BT-Drucksache 14/9052

Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002: Der nachhaltigen Entwicklung zum Durchbruch verhelfen

Vom 15. Mai 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9052
14. Wahlperiode 15. 05. 2002

Antrag
der Abgeordneten Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ulrike Mehl, Ulla Burchardt,
Monika Griefahn, Reinhold Hemker, Christoph Matschie, Michael Müller
(Düsseldorf), Gernot Erler, Brigitte Adler, Doris Barnett, Dr. Hans-Peter Bartels,
Ingrid Becker-Inglau, Wolfgang Behrendt, Petra Bierwirth, Rudolf Bindig, Rainer
Brinkmann (Detmold), Dr. Michael Bürsch, Hans Büttner (Ingolstadt), Christel
Deichmann, Detlef Dzembritzki, Marga Elser, Petra Ernstberger, Monika
Ganseforth, Iris Gleicke, Klaus Hagemannn, Anke Hartnagel, Frank Hempel,
Monika Heubaum, Reinhold Hiller (Lübeck), Ingrid Holzhüter, Lothar Ibrügger,
Renate Jäger, SusanneKastner, Ulrich Kelber, Hans-Ulrich Klose, Karin Kortmann,
Horst Kubatschka, Helga Kühn-Mengel, Dr. Uwe Küster, Dr. Elke Leonhard, Erika
Lotz, Tobias Marhold, Lothar Mark, Heide Mattischeck, Markus Meckel, Christoph
Moosbauer, Jutta Müller (Völklingen), Andrea Nahles, Volker Neumann
(Bramsche), Dietmar Nietan, Günter Oesinghaus, Manfred Opel, Johannes Pflug,
Dr. Carola Reimann, Dr. Edelbert Richter, Gudrun Roos, René Röspel, Dr. Ernst
Dieter Rossmann, Marlene Rupprecht, Thomas Sauer, Bernd Scheelen,
Dr. Hermann Scheer, Dieter Schloten, Dagmar Schmidt (Meschede), Wilhelm
Schmidt (Salzgitter), Heinz Schmitt (Berg), Ottmar Schreiner, Reinhard Schultz
(Everswinkel), Volkmar Schultz (Köln), Dr. Angelica Schwall-Düren, Dr. Sigrid
Skarpelis-Sperk, Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Wieland Sorge,Wolfgang Spanier,
Antje-Marie Steen, Reinhold Strobl (Amberg), Joachim Tappe, Jella Teuchner,
Franz Thönnes, Adelheid Tröscher, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Inge Wettig-
Danielmeier, Dr. Margrit Wetzel, JürgenWieczorek (Böhlen), Dr. WolfgangWodarg,
Heidemarie Wright, Uta Zapf, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Winfried Hermann, Hans-Josef Fell,
Ulrike Höfken, Michaele Hustedt, Dr. Angelika Köster-Loßack, Steffi Lemke, Albert
Schmidt (Hitzhofen), Sylvia Voß, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002:
Der nachhaltigen Entwicklung zum Durchbruch verhelfen

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Bei der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung

1992 in Rio de Janeiro („Erdgipfel“) wurden von 176 Staats- und Regie-
rungschefs fünf gewichtige Beschlüsse gefasst:
l die Rio-Deklaration,
l die Agenda 21,

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l die Klimarahmenkonvention (FCCC)
l die Biodiversitätskonvention (CBD) und
l die Walderklärung.
Die Agenda 21 ist als programmatisches Handlungskonzept für das 21. Jahr-
hundert konzipiert worden. Im Zentrum steht der Begriff der Nachhaltigen
Entwicklung. Nachhaltige Entwicklung ist nach der Definition des Brundt-
landberichts von 1987 „eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der heutigen
Generation befriedigt, ohne damit die Fähigkeit künftiger Generationen zu
beeinträchtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“. Sie steht für eine
Politik, die die ökologischen Grenzen respektiert, eine hocheffiziente Nut-
zung der natürlichen Ressourcen mit den legitimen Interessen der Staaten
des Südens an einer gerechteren Verteilung von Entwicklungschancen ver-
bindet und soziale Gerechtigkeit verwirklicht.
Sie kann damit einen Betrag leisten, wesentliche Ursachen für die weltweite
Bedrohung von Frieden und Sicherheit zu beseitigen: Die ungleiche Kon-
kurrenz um knappe Ressourcen, insbesondere um Trinkwasser und Öl, ist
schon lange Anlass für Konflikte und für kriegerische Auseinandersetzun-
gen. Die prekäre wirtschaftliche und soziale Lage der Mehrheit der Mensch-
heit und die sich daraus ergebende Perspektivlosigkeit bilden den Nährbo-
den für Fanatismus, Gewalt und eine neue Dimension des Terrorismus.
Nachhaltigkeit meint daher nicht nur die nationale und internationale Um-
welt- und Entwicklungspolitik, sondern wird auch zur Leitlinie einer neuen
Weltinnenpolitik. Diese ist auf eine dauerhafte Sicherung von Frieden, Ge-
rechtigkeit, Sicherheit, Wohlstand und Demokratie ausgerichtet und fördert
kulturelle Vielfalt. Sie ist eine Antwort auf die Herausforderungen, die sich
durch die Globalisierungsprozesse verstärken.

2. Der Erdgipfel von Rio kennzeichnet den hoffnungsvollen Beginn einer
Dekade globaler Umweltpolitik. Vor allem durch die Verständigung auf
neue, erfolgversprechende Konventionen und eine weltweite Agenda für
Umwelt und Entwicklung wurde Rio ein Meilenstein, der den Aufbruch hin
zu einer nachhaltigen Weltgesellschaft einfordert. Diese Entwicklung ist
gleichzeitig mit der Lösung und Verbesserung vieler regionaler und nationa-
ler Umwelt- und Entwicklungsprobleme verbunden.
Zu den positiven Entwicklungen der neunziger Jahre gehört die Auflösung
der bipolaren Welt durch ein offeneres globales System. Damit einher ging
auch die Verbreitung universeller gesellschaftlicher Leitbilder, einer Ver-
ständigung über Menschenrechte und Demokratie. Exemplarisch stehen da-
für der Wandel in Südafrika sowie der Demokratisierungsprozess in be-
stimmten lateinamerikanischen und afrikanischen Staaten.
Einige bevölkerungsreiche Schwellen- und Entwicklungsländer vor allem in
Südostasien und Ostasien konnten trotz Rückschlägen im Zuge der schwe-
ren Finanzkrisen, spektakuläre Erfolge bei der Armutsbekämpfung erzielen.
Die Bilanz der vergangenen zehn Jahre ist aber nicht zufriedenstellend. Wie
die Europäische Kommission (KOM(2001) 53 endg.) festgestellt hat, sind
die 1992 eingegangenen Verpflichtungen nur unzureichend eingehalten wor-
den: „Die Umwelt und die natürlichen Ressourcen sind seit der Konferenz
von Rio noch mehr unter Druck geraten, und die Armut hat weltweit weiter
zugenommen“.
l Die globale Temperatur ist in den vergangenen 100 Jahren um etwa 0,6

Grad Celsius angestiegen, das Klimasystem verändert sich durch die Ein-
griffe der Menschen. Obwohl der weltweite Energieverbrauch erheblich
zunimmt, hat ein Drittel der Weltbevölkerung noch keinen Zugang zu ei-
ner erschwinglichen und angemessenen Energieversorgung.

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l Die global unterschiedlich verteilten Süßwasserreserven werden zz. in
einigen Weltregionen schneller verbraucht, als die Natur sie wieder auf-
füllen kann. Noch immer haben eine Milliarde Menschen der Weltbevöl-
kerung keinen gesicherten Zugang zu sauberem Trinkwasser, und etwa
zwei Milliarden Menschen sind nicht an eine hygienisch unbedenkliche
Abwasserentsorgung angeschlossen.

l Das Ackerland pro Kopf der Bevölkerung nimmt weiter ab. Jährlich ge-
hen weltweit 5 bis 6 Mio. Hektar landwirtschaftlicher Anbaufläche auf-
grund von Bodendegradation verloren, die Ernährungsprobleme spitzen
sich zu.

l Viele Meere sind überfischt, die Stabilität der Meeressysteme ist gefähr-
det. Rund die Hälfte der weltweiten Fischbestände sind bereits voll er-
schlossen, 16 Prozent sind überfischt und weitere 6 Prozent völlig abge-
fischt.

l Die Zerstörung der Wälder schreitet weiter voran. Allein seit dem Erd-
gipfel von Rio sind etwa 150 Mio. Hektar Urwald verloren gegangen, das
entspricht mehr als der vierfachen Fläche Deutschlands.

l Das Artensterben geht weiter. Rund 25 Prozent aller Säugetierarten und
etwa 11 Prozent der Vogelarten sind akut vom Aussterben bedroht.

l Die Weltbevölkerung wächst (wenn auch langsamer) weiter, bis zum Jahr
2050 werden etwa 9 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Diese Ent-
wicklung dürfte mit negativen sozialen und ökologischen Folgen einher-
gehen.

l Die Kluft zwischen Arm und Reich (zwischen Industrie- und Entwick-
lungsländern und innerhalb der Nationen) wird größer. Die Zahl der in
absoluter Armut lebenden Menschen steigt fortlaufend. Ein Fünftel der
Weltbevölkerung muss seinen Lebensunterhalt mit weniger als einem
Dollar pro Tag bestreiten. Die Zahl der Länder, in denen mehr als 40 Pro-
zent der Kinder unterernährt sind, hat sich zwischen 1992 und 1998 fast
verdoppelt.

l Die regionalen „militärischen“ Konflikte nehmen zu.
l Die ökonomische Macht ist größer geworden und zunehmend in wenigen

Unternehmen und Banken konzentriert. Der Einfluss der globalen Fi-
nanzmärkte, die sich demokratischer Kontrolle entziehen, wird immer
größer.

Die Verschlechterung der sozialen und ökologischen Situation in vielen Re-
gionen bedeutet, dass es der Völkergemeinschaft bisher nicht gelungen ist,
das wirtschaftliche Wachstum und die Ressourcennutzung vom Umweltver-
brauch abzukoppeln. Lediglich bei der Reduktion einzelner Schadstoffe bei
gleichzeitigem Wirtschaftswachstum gibt es in den wohlhabenden Ländern
Fortschritte zu verzeichnen. Effizienzgewinne wurden jedoch vielfach durch
neues Wachstum überkompensiert.
Die Ergebnisse der sich seit Anfang der 90er Jahre beschleunigenden Globa-
lisierungsprozesse sind in der heutigen Form weder ökologisch, ökono-
misch, sozial, kulturell noch in demokratischer Hinsicht zukunftsfähig. Glo-
balisierung bezeichnet die Tendenz zu einer sich verstärkenden weltweiten
wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verflechtung. Sie hat weitrei-
chende Veränderungen der nationalen wie internationalen Politik zur Folge.
Die Globalisierung bietet große Chancen und Möglichkeiten. Sie verspricht
Wohlstand und Stabilität. Ihre Vorteile sind jedoch heute sehr ungleich ver-
teilt. Zunehmend werden Probleme und Missstände deutlich, die mit globali-
sierten Wirtschafts- und Stoffströmen und universellen Konsummustern in

Drucksache 14/9052 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Verbindung gebracht werden. Eine fehlgeleitete Globalisierung missachtet
die Grenzen der Belastbarkeit von Mensch und Natur, obwohl die Zeit seit
Rio auch eine Phase wichtiger globaler Lernprozesse für nachhaltige Ent-
wicklung war. Kritik und Widerstand an einer entfesselten Globalisierung
sind gewachsen und Gegenbewegungen entstanden. Mit einer globalen Um-
weltpolitik ist auch ein Wettbewerb um innovative Umweltschutzpolitik, die
Verbreitung von moderneren Umweltschutztechnologien und die weltweite
Anpassung von Umweltschutzstandards auf einem höheren Niveau verbun-
den.
Dennoch: Die Ungleichgewichte nehmen zu. Die Verschärfung des Wett-
bewerbs hat die Tendenzen zu einem Sozial- und Umweltdumping in eini-
gen Ländern eher befördert als verringert. Durch die schweren Finanzkrisen
der neunziger Jahre sind in einigen Ländern die Entwicklungserfolge teil-
weise rückgängig gemacht worden. Die zunehmende Orientierung auf kurz-
fristige Renditen haben die Krisenanfälligkeit einzelner Branchen, Länder
und Regionen verstärkt, was insgesamt nicht ohne Folgen für die Stabilität
ganzer Volkswirtschaften geblieben ist.

3. Grundlegende politische Reformen sind notwendig, um Fortschritte zu einer
global nachhaltigen Entwicklung zu erzielen. Wesentliche Elemente sind
eine faire internationale Finanzordnung, gerechter Marktzugang für Ent-
wicklungsländer, eine Offensive für umweltverträgliche Technologien, ein
effektiver Technologietransfer und eine Ausweitung der Partizipation der
Betroffenen an den nationalen und globalen Entscheidungen.
Die Preise für Energie, Landverbrauch und Rohstoffe müssen zukünftig die
„ökologische Wahrheit sagen“. Staatliches Handeln muss sich konsequent
am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung orientieren. Dies gilt in besonde-
rem Maße für die Finanz- und Haushaltspolitik. Mit der Einführung der
Ökologischen Steuerreform und der beschlossenen Lkw-Maut auf Autobah-
nen haben wir einen ersten wichtigen Schritt hin zu einer Einbeziehung von
Natur und Umwelt in unser Steuersystem geschafft. Das gesamte Steuer-
und Abgabensystem muss schrittweise nach ökologischen Kriterien refor-
miert werden, um finanzielle Anreize für umweltfreundliches Produzieren
und Konsumieren zu schaffen und die Umweltbelastung zu verringern. Die-
ser Prozess muss sozialverträglich erfolgen und für die Wirtschaft berechen-
bar organisiert werden.
Im weltweiten bzw. regionalen Kontext gilt es kreative Wege zu beschreiten,
durch die negative Auswirkungen auf Finanzsysteme und Umwelt bekämpft
und zugleich Mittel für die Bewältigung internationaler Herausforderungen
– namentlich, wie vomWBGU vorgeschlagen, zur Finanzierung globaler öf-
fentlicher Güter – aufgebracht werden können. Auf europäischer Ebene wird
eine einheitliche Besteuerung von Energie angestrebt, auf globaler Ebene
sollte die Einführung von zweckgebundenen Nutzungsentgelten für den
Flug- und/oder Schiffsverkehr auf die Agenda gesetzt werden, wie dies der
Bundestag in der Vergangenheit einmütig gefordert hat.
Die Globalisierung politisch, ökologisch und sozial zu gestalten ist die zen-
trale Aufgabe des 21. Jahrhunderts. Das Tempo der Globalisierung von Poli-
tik und Rechtsstaatlichkeit muss dem der Wirtschaft angepasst werden. Da-
bei sollte die EU eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung sozialer und
ökologischer Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung spie-
len.
Im Dezember 2000 hat die 55. Generalversammlung der Vereinten Nationen
die Einberufung eines „Weltgipfels für Nachhaltige Entwicklung“ für das
Jahr 2002 beschlossen. Diese Konferenz wird vom 26. August bis zum
4. September 2002 in Johannesburg stattfinden. Sie ist eine Chance, die Zu-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/9052

sammenarbeit auf internationaler Ebene zu vertiefen und ein Mindestmaß an
internationaler Harmonisierung im Sinne der Nachhaltigkeit zu erreichen.
Die Bundesregierung ist aufgefordert, auf nationaler, europäischer und inter-
nationaler Ebene für substanzielle Fortschritte auf dem Weg zu einer nach-
haltigen Entwicklung einzutreten und damit ihrer internationalen Verantwor-
tung umfassend gerecht zu werden.
Von Johannesburg muss das Signal für eine „globale Partnerschaft“ zwi-
schen Nord und Süd ausgehen. Nur Zugeständnisse auf beiden Seiten kön-
nen zu einem Erfolg führen: Der Norden muss stärker als bisher umweltpoli-
tische und soziale Verantwortung übernehmen und Abkommen erzielen, in
denen sich der Süden als gleichberechtigter Partner mit seinen Identitäten
und Traditionen wiederfindet. Der Süden muss bereit sein, neue nachhaltige
Wege zu gehen und gleichsam mehr Verantwortung für die Bewältigung der
globalen Probleme übernehmen. In Rio wurde für diese Ziele die Agenda 21
formuliert. In Johannesburg muss es nun um die praktische Verwirklichung
dieser Ziele gehen.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt,
dass die Bundesregierung verstärkt das Prinzip der Nachhaltigkeit zur Leitlinie
ihrer nationalen und internationalen Politik macht:
l Die beim Weltgipfel von Rio de Janeiro 1992 eingegangene und bei der

19. Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen
(„Rio+5“) bekräftigte Verpflichtung, eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie
zu erarbeiten, ist eingelöst worden.

l Die Bundesregierung erfüllt die Verpflichtungen aus dem Kioto-Protokoll
und hat den Beitrag Deutschlands zum Inkrafttreten des Protokolls sicherge-
stellt, indem die Ratifikation durch den Deutschen Bundestag soeben erfolgt
ist. Der Ratifikation durch die Europäische Union steht ebenfalls nicht mehr
im Wege. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben diese zeitge-
recht mit dem Beschluss des Umweltministerrates zum 1. Juni 2002 zugesi-
chert.

l Ein anspruchsvolles Nationales Klimaschutzprogramm ist verabschiedet.
Mit der Umsetzung wird es gelingen, die Verpflichtungen aus dem EU-wei-
ten „burden sharing“ und das schwierige, aber erreichbare nationale Klima-
schutzziel einer CO2-Reduktion um 25 % bis zum Jahr 2005 zu erfüllen.Dieses Ziel wird erreicht mit einem Mix aus staatlichen Fördermaßnahmen,
ordnungsrechtlichen Vorgaben und eigenverantwortlichen privatwirtschaftli-
chen Innovationen.

l Die Neuordnung der nationalen Energiepolitik wurde eingeleitet: Atomaus-
stieg, Energieeinsparverordnung, Erneuerbare Energien-Gesetz, Kraft-
Wärme-Kopplungsgesetz, Ökologische Steuerreform, Förderung hocheffizi-
enter Gas- und Dampfkraftwerke, Marktanreizprogramm für erneuerbare
Energien, 100 000 Dächer-Solarstromprogramm, Investitionshilfen für
Energieeffizienz bei der Modernisierung und dem Neubau von Wohnungen
– diese Gesetze und Programme markieren den Kurs der energiepolitischen
Erneuerung. Im liberalisierten europäischen Energiemarkt müssen die Be-
dingungen für einen chancengleichen und fairen Wettbewerb geschaffen
werden. Die Internationalisierung der Märkte für Strom und Gas erfordert
die Erweiterung der Perspektiven der deutschen Energiepolitik.

l Im Verkehrssektor sind mit der noch andauernden Überprüfung des Bundes-
verkehrswegeplans unter Hinzufügung ökologischer Kriterien, der insbeson-
dere im Verkehrssektor ansetzenden Ökosteuer, mit der eingeleiteten Bahn-
modernisierung und dem Masterplan „FahrRad“, der vorgesehenen Lkw-

Drucksache 14/9052 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Maut auf Autobahnen sowie der Einführung einer verkehrsmittelunabhängi-
gen Entfernungspauschale erste Schritte für einen Strukturwandel gegangen
worden. Auf diesemWege gilt es fortzufahren. Trotz erheblicher technologi-
scher Innovationen ist der Energieverbrauch im Verkehr noch zu hoch.

l Der Deutsche Bundestag begrüßt die im Bereich von Bildung und For-
schung erzielten Fortschritte bei der Neuausrichtung am Leitbild einer nach-
haltigen Entwicklung. Mit neuen Forschungsprogrammen und mit neuen
Modellvorhaben, wie dem BLK-Programm „Bildung für eine Nachhaltige
Entwicklung“, sind wichtige Ansätze für eine disziplinenübergreifende Bil-
dungs- und Forschungspolitik auf den Weg gebracht worden.

l Die Wohnungs- und Städtebaupolitik hat sich dem Leitbild der Nachhaltig-
keit verpflichtet. Das Programm „Soziale Stadt“, das Stadtumbauprogramm
Ost sind richtungsweisend. Große Reformwerke wie die Wohngeldreform,
das Gesetz zur Sozialen Wohnraumförderung bis hin zur Mietrechtsreform
sind umgesetzt. Nachhaltiges Bauen wird mit der Einführung der Energie-
einsparverordnung im Neubau und im Bestand zum Standard. Mit den von
der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Geldern in Höhe von einer
Milliarde Euro für ein umfassendes CO2-Modernisierungsprogramm im Alt-bau können in den nächsten Jahren rund 330 000 Wohnungen energetisch
saniert werden.

l Mit der Neuorientierung der Agrarpolitik wurde den Zielen vorbeugender
Verbraucherschutz, Qualitätssicherung und Nachhaltigkeit die notwendige
Richtung vorgegeben. Fundament der neuen Agrarpolitik ist eine Landbe-
wirtschaftung, die den Ansprüchen des Marktes und der Verbraucher gerecht
wird und die multifunktionale Rolle der Landwirtschaft im ländlichen Raum
anerkennt und honoriert. Exemplarisch sind folgende Bereiche zu nennen:
Die Stärkung des ökologischen Landbaus, die Neuorientierung der Politik
für die konventionelle Landwirtschaft im Hinblick auf eine umweltgerechte
Produktion, eine artgerechte und flächengebundene Tierhaltung und die
Neuausrichtung der Förderpolitik an den Prinzipien der Nachhaltigkeit und
zur Entwicklung lebenswerter ländlicher Regionen, insbesondere auch
durch die Unterstützung alternativer Einkommensquellen im ländlichen
Raum, zum Beispiel im Bereich Nachwachsende Rohstoffe/Erneuerbare
Energien.

l Auch auf europäischer Ebene setzt sich die Bundesregierung mit Nachdruck
für eine anspruchsvolle Politik der ökologischen Modernisierung und Inno-
vation ein. Sie unterstützt die Umsetzung der Vorschläge der Europäischen
Kommission zu einer Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie. Die Be-
schlüsse für eine nachhaltige Entwicklung in Europa, sollen künftig die
Leitlinie für die Entscheidungen von Europäischem Rat und Kommission
werden.

l Die Bundesregierung hat das nationale Aktionsprogramm „Armutsbe-
kämpfung – eine globale Aufgabe“ erarbeitet. Damit steht erstmals in der
Geschichte der Bundesrepublik die Bekämpfung der weltweiten Armut auf
der Tagesordnung für die gesamte Bundesregierung.

l Die Bundesregierung hat Initiativen zur Bewältigung von Krisen um Was-
serressourcen ergriffen. Einen erfolgversprechenden Weg sieht sie darin, den
Dialog mit den Partnerländern mit konkreten regionalen Entwicklungsvor-
haben zu verknüpfen. Dieser Ansatz war auch die Grundlage der Internatio-
nalen Süßwasserkonferenz, die im Dezember 2001 in Bonn unter dem Motto
„Wasser – ein Schlüssel zur nachhaltigen Entwicklung“ ausgerichtet wurde.
Die Konferenz hat ihre Handlungsempfehlungen dem Weltgipfel in Johan-
nesburg zur weiteren Beratung übergeben.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/9052

l Die Bundesregierung hat sich zuletzt auf der 6. Vertragsstaatenkonferenz
zum Übereinkommen über die Biologische Vielfalt und im Rahmen des
UNFF für den Schutz der letzten großen Urwaldgebiete eingesetzt und ihre
Zusagen für Projekte zum Schutz der Tropenwälder und für die Nutzung er-
neuerbarer Energiequellen umgesetzt.

l Die Bundesregierung hat aktiv am Cartagena-Protokoll über biologische Si-
cherheit mitgewirkt, das die Gleichrangigkeit von Umwelt- und wirtschaftli-
chen Belangen in einem völkerrechtlich bindenden Abkommen festschreibt
und dem Vorsorgeprinzip weltweit Geltung verschafft. Deutschland hat als
erstes Land weltweit mit einer Initiative für die Entwicklungsländer zur Um-
setzung des Protokolls begonnen. Die Umsetzung der Konvention zur Be-
kämpfung der Desertifikation (Wüstenbildung) wurde vorangebracht.

Der Deutsche Bundestag unterstreicht die besondere Bedeutung der vielfältigen
Aktivitäten auf lokaler und regionaler Ebene für eine nachhaltige Entwicklung.
Die zahlreichen Gemeinden und Regionen in Deutschland, die zum Teil seit
vielen Jahren an der lokalen Agenda 21 arbeiten, sind eine wichtige Basis für
eine erfolgreiche Nachhaltigkeitspolitik in Deutschland. Die Bundesregierung
unterstützt die lokalen Aktivitäten durch eine bundesweite Servicestelle für die
Lokale Agenda 21 in Bonn.
Der Deutsche Bundestag begrüßt die zunehmende Bereitschaft der deutschen
Wirtschaft, eine nachhaltige Entwicklung zum Leitprinzip der Unternehmens-
führung zu machen. Nachhaltige Unternehmenspolitik nutzt die Chancen und
Innovationspotenziale, die eine Ausrichtung an diesem Leitbild eröffnet.
Hierzu zählt z. B. die Mitwirkung an der Initiative zur Stärkung von Umwelt-
schutz bei Auslandsdirektinvestitionen. Der Deutsche Bundestag ist zuversicht-
lich, dass vorbildliche Ansätze auf eine immer breitere Resonanz in der deut-
schen Wirtschaft stoßen.
III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:
Der Deutsche Bundestag sieht im Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in
Johannesburg im September 2002 eine große Chance, der beim Erdgipfel in
Rio de Janeiro begonnenen Neuorientierung hin zu einer Weltinnenpolitik zum
Durchbruch zu verhelfen und mit neuen Initiativen zu einer global verantworte-
ten Politik Maßstäbe für das 21. Jahrhundert zu setzen. Er unterstützt die Bun-
desregierung in dem Ziel, im Kontext der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
der globalen Verantwortung der Bundesrepublik auch weiterhin Rechnung zu
tragen.
1. In den vorrangigen Handlungsfeldern, die auch im Rat für nachhaltige

Entwicklung behandelt werden, „Klimaschutz und Energiepolitik“, „Um-
weltgerechte Mobilität“ und „Umwelt, Gesundheit und Ernährung“ ist es
notwendig, Gestaltungsperspektiven aufzuzeigen, die über den nationalen
Rahmen hinausreichen. Dabei müssen für die nationale Umsetzung wirk-
same Maßnahmen sowie konkrete Ziele festgelegt werden, die in absehba-
rem Zeitraum erfüllt werden können. Auf diesem Wege gehen Impulse für
die internationale Diskussion bzw. die Strategien anderer Staaten aus.

2. Bei den nächsten Tagungen des Europäischen Rates ist die Bundesregierung
aufgefordert, sich für die Konkretisierung und Weiterentwicklung der euro-
päischen Nachhaltigkeitsstrategie einzusetzen. Dabei wird es mit Blick auf
den Weltgipfel von Johannesburg insbesondere darauf ankommen, die glo-
bale Dimension der EU-Politik für eine Nachhaltige Entwicklung stärker he-
rauszuarbeiten, um der Zielperspektive einer gegenseitigen Unterstützung
von internationaler Handels- und Umweltpolitik näherzukommen. Die deut-
sche und europäische Nachhaltigkeitsstrategie sind dabei miteinander zu
verzahnen.

Drucksache 14/9052 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

3. In Verbindung mit den Anstrengungen zur Umsetzung des Nationalen Kli-
maschutzprogrammes wird die Bundesregierung aufgefordert, zur Errei-
chung der klimapolitischen Ziele in den anderen europäischen Mitgliedstaa-
ten für eine Intensivierung ihrer Klimaschutzpolitik zu werben. Sie soll
darüber hinaus ihre Anstrengungen für das rechtzeitige Inkrafttreten des Ki-
oto-Protokolls bis zum Beginn der Konferenz von Johannesburg fortsetzen
und sich insbesondere für die Ratifizierung durch andere wichtige Staaten
wie Russland und Japan einsetzen. Die diplomatischen Bemühungen, die
USA zu einer konstruktiven Position für die weiteren Verhandlungen zu be-
wegen, sind ebenfalls fortzusetzen. Langfristiger globaler Klimaschutz ist
ohne die USA nicht denkbar.

4. Nationale bzw. in allen Mitgliedsstaaten der EU bestehende Klimaschutz-
ziele sollen in Zukunft explizit die Nutzung der projektbezogenen Mecha-
nismen des Kioto-Protokolls (Clean Development Mechanism mit
Entwicklungsländern und Joint Implementation mit Transformationslän-
dern) berücksichtigen, um die wirtschafts- und entwicklungspolitische so-
wie technologische Zusammenarbeit im Bereich nachhaltiger Entwicklung
mit diesen Ländern und mit der Privatwirtschaft zu stärken. Der Emissions-
handel ist ein interessantes ökonomisches Instrument, um im nationalen
bzw. im europäischen Kontext den Klimaschutz voranzubringen. Hierbei
müssen die Vorleistungen bei der CO2-Reduktion berücksichtigt werden.

5. Um Tendenzen einer Aushöhlung parlamentarischer Kompetenzen durch die
Verlagerung von politischen Entscheidungen auf supranationale Ebenen ent-
gegenzuwirken, wird die Bundesregierung aufgefordert, sich auf allen Ent-
scheidungsebenen für eine stärkere Einbeziehung der Parlamente einzu-
setzen.

6. Die deutsche Außenwirtschaftsförderung (Ausfuhren und Investitionen) ist
nach ökologischen Kriterien zu modernisieren und insbesondere zukunftsfä-
hige Technologien (z. B. Erneuerbare Energien) und der Mittelstand sind zu
fördern. Umweltschädliche Projekte sollen durch ein verbindliches und
transparentes Prüfverfahren auf der Grundlage von Weltbankkriterien früh-
zeitig identifiziert und nicht durch öffentliche Mittel oder Deckungen unter-
stützt werden.

7. Die Neuorientierung der Politik für die Landwirtschaft und den ländlichen
Raum kann nur gelingen, wenn auch auf europäischer Ebene substanzielle
Fortschritte in Richtung weiterer Reformen erreicht werden. Agrarsubven-
tionen sollen noch stärker von der Produktion entkoppelt und für eine nach-
haltige Entwicklung des ländlichen Raumes umgeschichtet werden.
Darüber hinaus hält der Deutsche Bundestag im Vorfeld der Konferenz von
Johannesburg folgende Maßnahmen für dringlich und bittet die Bundesre-
gierung, diese im Rahmen der finanzpolitischen Leitlinien einzuleiten, um-
zusetzen und zu fördern:

8. Breite Veröffentlichung und Debatte der Nationalen Nachhaltigkeitsstrate-
gie, in der ambitionierte, mittel- und langfristige Ziele formuliert sind. Im
Antrag der Koalitionen „Nachhaltige Entwicklung – neuer Gestaltungsan-
satz für die Globalisierung“ sind die wesentlichen Schwerpunkte für eine
Modernisierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft und die zu berück-
sichtigenden Aspekte bis zur Vorlage des ersten Fortschrittsberichtes formu-
liert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/9052

9. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, weitere natio-
nale Klimaschutzziele zu formulieren. Der Deutsche Bundestag verweist
als Grundlage in diesem Zusammenhang auf die Schlussfolgerungen der
Klimaenquetekommissionen, die für die Industriestaaten weitere Minde-
rungen der Treibhausgasemissionen als notwendig ansehen. Die dort for-
mulierte Zielvorstellung einer Reduktion der CO2-Emissionen um 40 % bis2020 gegenüber 1990 ist durch die Empfehlungen des Rates für Nachhal-
tige Entwicklung der Bundesregierung, des Wissenschaftlichen Beirates für
globale Umweltfragen und des Sachverständigenrates für Umweltfragen
jüngst noch einmal bekräftigt worden. Das setzt allerdings voraus, dass es
auch innerhalb der EU zu der angekündigten Weiterentwicklung der Klima-
schutzpolitik kommt.

10. Nach der Verabschiedung der „Bonner Leitlinien“ für „Zugang zu geneti-
schen Ressourcen und gerechten Vorteilsausgleich“ auf der Vertragsstaa-
tenkonferenz der Biodiversitätskonvention 2002 in Den Haag und auf der
Basis des Vertrags über Pflanzengenetische Ressourcen muss die Umset-
zung dieser und weiterer bereits erzielter Ergebnisse zur Konkretisierung
des Protokolls vorangetrieben werden. Die Voraussetzungen für eine Ratifi-
kation des Cartagena-Protokolls über die biologische Sicherheit (Biosafety-
Protocol), dessen Text im Januar 2000 in Montreal angenommen wurde,
müssen umgehend geschaffen werden.

11. Die konsequente Verankerung des Vorsorgeprinzips, der Gefährdungshaf-
tung und der Versicherungspflicht von ökologischen Risiken in internatio-
nalen Rechtsinstrumenten. Als Modelle können das Cartagena-Protokoll,
das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden
Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung und das Stockhol-
mer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe (POPs, per-
sistent organic pollutants) gelten.

12. Zügige Ratifizierung der Aarhus-Konvention (UN-ECE-Übereinkommen
über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Ent-
scheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegen-
heiten) durch die Bundesrepublik Deutschland. Die Konvention ist nach
der Ratifikation durch Estland als 16. Mitgliedsstaat nun in Kraft getreten.
Durch das Artikelgesetz (Anpassung des Umweltinformationsgesetzes und
Stärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung in Genehmigungsverfahren) und
die Einführung der Verbandsklage in das Bundesnaturschutzgesetz gibt es
erste Schritte für eine Ratifizierung. Dieser Prozess muss fortgesetzt und
beschleunigt werden.

13. Die Bundesregierung wird entsprechend der Beschlüsse des Europäischen
Rates in Göteborg und Laeken gebeten, eine Steigerung der Mittel für öf-
fentliche Entwicklungsfinanzierung auf mindestens 0,33 Prozent des Brut-
tosozialproduktes bis 2006 durch jährliche Erhöhungen umzusetzen und
noch vor dem Weltgipfel in Johannesburg konkrete Schritte in diese Rich-
tung zu tun. Des Weiteren soll der VN-Zielwert von 0,7 Prozent des Brutto-
sozialprodukts über Zwischenziele so rasch wie möglich erreicht werden.
Hierfür können auch neue Instrumente der Finanzierung und des Schul-
denerlasses einbezogen werden.

14. Fortentwicklung der Initiativen für Nachhaltigkeit und Armutsbekämpfung
und Umsetzung des Programms „Armutsbekämpfung – eine globale Auf-
gabe“. Das Ziel bleibt die Halbierung des Anteils der Menschen in der
Welt, die von weniger als einem Dollar am Tag leben müssen, bis zum
Jahre 2015. Dieses Ziel kann nur partnerschaftlich verwirklicht werden:
Die Entwicklungsländer selbst müssen ihre Politik verstärkt auf Armutsbe-
kämpfung ausrichten, die Industriestaaten müssen ihren Verpflichtungen
gerecht werden und abgestimmt handeln.

Drucksache 14/9052 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

15. Eine deutsche Initiative für eine technologische Offensive und Technolo-
gietransfer für nachhaltige Technologien, Management- und Finanzie-
rungsinstrumente in die Entwicklungsländer, insbesondere zur Erhöhung
der Energie- und Ressourcenproduktivität. In diesem Rahmen wird auch
der von der Privatwirtschaft angekündigte internationale Katalog von ge-
lungenen Beispielen der nachhaltigen Entwicklung begrüßt. Die deutsche
Exportinitiative Erneuerbare Energien ist ein guter Beitrag dafür, dass deut-
sche Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien wesentlich stärker
als bisher global zum Einsatz kommen.

16. In den nun einzuleitenden dreijährigen Welthandelsverhandlungen über Re-
geln für den weltweiten Austausch von Waren und Dienstleistungen sowie
für den Schutz des geistigen Eigentums müssen die Beratungen im Agrar-
bereich (Verbesserungen des Marktzugangs, weiterer Abbau der
Exportsubventionen mit dem Ziel des Auslaufens und Reduzierung han-
delsverzerrender interner Stützung) unter Einschluss spezifischer Regelun-
gen für Entwicklungsländer zügig angegangen werden, um den Abschluss
zu dem in Doha vereinbarten Termin am 1. Januar 2005 sicherzustellen.
Die Berücksichtigung des Umwelt- und Verbraucherschutzes und von
grundlegenden sozialen Arbeitnehmerrechten sowie eine bessere Überein-
stimmung der WTO-Regeln mit internationalen Umweltschutzabkommen
müssen durchgesetzt und sichergestellt werden. Die Entwicklungsländer
benötigen juristische Unterstützung in den für sie schwierigen Verhandlun-
gen über Investitions- und Wettbewerbsrechte. Sie können vom Norden ein
faires Verhalten bei der Marktöffnung verlangen.

17. Bei der Grünen Gentechnik haben der vorsorgende Verbraucherschutz und
der Schutz der natürlichen Umwelt vor möglichen schädlichen Auswirkun-
gen oberste Priorität. Als Maßstab für Sicherheitsbewertung, Zulassung
und Einsatz in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion muss gelten,
welchen Beitrag sie zu einer nachhaltigen Produktionsweise leisten kann.
Eine umfassende, eindeutige Kennzeichnung gentechnisch veränderter Pro-
dukte muss deren Rückverfolgbarkeit, Transparenz und Wahlfreiheit für die
Verbraucher gewährleisten. Im Zusammenhang mit dem Schutz biotechno-
logischer Erfindungen muss für eine nachhaltige Entwicklung rechtlich ge-
sichert sein, dass Patente nur erteilt werden, wenn unsere natürlichen Le-
bensgrundlagen der Allgemeinheit zugänglich bleiben und nicht in die
Verfügungsgewalt Einzelner geraten.

Die Bundesregierung wird gebeten, auf der Konferenz in Johannesburg fol-
gende Schwerpunkte zu vertreten und sich für eine entsprechende Beschluss-
fassung einzusetzen:
18. Zügige Aufwertung der für Umwelt und Nachhaltige Entwicklung zu-

ständigen Gremien der Vereinten Nationen. Der Weltgipfel für Nachhaltige
Entwicklung muss zum Ausgangspunkt für die Stärkung und finanziell bes-
sere Absicherung von UNEP in Nairobi werden. Bis zur Erreichung des
Ziels, das Umweltprogramm mit der Perspektive zu stärken, es zu einer
globalen Umweltorganisation (GEO) bzw. zu einer Umweltorganisation der
Vereinten Nationen (UNED) fortzuentwickeln, sollte das globale Minister-
forum Umwelt (Global Ministerial Environment Forum – GMEF) eine An-
triebs- und Koordinierungsfunktion für den globalen Umweltschutz erhal-
ten. Dabei ist die Selbständigkeit der bestehenden VN-Einrichtungen und
der multilateralen Umweltabkommen zu wahren. Im Zusammenhang damit
steht eine Stärkung der internationalen Governance-Strukturen für die
Nachhaltige Entwicklung, einschließlich eines Ausbaus der angemessenen
Vertretung von Nicht-Regierungsorganisationen im Institutionengefüge der
Vereinten Nationen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/9052

19. Entwicklung neuer Finanzinstrumente, die einen Beitrag zur Lösung inter-
nationaler Umwelt- und Entwicklungsprobleme leisten können: Dazu sollte
die weltweite Einführung von Entgelten auf die Nutzung globaler Umwelt-
güter durch die EU sowie andere Industrie- und Entwicklungsländer und
Verwendung der Mittel zum Schutz dieser globalen Umweltgüter durch
Maßnahmen in Entwicklungsländern geprüft werden. Auch die Einführung
einer Devisenumsatzsteuer sollte in einem offenen und transparenten Ver-
fahren auf der Ebene der EU und im Kontext der Weltwirtschaft geprüft
werden. Die Bundesregierung ist aufgefordert, sich bei positiven Ergebnis-
sen für eine international koordinierte Einführung einzusetzen.

20. Die Bundesregierung wird gebeten, innerhalb der internationalen Staaten-
gemeinschaft und im Rahmen der finanzpolitischen Leitlinien für eine an-
gemessene Finanzausstattung der Globalen Umweltfazilität (GEF) einzu-
treten, damit diese ihren Aufgaben gerecht werden kann.

21. Entwicklung einer globalen Energiestrategie zur sparsamen und effizienten
Nutzung von Energie sowie der Förderung und Stärkung erneuerbarer En-
ergien, in der das Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung bestimmend ist.
Subventionen für ökologisch nicht nachhaltige Technologien, und dazu ge-
hört auch die Atomenergie, müssen durch Anreizsysteme zur Entwicklung
und Nutzung energieeffizienter und nichtfossiler Technologien abgelöst
werden. Zur Verringerung der Informationsdefizite ist eine internationale
Ausweitung und Vernetzung der Energieberatung sinnvoll. Der Deutsche
Bundestag bittet die Bundesregierung, sich in Abstimmung mit den EU-
Mitgliedsstaaten für die Gründung einer internationalen Institution für die
Förderung und Beratung zur Energieeffizienz und der erneuerbaren Ener-
giequellen einzusetzen.

22. Aufwertung der 1992 in Rio geforderten Walderklärung zu einemWaldpro-
tokoll zur Biodiversitätskonvention mit dem Ziel, so rasch wie möglich
einen global wirksamen Schutz der Wälder, insbesondere der artenreichen
tropischen Regenwälder und der borealen Waldflächen der nördlichen
Halbkugel zu erreichen.

23. Verstärkung der Anstrengungen bei der Sicherung der Grundversorgung
der Menschheit, insbesondere von Wasser für die ärmsten Teile der Weltbe-
völkerung. Aufgrund fortschreitender globaler Umweltveränderungen, die
besonders die Entwicklungsländer mit ihren geringen Bewältigungskapazi-
täten treffen, spitzen sich die Probleme zu. Daher bedarf es einer Stärkung
der Kapazitäten und Finanzressourcen, um die Empfehlung der Bonner
Wasserkonferenz und die Ziele der Agenda 21 sowie des Milleniums-Gip-
fels zu erreichen.

24. Aufgreifen der globalen Bedrohung der Landressourcen, da sie Basis für
eine sichere und nachhaltige Welternährungspolitik sind. Diese erfordert,
dass der Trend zur Verschlechterung und zum Verlust von Böden gebro-
chen und den Menschen eine nachhaltige Landnutzung ermöglicht wird.

25. Im Rahmen des Vorbereitungsprozesses für den Weltgipfel zeichnet sich als
möglicher Konsens der Staatengemeinschaft ab, die Stärkung der VN-
Strukturen für die Nachhaltige Entwicklung im Rahmen einer Reform der
bestehenden Strukturen; insbesondere von ECOSOC und CSD, zu verfol-
gen. Im Rahmen der zz. diskutierten Überlegungen sollte auch die Einset-
zung einer Welt-Kommission „Nachhaltigkeit und Globalisierung“ durch
die Vereinten Nationen geprüft werden. Aufbauend auf der von Gro Harlem
Brundtland geleiteten „World Commission on Environment and Develop-
ment“ und dem 1987 von der Kommission vorgelegten Brundtland-Report
könnte eine neue Welt-Kommission sowohl den Nord-Süd-Dialog als auch
die Themen Nachhaltigkeit und Globalisierung verbinden und neue Hand-

Drucksache 14/9052 – 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
lungsspielräume und Politikmuster ausloten, die ein Mehr an Demokratie,
Mitgestaltung und Partizipation und dabei auch ein Mehr an Verantwortung
und Verantwortlichkeit bedeuten können. Nachhaltigkeit und Globalisie-
rung sind die zwei zentralen Herausforderungen des neuen Jahrhunderts,
die nicht losgelöst von einander behandelt werden dürfen.

Berlin, den 15. Mai 2002
Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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