BT-Drucksache 14/6315

Offensive für die Bauwirtschaft

Vom 19. Juni 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6315
14. Wahlperiode 19. 06. 2001

Antrag
der Abgeordneten Dr. Hansjürgen Doss, Friedhelm Ost, Peter Rauen,
Ernst Hinsken, Hartmut Schauerte, Karl-Heinz Scherhag, Norbert Barthle,
Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Hartmut Büttner (Schönebeck), Albrecht Feibel,
Ingrid Fischbach, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Erich G. Fritz, Dr. Jürgen Gehb,
Kurt-Dieter Grill, Hans Jochen Henke, Dr.-Ing. Rainer Jork, Dr.-Ing. Dietmar Kansy,
Ulrich Klinkert, Dr. Martina Krogmann, Dr. Norbert Lammert, Vera Lengsfeld,
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Elmar Müller (Kirchheim), Bernd Neumann
(Bremen), Eduard Oswald, Dr. Bernd Protzner, Thomas Rachel, Hans-Peter Repnik,
Dr. Heinz Riesenhuber, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Anita Schäfer, Dietmar Schlee,
Margarete Späte, Dorothea Störr-Ritter, Max Straubinger, Gunnar Uldall, Andrea
Voßhoff, Matthias Wissmann, Dagmar Wöhrl und der Fraktion der CDU/CSU

Offensive für die Bauwirtschaft

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Bauwirtschaft kommt bei der allgemeinen Konjunkturentwicklung in
Deutschland seit jeher eine Schlüsselrolle zu. Die sich in letzter Zeit verschär-
fenden Probleme in diesem wichtigen Wirtschaftsbereich und damit auch der
freiberuflich tätigen Architekten und Ingenieure bereiten dem Deutschen Bun-
destag große Sorge: Die Beschäftigungssituation in der Bauwirtschaft war noch
nie so schlecht wie heute. Bei den Baugenehmigungen ist der drastischste Ein-
bruch seit den 80er Jahren zu verzeichnen. Die Auftragsbestände sind die nied-
rigsten seit der Wiedervereinigung. Umsätze und Investitionen in der Bauwirt-
schaft sind stark rückläufig. Die Schwarzarbeit blüht, wodurch jährlich
125 Mrd. DM an Steuereinnahmen verloren gehen. Die Dramatik der Lage ist
durch eine Reihe von Initiativen der Bauverbände und durch Hilferufe zahlrei-
cher Innungen und Verbände aus dem ganzen Bundesgebiet noch einmal sehr
deutlich geworden. Es ist zu befürchten, dass sich angesichts der dramatischen
Situation in der Bauwirtschaft auch die Prognosen für die Gesamtwirtschaft als
zu optimistisch erweisen werden.

Schon seit längerem hinkt die Bauwirtschaft der allgemeinen Wirtschaftsent-
wicklung weit hinterher. Für das Bauhauptgewerbe mussten die Prognosen im-
mer weiter nach unten korrigiert werden. Die Nachfrage nach Bauleistungen
war vor allem in den neuen Ländern stark rückläufig. Besonders enttäuschend
war und ist die Nachfrage im Wohnungsbau. Dort wurde in den alten, aber
besonders auffallend in den neuen Ländern das seit vielen Jahren niedrigste
Niveau der Auftragseingänge erreicht. Auch im Planungsbereich ist die wirt-
schaftliche Lage angespannt.

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Die Beschäftigungszahl im Bauhauptgewerbe hat sich im Jahr 2000 gegenüber
dem Vorjahr weiterhin erheblich verringert; insgesamt ist sie gegenüber 1995
von 1,4 Millionen auf 930 000 im März 2001 zurückgegangen. Diese Tendenz
gilt vor allem für die neuen Länder. Die Anpassung der Kapazitäten an die
fallende Nachfrage wird sich dort voraussichtlich weiter fortsetzen. Dadurch ist
die Entlassung von Arbeitskräften in noch weitergehendem Umfang zu
befürchten. Für dieses Jahr kann ein Verlust von weiteren 60 000 Arbeitsplät-
zen nicht ausgeschlossen werden. Das gibt es in keinem anderen Wirtschafts-
zweig in Deutschland.

Es ist deshalb dringend erforderlich, dass die Bundesregierung Maßnahmen

– zur Stärkung der Baunachfrage,

– zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung auf dem Bau,

– gegen Lohndumping,

– zur Verbesserung der Zahlungsmoral und

– zur Schaffung vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen in Europa

ergreift.

Anstatt für positive Impulse zugunsten der heimischen Bauwirtschaft zu sor-
gen, hat die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für den Bau drastisch
verschlechtert. Das mittelständisch geprägte Baugewerbe und die im Bauwe-
sen tätigen Architekten und Ingenieure leiden besonders unter der Verteue-
rung der Energiekosten – insbesondere durch die Ökosteuer –, der Einschrän-
kung befristeter Arbeitsverträge, dem Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit und
der Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung. Die Bundesregierung hat
es versäumt, in Brüssel eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Bauleis-
tungen zu beantragen. Die Investitionsquote im Bundeshaushalt bewegt sich
auf einem Rekordtief. Die aus den UMTS-Erlösen finanzierten Infrastruktu-
rinvestitionen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Finanzpolitik
des Bundes verschiebt Lasten auf Länder und Gemeinden, so dass deren
Investitionsfähigkeit als wichtigster öffentlicher Auftraggeber erheblich be-
schnitten wird.

Konkrete Pläne zur Fortsetzung des Aufbaus Ost liegen nicht vor. Das schafft
Unsicherheit, wie der infrastrukturelle Nachholbedarf gedeckt werden soll. Ge-
genüber Privatfinanzierungsmodellen für die öffentliche Infrastruktur hat die
Bundesregierung prinzipielle Vorbehalte und nutzt das hier abrufbare erheb-
liche Investitionspotential nicht. Die auf Mobilität angewiesene Industrienation
Deutschland lebt bei der Verkehrsinfrastruktur inzwischen von der Substanz.
Allein der kommunale Investitionsbedarf erreicht einen Wert von fast einer
Billion DM.

Die Bundesregierung hat es auch versäumt, die Wohnungsbauinvestitionen –
traditionell die bedeutendste Auftragssparte für die Bauwirtschaft – von der
Boomphase der 90er Jahre in eine Normalisierungsphase überzuleiten. Das dra-
matische Absinken der Baugenehmigungen für Wohnungen im Jahr 2000 (um
20 %), das sich bis in dieses Jahr hinein noch verstärkt hat (1. Quartal Rück-
gang um 24 %), hat nach dem frei finanzierten und sozialen Mietwohnungsbau
nunmehr auch den Eigenheimbau erfasst. Seit der Einführung der neuen Eigen-
heimförderung 1996 immer an Zuwachsraten gewöhnt, gingen die Baugeneh-
migungen bei Ein- und Zweifamilienhäusern seit Frühjahr 2000 schlagartig zu-
rück. Der Einbruch hat sich im 1. Quartal 2001 mit -23 % noch weiter
verschärft.

Die volle Auswirkung dieses Einbruchs auf die Auftragsbücher des Baugewer-
bes steht dabei erst noch bevor: Der Ende 1998 noch bei fast 700 000 Wohnun-
gen liegende Bauüberhang aus genehmigten, aber noch nicht fertig gestellten

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Wohnungen wird bis Ende diesen Jahres auf die Hälfte abschmelzen. Das Jahr
2000, von der Bauwirtschaft zum „schlimmsten Jahr der Nachkriegs-
geschichte“ deklariert, könnte deshalb in 2001 und in den Folgejahren bei den
Wohnungsbauinvestitionen noch eine negative Steigerung erfahren.

Der Verzicht der Bundesregierung auf eine vorausschauende, verstetigende und
abgestimmte Wohnungs- und Städtebaupolitik wird dokumentiert durch eine
Vielzahl von investitionsfeindlichen Maßnahmen im Steuerrecht, im Eigen-
heimzulagengesetz, im Mietrecht, beim Konzept der privaten Altersvorsorge
und bei der sozialen Wohnungsbauförderung. So hat z. B. die Senkung der Ein-
kommensgrenzen für den Anspruch auf Eigenheimzulage von 120 000 DM/
240 000 DM auf 80 000 DM/160 000 DM, die einen nicht unerheblichen Teil
der für die Bildung privaten Wohneigentums in Frage kommenden Haushalte
von der Förderung ausschließt, zum Rückgang der privaten Wohnungsbautätig-
keit erheblich beigetragen.

Auch bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit, deren Schwerpunkt im Bauge-
werbe liegt, sind kaum Erfolge zu erkennen. Statt die Ursachen zu bekämpfen,
sucht die Regierungskoalition ihr Heil weiterhin in Maßnahmen wie:

– der Anhebung der Bußgeld- und Strafrahmen,

– der Einführung neuer Straftatbestände,

– der verbesserten personellen Ausstattung der Verfolgungsbehörden,

– des intensivierten Austauschs von Informationen zwischen den Verfolgungs-
behörden,

– der Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen bis hin zur Konzentration auf
weniger Behörden.

Das allein genügt aber nicht. Die Ursachen der Probleme müssen beseitigt wer-
den. Legale Arbeit muss wieder bezahlbar werden. Die Arbeitnehmer verdie-
nen „netto“ zu wenig und kosten „brutto“ zu viel. Nur durch eine konsequente
Senkung der Steuern und Sozialabgaben kann Schwarzarbeit wirksam einge-
dämmt werden. Bedauerlicherweise hat die Regierungskoalition mit ihrer Steu-
erreform die falschen Signale gesetzt. Die Steuersätze für Arbeitnehmer und
mittelständische Personengesellschaften werden im Vergleich zu Kapitalgesell-
schaften nur unzureichend und viel zu spät reduziert. Die aufgrund der verbes-
serten Finanzlage der Bundesanstalt für Arbeit mögliche Senkung des Arbeits-
losenversicherungsbeitrages wird auf die lange Bank geschoben.

Wem zur Eindämmung der Schwarzarbeit immer nur die Verschärfung der
Kontrollen und Strafen einfällt, der offenbart, die Kausalkette zwischen der
Verteuerung legaler Arbeit durch Steuern und Abgaben und dem Ausbreiten
von Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft und die damit verbundene politische
Herausforderung dieses Phänomens noch nicht erkannt zu haben.

Damit deutsche Betriebe mit einheimischen Arbeitnehmern gegenüber auslän-
dischen Anbietern auf deutschem Boden im Wettbewerb bestehen können,
muss gehandelt werden. Positiv hervorzuheben ist der von den unionsgeführten
Ländern Baden-Württemberg, Bayern und Hessen initiierte Gesetzentwurf des
Bundesrates zur Eindämmung illegaler Beschäftigung im Baugewerbe vom
September 2000. Mit diesem Gesetzentwurf soll ein 15 %iger steuerlicher
Pflichtabzug für Subunternehmer eingeführt werden, um endlich illegale
Scheinfirmen vom deutschen Markt zu vertreiben. Leider hat der Bundesminis-
ter der Finanzen, Hans Eichel, diesem Gesetzentwurf monatelang die Unter-
stützung verweigert, so dass die dringend notwendige Beschlussfassung im
Deutschen Bundestag erst im Mai 2001 erfolgen konnte.

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Solange die Bundesregierung die Bauwirtschaft, eine Schlüsselbranche für die
Konjunktur, insgesamt stiefmütterlich behandelt und sich auf wettbewerbsver-
zerrende Einzelaktionen wie im Falle Holzmann konzentriert, ist Besserung
nicht zu erwarten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

ein Konzept zur Verbesserung der Lage der deutschen Bauwirtschaft vorzule-
gen, das folgende Komponenten enthält:

1. Um legale Arbeit wieder bezahlbar zu machen, muss die Steuerbelastung
von Arbeitnehmern, mittelständischen Unternehmen und Freiberuflern über
den gesamten Tarifverlauf spätestens zu Beginn 2003 wesentlich stärker und
schneller als von der Bundesregierung vorgesehen zurückgeführt werden.
Die Ökosteuer muss abgeschafft werden. Bei der Erbschaftsteuer darf es
keine zusätzlichen Belastungen mittelständischer Betriebe geben.

Die Sozialversicherungssysteme sind umgehend und grundlegend durch zu-
kunftsorientierte Reformen zu stärken, damit die Sozialversicherungs-
beiträge – wie von der rot-grünen Koalition versprochen – endlich auf unter
40 % sinken können. Als erster Schritt ist der Beitrag zur Arbeitslosenversi-
cherung bis 2002 um 1 % zu reduzieren. Ohne eine erhebliche Senkung der
Steuer- und Abgabenbelastung von Bürgern und Betrieben können die
Lohnnebenkosten nicht dauerhaft zurückgeführt werden und müssen alle an-
deren Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit Flickwerk bleiben.

Die Erfahrungen der EU-Mitgliedstaaten, die die Möglichkeit der ermäßig-
ten Umsatzsteuer auf arbeitsintensive Dienstleistungen im Baugewerbe er-
griffen haben, sind intensiv zu prüfen, um darauf aufbauend dieses in Frank-
reich offensichtlich sehr positiv wirkende Instrument ggf. auch in
Deutschland einsetzen zu können.

2. Wir brauchen eine Infrastrukturoffensive für einen beschleunigten Ausbau
der Schienenwege, der Autobahnen, der Bundes- und Landstraßen und –
insbesondere in den neuen Bundesländern – der kommunalen Infrastruktur.
Nur so kann die Bauwirtschaft endlich wieder Boden unter den Füßen be-
kommen. Soweit ausreichende Finanzmittel nicht verfügbar sind, muss die
Bundesregierung den Mut zu Umschichtungen im Haushalt zugunsten von
Investitionen aufbringen und die Investitionsfähigkeit von Ländern und
Kommunen vor allem in den neuen Ländern stärken. Außerdem muss die
Bundesregierung endlich ihre Denkblockade bei Privatfinanzierungsmodel-
len aufgeben. Großbritannien weist hier den richtigen Weg. Dort werden
20 % des öffentlichen Investitionsvolumens über private Betreibermodelle
finanziert. Damit konnte eine Kostenersparnis von 17 % erreicht werden –
Mittel, die für andere Projekte zusätzlich zur Verfügung stehen. Beispielhaf-
tes deutsches Pilotprojekt ist eine Maut-Brücke über den Rhein bei Nier-
stein, die vollständig privat finanziert und innerhalb weniger Jahre realisiert
werden kann. Privatisierungsmodelle sollten mittelstandsfreundlich umge-
setzt werden.

3. Die Wohneigentumspolitik der Bundesregierung darf nicht länger Spiel-
wiese für fiskalisch begründete und ideologisch motivierte Belastungstests
sein, sondern muss wieder stärker dem hohen Stellenwert der selbstgenutz-
ten Immobilie beim Bürger Rechnung tragen. Die Inanspruchnahme von
Dienstleistungen Dritter bei Nachweis der Herstellungskosten für die Bean-
tragung der Eigenheimzulage darf der Schwarzarbeit und der illegalen Be-
schäftigung keinen Vorschub leisten.

Aus städtebaulichen wie aus baukonjunkturellen Gründen ist eine Erhöhung
der Bundesfinanzhilfen für die Städtebauförderung dringend geboten. Die

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mit einem hohen Multiplikator angestoßenen privaten Folgeinvestitionen
kommen vor allem kleinen und mittleren Unternehmen der Bauwirtschaft
zugute.

Auch nach der Weiterentwicklung der Objektförderung zu einer sozialen
Wohnraumförderung muss der finanzielle Beitrag des Bundes die Nutzung
der neuen Aufgabenstellungen und Handlungsschwerpunkte ermöglichen.

4. Es besteht ein deutliches Missverhältnis zwischen den erheblichen Mit-
teln, die für die aktive Arbeitsmarktpolitik aufgewendet werden (ca. 45
Mrd. DM) und den knappen Mitteln, die den Kommunen besonders in den
neuen Ländern für Investitionen zur Verfügung stehen. Die Bundesregie-
rung muss deshalb dafür sorgen, dass die ABM-Mittel zielgerichteter und
sparsamer ausgegeben werden und dass gleichzeitig den Kommunen aus-
reichende eigene Mittel für Investitionsausgaben zur Verfügung stehen. So
kann die Konkurrenz von ABM-Projekten gegenüber regulär tätigen
(Bau)betrieben vermieden werden; außerdem wäre es möglich, Menschen,
die zurzeit im 2. Arbeitsmarkt eher verwaltet werden, im 1. Arbeitsmarkt
zu beschäftigen.

5. Die Erweiterung der Europäischen Union wird insbesondere für die heuti-
gen Grenzregionen große Chancen bringen, nachdem diese Regionen jahr-
zehntelang unter ihrer Grenzlage leiden mussten. Gleichwohl sind gerade
im Blick auf die Wettbewerbslage in der Bauwirtschaft Übergangsfristen
nicht nur hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, sondern auch im
Blick auf die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit erforderlich. An-
sonsten würde es aufgrund erheblicher Lohnunterschiede zu einem zusätz-
lichen Migrationsdruck auf den deutschen Bauarbeitsmarkt bzw. zu einer
Verdrängung deutscher Anbieter durch Firmen aus den Beitrittsländern
kommen.

Übergangsfristen können aber nicht das Allheilmittel für die Erfordernisse
des anstehenden Anpassungsprozesses sein, weil die Anpassungsprobleme
dadurch nur zeitlich verschoben werden. Erstrebenswert sind deshalb umfas-
sende Lösungen, die unsere Standards dauerhaft vor Wettbewerbsverzerrun-
gen durch entsandte Arbeitnehmer aus alten und neuen Mitgliedstaaten
schützen, ohne speziell für die Beitrittsländer diskriminierend zu wirken. Die
jetzt anstehende Reform der EU-Entsenderichtlinie muss auch dazu genutzt
werden, den besonderen Anforderungen nach einer EU-Erweiterung zu be-
gegnen. Eine praktikable und um einige Anwendungsbereiche erweiterte Ent-
senderichtlinie könnte einen dauerhaften Beitrag für Chancengerechtigkeit
auch für die Bauwirtschaft insbesondere in den Grenzregionen bieten.

6. Das „Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen“ hat sich als nicht aus-
reichend erwiesen, um dem Problem der mangelnden Zahlungsmoral wirk-
sam und auf Dauer beizukommen. Es ist deshalb erforderlich,

– Arbeiten zur Schaffung eines gesonderten Bauvertragsrechts u. a. auf Ba-
sis der neuen Vorschläge des Freistaates Sachsen unverzüglich wieder
aufzunehmen;

– das „Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen“ (GSB) zu moderni-
sieren, welches die ordnungsgemäße Verwendung der innerhalb eines
Bauvorhabens fließenden Gelder absichern will;

– die Überlegungen zur Schaffung eines prozessualen Instruments (Vor-
aburteil) fortzusetzen, das es dem Richter ermöglichen soll, Bauunterneh-
men, Handwerkern und Freiberuflern vorab einen Teil der eingeklagten
Forderung trotz vorgebrachter Mängelrügen zuzusprechen.

7. Angesichts der angespannten Lage der Bauwirtschaft werden Bauleistun-
gen zunehmend nicht mehr kostendeckend angeboten. Bei öffentlichen

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Bauausschreibungen werden von Firmen, die dringend einen Anschluss-
auftrag brauchen, Bauleistungen zu Preisen angeboten, die nicht alle Kos-
ten decken. Obwohl nach geltendem Vergaberecht nicht allein der nied-
rigste Preis, sondern die Wirtschaftlichkeit des Angebots entscheiden soll,
erteilen die öffentlichen Bauauftraggeber in rund 95 % der Fälle dem bil-
ligsten Anbieter den Zuschlag. Hohe Nachforderungen und Rechtsstreitig-
keiten sind oft die Folge. Die Bundesregierung darf die Mängel der Verga-
bepraxis auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung nicht länger
ignorieren und muss Instrumente entwickeln, mit denen die ruinöse Bil-
ligstpreisvergabe gestoppt werden kann. Außerdem muss geprüft werden,
ob und ggf. wie der Bieterrechtsschutz unterhalb des EU-Schwellenwertes
verbessert werden kann.

Die mittelstandsfreundliche Vergabe öffentlicher Aufträge an Bauunterneh-
mer in Form von Fachlosen und Teillosen muss nach wie vor der Regelfall
bleiben. Sollte dennoch die Vergabe an Generalunternehmer erfolgen, so ist
sicherzustellen, dass diese die Unteraufträge auf der gleichen Grundlage
vergeben, also z. B. den Verträgen mit ihren Subunternehmern ebenfalls
die VOB (Verdingungsordnung für Bauleistungen) – bzw. soweit Planer-
leistungen angesprochen sind, die HOAI (Honorarordnung Architekten
und Ingenieure – zugrunde legen. Die fristgerechte Erfüllung begründeter
Zahlungsansprüche der Hauptunternehmer und der Subunternehmer ist
durch Beibringung von Bürgschaften sicherzustellen.

8. Gewährleistungsbürgschaften binden in nicht unerheblichem Maße Liqui-
dität und Eigenkapital mittelständischer Bauunternehmen und belasten de-
ren Ertragssituation und Kreditwürdigkeit. Deshalb sollte entsprechend §
14 der VOB/A auf Sicherheitsleistungen u. a. dann ganz oder teilweise ver-
zichtet werden, wenn Mängel der Leistung voraussichtlich nicht eintreten
oder wenn der Auftragnehmer hinreichend bekannt ist und genügend Ge-
währ für die vertragsgemäße Leistung und die Beseitigung etwa auftreten-
der Mängel bietet. Dies ist in der Praxis auch der öffentlichen Auftragsver-
gabe durch die Bundesregierung zu selten der Fall.

In diesem Zusammenhang sollte auch geprüft werden, ob das französische
Modell einer gesetzlichen Gewährleistungsversicherung in Deutschland
übernommen werden kann.

9. Zur Stärkung der Leistungsfähigkeit der freiberuflich tätigen Architekten
und Ingenieure ist es dringend geboten, dass die öffentliche Hand ihre Auf-
gaben als Bauherr wieder ernst nimmt, marktfähige Planungsaufgaben
konsequent privatisiert und die VOF und die HOAI einhält. Die HOAI un-
terstützt die wirtschaftspolitischen Ziele wie Transparenz von Preis und
Leistung, Sicherung von Qualität, Vermeidung von Bauschäden und Ver-
braucherschutz.

10. Die gesetzliche Unfallversicherung in der Bauwirtschaft ist durch sinkende
Einnahmen aufgrund des Rückgangs der Lohnsumme und gleichzeitig stei-
gende Ausgaben in eine finanzielle Schieflage mit der Folge von Beitrags-
steigerungen geraten. Deshalb sollte die Bundesregierung Maßnahmen zur
Entlastung der Bauberufsgenossenschaften u. a. dadurch ergreifen, dass die
gesetzliche Verpflichtung, auch in Fällen von Schwarzarbeit Behandlungs-
kosten sowie Rehabilitations- und Rentenleistungen zu tragen, durch eine
Regresshaftung des Arbeitgebers, der illegale Beschäftigung erbringen
lässt, ersetzt wird.

Berlin, den 19. Juni 2001

Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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