BT-Drucksache 14/9101

Keine Vorzugsbehandlung der Deutschen Post AG bei der Umsatzsteuer

Vom 14. Mai 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9101
14. Wahlperiode 14. 05. 2002

Antrag
der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Heinz Seiffert, Dietrich Austermann,
Norbert Barthle, Otto Bernhardt, Jochen Borchert, Dankward Buwitt,
Leo Dautzenberg, Albrecht Feibel, Herbert Frankenhauser, Jochen-Konrad
Fromme, Hans-Joachim Fuchtel, Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein,
Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach), Hans Jochen Henke, Josef Hollerith,
Susanne Jaffke, Bartholomäus Kalb, Steffen Kampeter, Dr. Michael Luther,
Hans Michelbach, Hans-Peter Repnik, Adolf Roth (Gießen), Norbert Schindler,
Michael von Schmude, Diethard Schütze (Berlin), Wolfgang Schulhoff,
Gerhard Schulz, Klaus-Peter Willsch, Elke Wülfing und der Fraktion der CDU/CSU

Keine Vorzugsbehandlung der Deutschen Post AG bei der Umsatzsteuer

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Eine von der Fraktion der CDU/CSU initiierte Kleine Anfrage (Bundestags-
drucksache 14/8344) zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Deutschen Post AG
hat folgenden Sachverhalt ergeben:
1. Die Deutsche Post AG hat nach dem Postgesetz das ausschließliche Recht,

Briefsendungen und adressierte Kataloge, deren Einzelgewicht weniger als
200 Gramm beträgt, gewerbsmäßig zu befördern (sog. Exklusivlizenz). Alle
Postdienstleistungen, die nicht der Exklusivlizenz der Deutschen Post AG
unterliegen, sind hingegen für den Wettbewerb geöffnet. Private Anbieter
dürfen daher auch im Bereich der sog. Universaldienstleistungen (Briefe
von 200 bis 2 000 Gramm, Pakete bis 20 Kilogramm und bestimmte Zeitun-
gen und Zeitschriften) mit der Deutschen Post AG konkurrieren.

2. Das für die Besteuerung der Deutschen Post AG zuständige Finanzministe-
rium des Landes Nordrhein-Westfalen hatte deshalb die Auffassung vertre-
ten, dass die Deutsche Post AG wegen zu befürchtender Wettbewerbsnach-
teile für andere Anbieter bei Erbringung von Universaldienstleistungen nicht
von der Umsatzsteuer befreit ist.

3. Die Bundesregierung hatte sich im Vorfeld des Börsengangs der Deutschen
Post AG über diese Auffassung hinweggesetzt und per Einzelweisung ge-
genüber dem Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen angeord-
net, dass die Deutsche Post AG neben dem Bereich der Exklusivlizenz auch
für den Bereich der Universaldienstleistungen von der Umsatzsteuer zu
befreien ist.

4. Die Bundesregierung hat nunmehr eingeräumt, dass bei der Frage der Aus-
legung der Umsatzsteuerbefreiungsvorschrift auch andere Auslegungsmög-
lichkeiten denkbar wären. Sie führt wörtlich aus: „Es handelt sich um eine

Drucksache 14/9101 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Rechtsfrage, die – wie andere – sicherlich kontrovers diskutiert werden
kann.“

Die umfassende Überprüfung der in Frage stehenden Vorschrift des Umsatz-
steuerrechts (§ 4 Nr. 11b UStG) hat ergeben, dass sich die Auffassung des Bun-
desministeriums der Finanzen weder mit dem Sinn und Zweck des Postgesetzes
noch mit dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität im Umsatzsteuerrecht
vereinbaren lässt. Darüber hinaus ist die umsatzsteuerliche Befreiung der
Deutschen Post AG für den Bereich der Universaldienstleistungen nicht mit
EU-Recht vereinbar.
Im Einzelnen:
l Nach § 4 Nr. 11b UStG sind „die unmittelbar dem Postwesen dienenden

Umsätze der Deutschen Post AG“ steuerfrei.
l Was unter dem Begriff des Postwesens zu verstehen ist, ist weder im Um-

satzsteuergesetz noch in anderen Gesetzen legal definiert. Das weite Be-
griffsverständnis des Postgesetzes und der Kompetenzvorschriften des
Grundgesetzes lässt sich nicht ohne weiteres auf das Umsatzsteuergesetz
übertragen. Zugleich folgt aus dem unklaren Begriffsinhalt, dass das Tatbe-
standsmerkmal auslegungsfähig ist.

l Historisch wollte der Gesetzgeber im Zeitpunkt der Einfügung von § 4
Nr. 11b UStG einen Ersatz für § 2 Abs. 3 UStG schaffen und sämtliche Post-
dienstleistungen erfassen. Konsequent weitergedacht müsste heute jedoch
angesichts der vorangeschrittenen Öffnung des Postmarktes für den Wett-
bewerb auch unter Berücksichtigung der ursprünglichen gesetzgeberischen
Intention eine Beschränkung auf den verbliebenen Monopolbereich erfolgen.

l Ausschlaggebend ist, dass eine an der Systematik des Umsatzsteuergesetzes
und an der Zielsetzung des Postgesetzes orientierte systematische Ausle-
gung zwingend für eine Beschränkung auf das Briefmonopol (Exklusiv-
lizenzbereich) spricht, da die andernfalls zu befürchtenden Wettbewerbsver-
zerrungen nicht gerechtfertigt werden können.

l Auch das im Rahmen verfassungskonformer Auslegung zu berücksichti-
gende Gebot der Wettbewerbsneutralität spricht für eine restriktive Ausle-
gung.

l Im Rahmen richtlinienkonformer an Artikel 13 Abschnitt A Satz 1 Buch-
stabe a der 6. RLEWG orientierter Auslegung ist bereits zweifelhaft, ob das
privatrechtliche Unternehmen Deutsche Post AG überhaupt das Tatbe-
standsmerkmal der öffentlichen Posteinrichtung erfüllt. Sollte man dies den-
noch bejahen, muss eine Eingrenzung über den sachlichen Anwendungsbe-
reich erfolgen. Für eine restriktive, Wettbewerbsverzerrungen vermeidende
Beschränkung auf den Exklusivbereich spricht zudem, dass auch Artikel 13
Abschnitt A Satz 1 Buchstabe a der 6. RLEWG seinerseits europarechtskon-
form, d. h. insbesondere unter Berücksichtigung von Artikel 87 EGV ausge-
legt werden muss.

Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass eine an der Systematik des
Umsatz- und des Postgesetzes orientierte Auslegung ebenso wie eine verfas-
sungskonforme Auslegung für ein restriktives, auf den Exklusivbereich be-
schränktes Verständnis von § 4 Nr. 11b UStG sprechen. Eine restriktive Aus-
legung lässt sich auch mit Artikel 13 Abschnitt A Satz 1 Buchstabe a der
6. RLEWG vereinbaren (richtlinienkonform) und entspricht dem gemein-
schaftsrechtlichen Gebot der Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer sowie
dem Beihilfeverbot des Artikels 87 EGV.
Somit steht fest, dass die Weisung der Bundesregierung vom 18. Februar 2000
nicht dem geltenden Recht entspricht. Durch die Weisung des Bundesministeri-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9101

ums der Finanzen wird die ursprüngliche Zielsetzung des Postgesetzes, den Be-
reich der Postdienstleistungen für einen marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu
öffnen, durch die Umsatzsteuerbefreiung für Universaldienstleistungen gera-
dezu verhindert. Damit wird einseitig die Deutsche Post AG bevorzugt. Andere
Wettbewerber im Universaldienstleistungsbereich unterliegen voll der Umsatz-
steuer. Durch die einseitige Steuerbefreiung der Deutschen Post AG werden
Marktzutrittsschranken für andere Wettbewerber aufgebaut, die einen inten-
siven Wettbewerb verhindern. Hohe Portogebühren zu Lasten der Verbraucher
sind die Folge.
Außerdem wurde der Anschein einer Interessenkollision bei Zustandekommen
der Weisung bis heute nicht ausgeräumt. Es stehen weiterhin Verstöße gegen
verschiedene Rechtsvorschriften wie z. B. § 82 Abgabenordnung oder § 20
Verwaltungsverfahrensgesetz im Raum. Die Bundesregierung hat auf Anfrage
der Fraktion der CDU/CSU lediglich mitgeteilt: „Selbst wenn im Vorfeld der
Weisung formal gegen Verfahrensvorschriften verstoßen worden sein sollte,
ließe dies die Rechtsverbindlichkeit der Einzelweisung unberührt.“ Damit ist
noch nicht geklärt, inwieweit im Zuge der Umsatzsteuerbefreiung der Deut-
schen Post AG gegen Verfahrensvorschriften verstoßen wurde.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,
1. die Weisung des Bundesministeriums der Finanzen gegenüber dem Land

Nordrhein-Westfalen vom 18. Februar 2000 zurückzunehmen, um damit dem
Land Nordrhein-Westfalen den Weg für dessen ursprünglich beabsichtigen
Auslegung der betreffenden Umsatzsteuerbefreiungsvorschrift zu ermög-
lichen und auf diesem Wege den Wettbewerb im Universaldienstleistungs-
bereich zu eröffnen und

2. dafür zu sorgen, dass die vorhandene Interessenkollision zwischen der Bun-
desregierung und der Deutschen Post AG aufgelöst wird.

Berlin, den 13. Mai 2002
Gerda Hasselfeldt
Heinz Seiffert
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Otto Bernhardt
Jochen Borchert
Dankward Buwitt
Leo Dautzenberg
Albrecht Feibel
Herbert Frankenhauser
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein
Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach)
Hans Jochen Henke

Josef Hollerith
Susanne Jaffke
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Dr. Michael Luther
Hans Michelbach
Hans-Peter Repnik
Adolf Roth (Gießen)
Norbert Schindler
Michael von Schmude
Diethard Schütze (Berlin)
Wolfgang Schulhoff
Gerhard Schulz
Klaus-Peter Willsch
Elke Wülfing

Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.