BT-Drucksache 14/4918

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - 14/4363 - Entwurf eines ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung

Vom 6. Dezember 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4918
14. Wahlperiode 06. 12. 2000

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 14/4363 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der
betrieblichen Altersversorgung

A. Problem

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 15. Juli 1998 – 1 BvR
1554/89, 963/94, 964/94 – entschieden, dass § 18 des Gesetzes zur Verbesse-
rung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) vom 19. Dezember 1974,
der den Fortbestand und die Höhe von Anwartschaften aus der Zusatzversor-
gung des öffentlichen Dienstes bei vorzeitigem Ausscheiden abweichend von
den für die Privatwirtschaft geltenden Vorschriften regelt, mit dem allgemeinen
Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz) und mit der Berufsfreiheit
(Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz) unvereinbar ist. Der Gesetzgeber ist verpflich-
tet, bis zum 31. Dezember 2000 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu tref-
fen. Dieser Verpflichtung kommt der Gesetzentwurf nach.

B. Lösung

Mit der Änderung des § 18 BetrAVG werden die bei den Zusatzversorgungs-
einrichtungen des öffentlichen Dienstes versicherten und vergleichbare Perso-
nen den Arbeitnehmern mit einer Altersversorgungszusage der gewerblichen
Wirtschaft weitgehend gleichgestellt. Es wird eine Voll-Leistung auf der
Grundlage der Versorgungsregelungen berechnet. Hiervon erhält der vorzeitig
ausgeschiedene Arbeitnehmer einen seiner Betriebszugehörigkeit entsprechen-
den Teil.

Einstimmigkeit im Ausschuss

C. Alternativen

Keine

Drucksache 14/4918 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

D. Kosten für die öffentlichen Haushalte

Die Änderung des § 18 BetrAVG wird zu Mehrkosten bei der Versorgungs-
anstalt des Bundes und der Länder (VBL) und den kommunalen Zusatzversor-
gungskassen führen, die überwiegend von den öffentlichen Haushalten getra-
gen werden. In welcher Höhe die Mehrkosten anfallen werden, lässt sich
gegenwärtig nicht abschätzen. In vielen Fällen wird es künftig zu höheren Leis-
tungen kommen.

Ob und inwieweit die Änderung des § 18 BetrAVG die Häufigkeit vorzeitigen
Ausscheidens von Arbeitnehmern aus dem öffentlichen Dienst beeinflussen
wird, lässt sich nicht abschätzen.

E. Sonstige Kosten

Keine

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/4918

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/4363 mit folgender Maßgabe, im Übrigen
unverändert anzunehmen:

1. Artikel 1 Nr. 1 wird wie folgt geändert:

§ 18 Abs. 2 Nr. 2 erhält folgenden Wortlaut:

„Die Zusatzrente vermindert sich um 0,3 vom Hundert für jeden vollen Ka-
lendermonat, den der Versorgungsfall vor Vollendung des 65. Lebensjahres
eintritt, höchstens jedoch um den in der Versorgungsregelung für die
Voll-Leistung vorgesehenen Vomhundertsatz.“

2. Artikel 1 Nr. 2 wird wie folgt geändert:

§ 30d Abs. 3 erhält folgenden Wortlaut:

„Für Arbeitnehmer im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 5 und 6 in der bis
zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung, für die bis zum 31. Dezember
1998 ein Anspruch auf Nachversicherung nach § 18 Abs. 6 entstanden ist, gilt
Absatz 1 Satz 1 für die auf Grund der Nachversicherung zu ermittelnde
Voll-Leistung entsprechend mit der Maßgabe, dass sich der nach § 2 zu
ermittelnde Anspruch gegen den ehemaligen Arbeitgeber richtet. Für den
nach § 2 zu ermittelnden Anspruch gilt § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b ent-
sprechend; für die übrigen Bemessungsfaktoren ist auf die Rechtslage am
31. Dezember 2000 abzustellen. Leistungen der gesetzlichen Rentenver-
sicherung, die auf einer Nachversicherung wegen Ausscheidens aus einem
Dienstordnungsverhältnis beruhen, und Leistungen, die die zuständige Ver-
sorgungseinrichtung auf Grund von Nachversicherungen im Sinne des § 18
Abs. 6 in der am 31. Dezember 1998 geltenden Fassung gewährt, werden auf
den Anspruch nach § 2 angerechnet. Hat das Arbeitsverhältnis im Sinne des
§ 18 Abs. 9 bereits am 31. Dezember 1998 bestanden, ist in die Vergleichs-
berechnung nach § 18 Abs. 9 auch die Zusatzrente nach § 18 in der bis zum
31. Dezember 1998 geltenden Fassung einzubeziehen.“

Berlin, den 6. Dezember 2000

Der Innenausschuss

Ute Vogt (Pforzheim)
Vorsitzende

Peter Enders
Berichterstatter

Meinrad Belle
Berichterstatter

Cem Özdemir
Berichterstatter

Dr. Max Stadler
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Drucksache 14/4918 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Peter Enders, Meinrad Belle, Cem Özdemir,
Dr. Max Stadler und Ulla Jelpke

I. Zum Verfahren

1. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde in der
127. Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. Okto-
ber 2000 an den Innenausschuss federführend sowie an
den Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung zur Mitbe-
ratung überwiesen.

2. Der mitberatende Ausschuss für Arbeit und Sozialord-
nung hat in seiner 68. Sitzung am 6. Dezember 2000
einstimmig die Annahme des Gesetzentwurfs in der Fas-
sung des Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen
im Innenausschuss empfohlen.

3. Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner
47. Sitzung am 15. November 2000 abschließend bera-
ten.

Der Ausschuss hat zunächst den Änderungsantrag der
Fraktion der F.D.P. (Ausschussdrucksache 325 A) mit
den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
F.D.P. und PDS bei Enthaltung der Fraktion der CDU/
CSU abgelehnt.

Der Änderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Artikel 1 Nr. 1 § 18 Abs 9 wird wie folgt gefasst:

Bei Personen, die aus einem Arbeitsverhältnis ausschei-
den, in dem sie nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch versicherungsfrei waren, dür-
fen die Ansprüche nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 bei Ein-
tritt des Versorgungsfalles nicht hinter dem Renten-
anspruch zurückbleiben, der sich ergeben hätte, wenn
der Arbeitnehmer für die Zeit der versicherungsfreien
Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung
nachversichert worden wäre; die Vergleichberechnung
ist bei Eintritt des Versorgungsfalles auf Grund einer
Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
vorzunehmen.

In Artikel 1 Nr. 2 § 30 Abs. 1 wird folgender Satz 3 ange-
fügt:

Diese Regelung gilt für Personen des § 18 Abs. 9
BetrAVG nur, so weit abweichend hiervon eine Nachver-
sicherung gleichwohl durchgeführt wurde.

Artikel 1 Nr. 2 § 30d Abs. 3 wird wie folgt gefasst:

§ 18 Abs. 6, 7 und 8 gilt für die Arbeitnehmer weiter, für
die bis zum 31. Dezember 1998 ein Anspruch auf Nach-
versicherung nach § 18 Abs. 6 entstanden ist.

B e g r ü n d u n g

1. Artikel 1 Nr. 1 zu § 18 Abs. 9

Mit Wirkung zum 1. Januar 1993 hat der Gesetzgeber mit
dem Gesundheitsstrukturgesetz für die Gesetzliche Kran-
kenversicherung die Schließung des Dienstordnungs-Sys-

tems bestimmt. Neue Dienstordnungsverhältnisse dürfen
nicht mehr begründet werden.

Dienstordnungsangestellte haben die Möglichkeit, mit ih-
rem Einverständnis vorzeitig aus dem Dienstordnungs-Ver-
hältnis auszuscheiden, z. B. bei einem Wechsel zu einem an-
deren Arbeitgeber oder auch bei einem Statuswechsel bei
demselben Arbeitgeber.

Die Absicherung der bis dahin im Dienstordnungs-Verhält-
nis erworbenen Anwartschaften wurde bis zum 31. Dezem-
ber 1998 dadurch sichergestellt, dass bei Ausscheiden aus
dem Dienstordnungsverhältnis eine Nachversicherung in
der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Zusatzver-
sorgungseinrichtung des öffentlichen Dienstes nach § 18
BetrAVG a. F. vorzunehmen war. Beiden Rentensystemen ist
gemein, dass durch die Berechnung bei Eintritt des Versi-
cherungsfalles zwischenzeitlich eingetretene Veränderun-
gen der Lebensbedingungen Berücksichtigung finden, um
eine Entwertung der Rentenanwartschaften zu vermeiden.

Mit dem Rentenreformgesetz 1999 ist diese Regelung weg-
gefallen, mit der Folge, dass für ausscheidende Dienstord-
nungs-Angestellte mit unverfallbarer Versorgungsanwart-
schaft, die nach dem 31. Dezember 1998, aber vor Eintritt
des Versorgungsfalles aus dem Dienstverhältnis ausschei-
den eine Nachversicherung in der Zusatzversorgung des öf-
fentlichen Dienstes nicht mehr möglich ist. Daraus wird
teilweise abgeleitet, dass auch eine Nachversicherung in
der gesetzlichen Rentenversicherung ausscheidet.

Ein Anspruch auf Versorgung wird den ausscheidenden
Dienstordnungs-Angestellten hinsichtlich einer späteren
Versorgung nunmehr nach den Regeln des BetrAVG als Di-
rektanspruch gegen den Arbeitgeber gesichert.

Dieser Direktanspruch nach dem BetrAVG ist aber lediglich
für eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung neben be-
stehenden Versorgungsansprüchen aus der gesetzlichen
Rentenversicherung konzipiert, aber nicht für den Fall einer
Gesamtversorgung gedacht.

Entgegen allen Vollversorgungssystemen sieht diese ledig-
lich auf eine Zusatzversorgung ausgelegte Regelung des
BetrAVG keine Dynamisierung der potentiellen Versor-
gungsleistungen zwischen Ausscheiden aus dem Arbeitsver-
hältnis und dem Eintritt des Versorgungsfalles vor.

Hierdurch droht ausscheidenden Dienstordnungs-Angestell-
ten bis zum Eintritt des Versorgungsfalles eine den bisheri-
gen Systemen fremde Entwertung ihrer Versorgung und der
bereits erdienten Anwartschaften, die sich aus den sich wei-
terentwickelten dynamisierenden Versorgungs- und Besol-
dungsbezügen ergeben. Es tritt also eine negative Ungleich-
behandlung gegenüber den Dienstordnungs-Angestellten
ein, die im Dienstordnungs-System verbleiben.

Die Intention des Gesetzgebers, die mit dem Gesundheits-
strukturgesetz und der Schließung des Dienstordnungs-
Rechts verbunden war und eine Wechselbereitschaft der

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/4918

Dienstordnungs-Angestellten aus ihrem Status heraus för-
dern sollte, wird mit der bisher im Entwurf vorgesehenen
Regelung konterkariert. Das Ziel des Gesetzgebers kann
nur erreicht werden, wenn die in der Initiative vorgeschla-
genen Änderungen aufgenommen werden, damit die in ihrer
Gesamtheit erworbenen Anwartschaften ausscheidender
Dienstordnungs-Angestellter unter Berücksichtigung der
bis zum Eintritt des Versorgungsfalles vorgenommenen An-
passungen der Besoldungs- und Versorgungsbezüge als Dy-
namisierungsfaktor Berücksichtigung finden.

2. Zu Artikel 1 Nr. 2 § 30d Abs. 1

§ 18 Abs. 9 BetrAVG soll mit Wirkung zum 1. Januar 1999
rückwirkend in Kraft treten. Damit sind auch all die Fälle
umfasst, die in der Zwischenzeit zu einem Ausscheiden aus
dem Dienstordnungsverhältnis geführt haben. Da die Rege-
lung eine klarstellende Funktion hat, ist sie allein ausrei-
chend.

Die Regelung des § 30d Abs. 1 als Übergangsregelung ist
im Verhältnis zu § 18 Abs. 9 BetrAVG daher nur dann erfor-
derlich, wenn entgegen der seit dem 1. Januar 1999 beste-
henden Rechtslage gleichwohl Fälle zur Nachversicherung
angenommen und diese durchgeführt wurden. Von daher ist
die vorgeschlagene Ergänzung aufzunehmen.

3. Zu Artikel 1 Nr. 2 § 30d Abs. 3

Mit § 30d in der seit dem 1. Januar 1999 bestehenden Fas-
sung wurde sichergestellt, dass Arbeitnehmern, für die ein
Anspruch auf Nachversicherung bereits entstanden ist, die-
ser auch gewährt wird. Dies bedeutet, dass eine Nachver-
sicherung zur gesetzlichen Rentenversicherung und zum
Zusatzversorgungswerk des öffentlichen Dienstes durchzu-
führen ist und demgemäß ein unmittelbarer Anspruch des
Arbeitnehmers gegen diese Einrichtung entsteht.

Mit der Beibehaltung der bisherigen Regelung wird der Sta-
tus quo sichergestellt, ohne dass es zu einem rückwirkenden
gesetzgeberischen Eingriff zu Lasten der Arbeitnehmer oder
Arbeitgeber kommt. Von daher ist die beabsichtigte Über-

gangsregelung des § 30d Abs. 3 zu streichen und der bishe-
rige Wortlaut des § 30 d als Abs. 3 einzufügen.“

Der Innenausschuss hat sodann dem Änderungsantrag der
Koalitionsfraktionen (Ausschussdrucksache Nr. 325), des-
sen Inhalt aus der Beschlussempfehlung ersichtlich ist, ein-
stimmig zugestimmt.

Dem Gesetzentwurf in der Fassung des Änderungsantrages
der Koalitionsfraktionen hat er schließlich einstimmig zuge-
stimmt.

II. Zur Begründung

1. Zur Begründung wird auf Drucksache 14/4363 hinge-
wiesen.

2. Die Koalitionsfraktionen haben ihre Änderungswün-
sche, denen der Innenausschuss gefolgt ist, wie folgt be-
gründet:

Zu § 18 Abs. 2 Nr. 2

Mit der Änderung wird sichergestellt, dass die vorzeitig
aus dem öffentlichen Dienst ausgeschiedenen Arbeitneh-
mer in Bezug auf die Abschlagsregelungen bei vorzeiti-
gem Renteneintritt nicht schlechter gestellt werden als
die Arbeitnehmer, die bis zum Eintritt des Versorgungs-
falles in der Zusatzversorgung versichert waren.

Zu § 30d Abs. 3

Die Änderungen die Sätze 1, 2 und 3 betreffend, sind
redaktioneller Art. Sie dienen der Klarstellung und bes-
seren Verständlichkeit der Übergangsregelung z. B. für
Dienstordnungs-Angestellte und Arbeitnehmer bei
Rundfunkanstalten. Satz 4 stellt sicher, dass den Dienst-
ordnungs-Angestellten der Besitzstand des alten Rechts
gewahrt wird.

3. Den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. hat der
Ausschuss abgelehnt, weil dieser eine Form der Dyna-
misierung vorschlägt, die über den Besitzstand alten
Rechts noch hinausgeht und so nie gewollt gewesen war.

Berlin, den 6. Dezember 2000

Peter Enders
Berichterstatter

Meinrad Belle
Berichterstatter

Cem Özdemir
Berichterstatter

Dr. Max Stadler
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

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