BT-Drucksache 14/7327

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -14/5429, 14/7279- Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung

Vom 7. November 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7327
14. Wahlperiode 07. 11. 2001

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Petra Bläss, Monika Balt, Roland Claus, Dr. Heinrich Fink,
Dr. Ruth Fuchs, Wolfgang Gehrcke, Dr. Klaus Grehn, Dr. Barbara Höll, Ulla Jelpke,
Dr. Evelyn Kenzler, Dr. Heidi Knake-Werner, Pia Maier, Petra Pau und der
Fraktion der PDS

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 14/5429, 14/7279 –

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes
bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung
der Ehewohnung bei Trennung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Nach jahrzehntelangen Kämpfen für den Schutz von Frauen gegen Gewalt wird
dieses Gesetz ein Instrument sein, Menschen in ihren eigenen vier Wänden bes-
ser vor der Gewalt ihrer Partner/Partnerinnen zu schützen. Mit der Wegweisung
des Täters/der Täterin aus der gemeinsamen Wohnung wird aber auch gesell-
schaftlich anerkannt, dass es sich bei Gewaltanwendungen im häuslichen Be-
reich nicht um Familienstreitigkeiten handelt, die niemanden etwas angehen.
Ein jahrhundertealtes Tabu wird gebrochen, das es insbesondere gewalttätigen
Männern ermöglichte, zum Teil über Jahre und Jahrzehnte hinweg Gewalt aus-
zuüben, ohne dass es für sie Folgen gehabt hätte. Mit den spürbaren Folgen, die
eine Wegweisung aus einer gemeinsamen Wohnung für einen Menschen bedeu-
tet, und dem Schutz, den das Opfer erhalten kann, ist die Hoffnung verbunden,
dass immer mehr Frauen den Mut finden werden, sich gegen Gewalttäter zur
Wehr zu setzen und ihr Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit
einzufordern. In diesem Sinne handelt es sich um ein wichtiges Gesetz, das
jedoch in einzelnen Punkten noch der Verbesserung und Ergänzung bedarf.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
besonders die folgenden Teile des Gesetzes in der Praxis kritisch zu überprüfen
und dem Deutschen Bundestag notwendige Änderungsvorschläge zu unter-
breiten:
1. Anstelle der „vorsätzlichen Verletzung“ sollen die gerichtlichen Maßnah-

men auch schon bei der „erheblichen Beeinträchtigung“ der Schutzgüter
greifen. Die vorsätzliche Verletzung als Tatbestand reicht nicht aus. Selbst
wenn Übergriffe unter Alkoholeinfluss berücksichtig sind, kann dies in Ein-

Drucksache 14/7327 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

zelfällen zu einem Streit darüber führen, wann Gewalt zulässig ist und wann
nicht. Überdies ist es dem Opfer gleichgültig, ob es vorsätzlich oder im Af-
fekt angegriffen wurde.

2. Neben der physischen Gewalt muss auch psychische Gewalt als Grund für
eine Wegweisung eines Täters oder einer Täterin in das Gesetz mit aufge-
nommen werden. Nicht nur körperliche, sondern auch psychische Gewalt
kann das Zusammenleben mit einem Menschen unerträglich werden lassen
und langfristig zu schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden führen.

3. Die Frist, die dem Opfer gestellt wird, um die Überlassung der Wohnung
von dem Täter/der Täterin schriftlich zu verlangen, soll von drei auf sechs
Monate verlängert werden. Bei besonderer Belastung des Opfers können die
drei Monate zu kurz sein. Dies kann sowohl bei körperlichen Verletzungen
der Fall sein wie auch bei psychischen Belastungen, die beispielsweise bei
jahrelangen Gewaltbeziehungen nach deren Auflösung in besonderem Maße
die Handlungsfähigkeit eines Opfers beschränken können.

4. Dem Kindeswohl muss ein besonderes Gewicht beigemessen werden und ist
auch bei einer Verlängerung der Wohnungsüberlassung zu berücksichtigen.
Diese muss gewährt werden, wenn dem Kind oder den Kindern das weitere
Zusammenleben mit dem Täter oder der Täterin nicht zuzumuten ist. Eben-
falls müssen Möglichkeiten eingeräumt werden, die es Kindern ermögli-
chen, die Wegweisung eines Täters oder einer Täterin selbständig zu bean-
tragen. Die Anpassung des Kindschaftsrechtes ist vorzunehmen.

5. Die Last, eine neue Wohnung zu suchen, sollte in der Regel dem Täter/der
Täterin und nicht dem Opfer auferlegt werden. Der Täter/die Täterin muss
sich dauerhaft eine neue Wohnung suchen, wenn ein Mietvertrag vorliegt –
es sei denn, die bedrohte oder verletzte Person entscheidet sich selbst für
einen Umzug oder es liegen schwerwiegende Gründe vor, warum der Täter/
die Täterin in die Wohnung zurückkehren muss. Wenn der bedrohten oder
verletzten Person zusammen mit dem Täter/der Täterin – oder wenn dem
Täter/der Täterin allein – das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nieß-
brauch an einem Grundstück, auf dem die Wohnung steht, zusteht, ist dieser/
diese verpflichtet, die Kosten für die Wohnungssuche und den Umzug zu
tragen.

6. Verstöße gegen das Rückkehrverbot und gegen eine Belästigung durch
Nachstellung oder die Verwendung von Fernkommunikationsmitteln sollten
unter Strafe gestellt werden.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung ferner dazu auf, sich bei
den Ländern dafür einzusetzen,
1. dass die Frauenhäuser finanziell abgesichert werden. Sie dürfen nicht durch

die Einrichtung von Interventionsstellen zusätzlich bedroht werden. Es ist
zu erwarten, dass auch mit einem solchen Gesetz viele der rund 45 000
Frauen, die jährlich ins Frauenhaus gehen, auch weiterhin zunächst dort
Schutz und Unterstützung suchen werden. Zum einen braucht es Zeit, bis
das Gesetz bekannt ist und Vertrauen erweckt. Zum anderen wird es auch in
Zukunft Frauen geben, die zwischen sich und dem Ort der Gewalttat Distanz
und Anonymität legen wollen. Außerdem wäre es fahrlässig, auf die Kom-
petenz und Erfahrung der Frauenhaus-Beraterinnen zu verzichten;

2. dass die Polizei- und Sicherheitsgesetze geändert werden. Ziel muss sein,
dass Polizeibeamtinnen und -beamte vor Ort eine Wegweisung des Täters
oder der Täterin vornehmen können. Die Erfahrung aus Österreich hat ge-
zeigt, dass gerade Opfer in langjährigen Gewaltbeziehungen im Moment der
Gewalttat häufig nicht in der Lage sind, sich gegen den Täter (seltener: die

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7327

Täterin) zu wehren und selbständig einen Antrag zu stellen. Eine Weg-
weisung durch die Polizei (bei vorliegenden Beweisen einer erheblichen Be-
drohung oder erfolgter Gewalttat), ermöglicht es der Frau durch Beratung
und Distanz sich innerhalb von zehn Tagen darüber klar zu werden, ob sie
ihrerseits einen Antrag zur Wegweisung stellen will. Andernfalls kann der
Täter in die gemeinsame Wohnung zurückkehren.

Berlin, den 7. November 2001
Roland Claus und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.