur Ver-
fügung gestellt werden, sind die genannten Personen
zuvor schriftlich zu benachrichtigen. Die Benach-
richtigung kann unterbleiben, soweit kein Grund zu
der Annahme besteht, dass schutzwürdige Interessen
berührt werden können oder soweit sie nur mit un-
verhältnismäßigem Aufwand möglich wäre. Die ge-
nannten Personen können innerhalb von vier Wochen
nach Zugang der Benachrichtigung Einsicht in die
Unterlagen nehmen und innerhalb weiterer zwei
Wochen Einwände gegen die Verwendung erheben.
Diese Einwände sind in die Abwägung nach § 32
Absatz 1 Nummer 4 einzubeziehen. Sollten Unterla-
gen trotz erhobener Einwände zur Verfügung gestellt
werden, so sind die genannten Personen hiervon min-
destens 14 Tage zuvor zu benachrichtigen.“

Begründung:
Durch die hier vorgeschlagene Änderung der §§ 32 und
32a des zu Grunde liegenden Gesetzentwurfs wird dem
Opferschutz als Kernbestandteil des Stasi-Unterlagen-
Gesetzes Rechnung getragen. Damit wird der in der An-
hörung am 24. 06. 2002 von den Sachverständigen
mehrheitlich erhobenen Forderung nach einer stärkeren
Berücksichtigung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts
der Opfer der Stasi-Methoden entsprochen. Die bisher
schon vorgesehene Streichung des § 14 StUG wird bei-
behalten.

II. Zur Begründung
1. Zur Begründung allgemein wird auf Drucksache 14/9219

hingewiesen.
2. Die Koalitionsfraktionen weisen darauf hin, dass die

Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes als Vermächt-
nis der Bürgerrechtsbewegung der ehemaligen DDR ein
wichtiges und zentrales Projekt sei. Einigkeit bestünde
darin, § 14 des Gesetzes zu streichen. In § 32a des
Gesetzentwurfs werde effektiver Grundrechtsschutz
durch Verfahren garantiert. Die Interessen des jeweiligen
Betroffenen würden frühzeitig einbezogen und gewür-
digt, wie dies schon der gängigen Praxis der Behörde
entspreche.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/9591

Die Entscheidung über die Herausgabe der jeweiligen
Akte solle die Behörde treffen. Hiergegen sei der
Rechtsweg eröffnet. Eine Letztentscheidung des Betrof-
fenen sei weder praktikabel noch sachgerecht.

Die Fraktion der CDU/CSU führt aus, dass das Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. März 2002 keine
Auswirkungen auf die deutliche Mehrzahl der Anträge
auf Akteneinsicht bei der Behörde habe. Auskünfte bei-
spielsweise zur Rehabilitierung, Überprüfung von Ren-
tenansprüchen, zur Strafverfolgung oder zur Überprü-
fung einer Mitarbeitertätigkeit bei der Staatssicherheit
seien hiervon ebenfalls nicht tangiert. Darüber hinaus er-
gäben sich gegen die vorgesehene Neuregelung zu § 32
in diesem Gesetzentwurf massive Bedenken. Sie stelle
Täter und Opfer gleich und verletze Persönlichkeits-
rechte und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die
Letztentscheidung, ob Informationen aus Akten heraus-
gegeben werden dürfen, müsse bei dem jeweiligen
Betroffenen selbst liegen und nicht bei der Behörde. In
diesem Zusammenhang sei auch unter verfassungsrecht-
lichen Gesichtspunkten auf das eindeutige Ergebnis der
Anhörung vom 24. Juni 2002 zu diesem Gesetzentwurf
hingewiesen.

DieFraktionderFDPmerkt an, dassmaßgeblicheRicht-
schnur des Gesetzes die Einführung einer wirksamen de-
mokratisch-rechtsstaatlichen Kontrolle der Herausgabe-
entscheidung sein müsse. Der Gesetzentwurf werfe hier
verfassungsrechtlicheBedenkeneinerVerletzungdesPer-
sönlichkeitsrechts der Betroffenen auf. Der Gesetzent-
wurf stelle nicht klar, dass die Herausgabe durch die Be-
hörde dann zwingend zu versagen sei, wenn Informatio-
nen über Betroffene grundrechtswidrig erlangt wurden.
Soweit diese Grenze nicht explizit in den Gesetzestext
aufgenommen werde, sei auch der Schutz von Personen
der Zeitgeschichte verfassungswidrig verkürzt.
Die Fraktion der PDS führt an, dass die Anhörung zum
Gesetzentwurf vom 24. Juni 2002 verfassungsrechtliche
Bedenken ergeben habe. Die Abwägung zwischen wirk-
samem Opferschutz und wissenschaftlichem sowie öf-
fentlichem Interesse sei unzureichend geregelt. Zudem
dürfe die Letztentscheidung über die Herausgabe vonAk-
ten nicht imErmessen der Behörde stehen, sondernmüsse
nach klaren, im Gesetz vorgesehenen Regelungen erfol-
gen. Die Definition einer Funktionärsklausel, wie sie im
Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vorgesehen
sei, sei abzulehnen, da sie die unterschiedlichen Biogra-
phien in Ost- undWestdeutschland auseinander dividiere.

Berlin, den 26. Juni 2002
Dieter Wiefelspütz
Berichterstatter

Hartmut Büttner (Schönebeck)
Berichterstatter

Cem Özdemir
Berichterstatter

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

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