BT-Drucksache 14/7098

Au-pairs von der Sozialversicherungspflicht freihalten

Vom 10. Oktober 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7098
14. Wahlperiode 10. 10. 2001

Antrag
der Abgeordneten Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Ina Albowitz,
Monika Balt, Norbert Barthle, Maritta Böttcher, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Roland Claus, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Gisela Frick, Paul K. Friedhoff,
Dr. Ruth Fuchs, Hans-Michael Goldmann, Dr. Klaus Grehn, Manfred Grund,
Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Josef
Hollerith, Birgit Homburger, Siegfried Hornung, Ulrich Irmer, Ulla Jelpke, Sabine
Jünger, Gerhard Jüttemann, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Rolf Kutzmutz, Vera
Lengsfeld, Ina Lenke, Pia Maier, Angela Marquardt, Kersten Naumann, Rosel
Neuhäuser, Günther Friedrich Nolting, Christine Ostrowski, Detlef Parr, Petra Pau,
Cornelia Pieper, Erika Reinhardt, Dr. Günter Rexrodt, Dr. Klaus Rose, Dr. Christian
Ruck, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Erika Schuchardt, Gerhard Schüßler,
Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn, Dr. Max Stadler, Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae, Werner Wittlich, Wolfgang
Zeitlmann, Benno Zierer

Au-pairs von der Sozialversicherungspflicht freihalten

Der Bundestag wolle beschließen:
Au-pair-Aufenthalte werden als wichtiges Kulturgut anerkannt, das dem inter-
nationalen Jugendaustausch und der Verständigung und Kontaktpflege unter
den Nationen dient. Durch die Kinderbetreuung in Privathaushalten fördern
Au-pairs die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Ab Herbst will die Bundesanstalt für Arbeit nahezu alle Au-pair-Aufenthalte
als sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse einstufen. Gastfa-
milien erhalten damit Arbeitgeberstatus, Au-pairs werden Arbeitnehmer. Auf
die Gastfamilien kommen dann monatlich Mehrkosten in Höhe von 450 bis 580
DM für gesetzliche Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung
zu. Nachforderungen an die Gastfamilien ab Januar 2001 sind geplant. Bisher
werden Au-pairs in Höhe von etwa 60 bis 80 DM im Monat privat kranken-,
unfall- und haftpflichtversichert.
Das Sozialgesetzbuch muss deshalb dahin gehend klargestellt werden, dass Au-
pair-Aufenthalte nicht als Beschäftigungsverhältnisse eingestuft werden, son-
dern als Betreuungsverhältnisse besonderer Art. Au-pair-Aufenthalte sind des-
halb grundsätzlich nicht sozialversicherungspflichtig.

Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,
durch eine gesetzliche Regelung die Au-pair-Aufenthalte sozialversicherungs-
frei zu stellen,

Drucksache 14/7098 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

l bei Au-pairs unter 25 Jahren bei einem Aufenthalt bis zu einem Jahr für eine
Beschäftigung in einer Familie, in der von mindestens einem erwachsenen
Familienmitglied Deutsch als Umgangssprache gesprochen wird,

l für leichte Hausarbeiten und bei der Kinderbetreuung bis zu höchstens 5
Stunden täglich bzw. höchstens 30 Stunden wöchentlich,

l ohne Anrechnung geldwerter Leistungen für Verpflegung und Unterkunft
bei Zahlung eines Taschengeldes von derzeit bis zu 400 DM monatlich.

Berlin, den 10. Oktober 2001

Begründung
Das Bundessozialgericht hat in einem Urteil vom 29. Oktober 1969 festgestellt,
dass eine von einem deutschen Au-pair im Ausland bei einer Familie ausgeübte
Halbtagstätigkeit, die ausschließlich dem Zweck dient, die Kenntnisse in der
Sprache des Gastgeberlandes zu verbessern, als ein Betreuungsverhältnis be-
sonderer Art und nicht als Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne der Sozialver-
sicherung anzusehen ist, wenn neben freier Unterkunft und Verpflegung ge-
ringe Barbezüge gewährt werden. Liegt ein Betreuungsverhältnis besonderer
Art im Sinne dieser Rechtsprechung vor, ist die Tätigkeit eines Au-pairs sozial-
versicherungsfrei.

Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Ina Albowitz
Monika Balt
Norbert Barthle
Maritta Böttcher
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Roland Claus
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Dr. Ruth Fuchs
Hans-Michael Goldmann
Dr. Klaus Grehn
Manfred Grund
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Josef Hollerith
Birgit Homburger
Siegfried Hornung
Ulrich Irmer
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Gudrun Kopp

Jürgen Koppelin
Rolf Kutzmutz
Vera Lengsfeld
Ina Lenke
Pia Maier
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Günther Friedrich Nolting
Christine Ostrowski
Detlef Parr
Petra Pau
Cornelia Pieper
Erika Reinhardt
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Klaus Rose
Dr. Christian Ruck
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Erika Schuchardt
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Werner Wittlich
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7098

Im Europäischen Abkommen über Au-pair-Beschäftigung werden Au-pairs als
eine Beschäftigungsgruppe besonderer Art zwischen Studenten und Arbeitneh-
mern definiert. Au-pair-Beschäftigung besteht in der zeitlich begrenzten Auf-
nahme von jungen Ausländern, die ihre Sprachkenntnisse vervollständigen und
ihre Allgemeinbildung durch eine bessere Kenntnis des Gastlandes erweitern
wollen. Dafür werden in den Gastfamilien bestimmte Leistungen erbracht.
Im Vordergrund des Au-pair-Aufenthaltes steht das Anliegen, jungen Men-
schen durch den Aufenthalt in einer Gastfamilie die Möglichkeit zu eröffnen,
andere Länder, Sprachen und Kulturen kennen zu lernen und damit die interna-
tionale Beschäftigung zu fördern. Au-pairs werden als Familienmitglieder auf
Zeit und als Gäste aufgenommen, mit der Möglichkeit, am Familienleben und
am kulturellen Leben teilzunehmen. Sie müssen einen Sprachkurs besuchen
und den Aufenthalt zur Weiterqualifizierung nutzen. Der Umfang der Beschäf-
tigung in den Gastfamilien beschränkt sich auf die Mitwirkung bei der Erfül-
lung der häuslichen Arbeiten, wie sie bei familiärer Arbeitsteilung üblicher-
weise anfallen. Es handelt sich daher nicht um Beschäftigungsverhältnisse im
eigentlichen Sinn des SGB IV.
Etwa 28 000 junge Menschen werden jährlich als Au-pair in eine deutsche oder
ausländische Gastfamilie vermittelt. Nach der bisherigen Praxis prüfen die zu-
ständigen Krankenkassen als Einzugsstelle des Gesamtsozialversicherungsbei-
trags die Voraussetzungen für die Sozialversicherungsfreiheit bzw. Sozialversi-
cherungspflichtigkeit im Einzelfall. Die von der Bundesanstalt für Arbeit
geplante Handhabung dient einzig der Einnahmeverbesserung für die Sozialkas-
sen. Au-pair-Aufenthalte werden dadurch unnötig bürokratisiert und künstlich
verteuert. Au-pairs werden niemals Nutzen aus ihren Beiträgen für Renten-,
Arbeitslosen- und Pflegeversicherung ziehen können, weil ihr Aufenthalt vorher
beendet wird. Es bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, wenn zukünftig die
Au-pairs als Arbeitnehmer und die Gastgeber als Arbeitgeber mit Beiträgen be-
lastet werden, die sich für die Au-pairs faktisch nicht in Leistungen der Sozial-
versicherungsträger niederschlagen werden.
Die zusätzliche finanzielle Belastung für die Gastfamilien wird die Motivation,
einem Au-pair einen Aufenthalt zu ermöglichen, erheblich dämpfen. Viele
Gastfamilien werden sich dann kein Au-pair mehr leisten können. Über die
Einkommensklassen von Gastfamilien gibt es keine Daten, aber es ist nicht da-
von auszugehen, dass Au-pair-Aufenthalte nur in Familien höherer Einkom-
mensklassen angeboten werden.
Au-pair-Aufenthalte haben unter den üblichen Bedingungen keine nennenswer-
ten Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt. Sie stehen nicht in Konkur-
renz zu Beschäftigungsverhältnissen. Die Kinderbetreuung durch Au-pairs er-
möglicht oftmals erst die Rückkehr eines Elternteils in den Arbeitsmarkt. Dies
gewinnt vor dem Hintergrund des steigenden Weiterbildungs- und Qualifizie-
rungsbedarfs einerseits und des Arbeitskräfte- und Fachkräftemangels anderer-
seits zunehmend an Bedeutung. Die faktische Abschaffung von Au-pair-Auf-
enthalten wird nach den Einschränkungen bei der steuerlichen Abzugsfähigkeit
von Haushaltshilfen und Kinderbetreuungsleistungen Schwarzarbeit in privaten
Haushalten fördern.
Ein Au-pair-Aufenthalt ist eine kostengünstige Möglichkeit für junge Erwach-
sene, neue Länder, Sprachen und Kulturen kennen zu lernen. Viele Au-pairs
machen Erfahrungen und erleben Kontakte in dieser Zeit, die ein Leben lang
nachwirken. Die faktische Abschaffung der Au-pair-Aufenthalte wird sich
nachteilig auf den Jugendaustausch, die kulturelle und sprachliche Begegnung
der Völker und die internationale Verständigung auswirken.

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