BT-Drucksache 14/3778

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit

Vom 4. Juli 2000


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

04. 07. 2000

Gesetzentwurf

der Abgeordneten Johannes Singhammer, Horst Seehofer, Karl-Josef Laumann,
Klaus Riegert, Max Straubinger, Klaus Hofbauer, Brigitte Baumeister,
Rainer Eppelmann, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Hartmut Koschyk,
Julius Louven, Wolfgang Meckelburg, Claudia Nolte, Hans-Peter Repnik,
Franz-Xaver Romer, Heinz Schemken, Andreas Storm, Matthäus Strebl,
Thomas Strobl (Heilbronn), Peter Weiß (Emmendingen), Ilse Aigner,
Norbert Barthle, Renate Blank, Dr. Wolfgang Bötsch, Albert Deß, Maria Eichhorn,
Herbert Frankenhauser, Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), Jochen-Konrad
Fromme, Norbert Geis, Georg Girisch, Michael Glos, Peter Götz, Dr. Wolfgang
Götzer,
Gerda Hasselfeldt, Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach), Ernst Hinsken,
Klaus Holetschek, Josef Hollerith, Bartholomäus Kalb, Rudolf Kraus,
Eduard Lintner, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Hans Michelbach,
Dr. Gerd Müller, Franz Obermeier, Eduard Oswald, Dr. Bernd Protzner, Hans Raidel,
Dr. Peter Ramsauer, Kurt J. Rossmanith, Dr. Klaus Rose, Dr. Christian Ruck, Anita
Schäfer, Gerhard Scheu, Christian Schmidt (Fürth), Birgit Schnieber-Jastram,
Carl-Dieter Spranger, Dr. Hans-Peter Uhl, Dr. Theodor Waigel, Dagmar Wöhrl,
Aribert Wolf, Wolfgang Zeitlmann, Benno Zierer, Wolfgang Zöller und der
Fraktion der CDU/CSU

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit

A. Problem

Ehrenamtlich Tätige waren in der Vergangenheit mit der ihnen gezahlten Auf-
wandsentschädigung weitgehend sozialversicherungsfrei. Die Neuregelung der
geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, die zum 1. April 1999 in Kraft trat,
brachte gravierende Änderungen zulasten des Ehrenamts. Vor allem die Zu-
sammenrechnung von geringfügiger Beschäftigung und nicht geringfügiger
Beschäftigung (§ 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV) hatte die Sozialversicherungspflicht
vieler ehrenamtlich aktiver Bürger zur Folge.

Weiterhin ist eine extensive Handhabung der Kriterien eines Beschäftigungs-
verhältnisses (§ 7 Abs. 1 SGB IV) durch die Sozialversicherungsträger zu be-
obachten. Nach einem Beschluss der Spitzenverbände der Sozialversicherungs-
träger vom 16./17. November 1999 sollen beispielsweise die ehrenamtlichen
Führungskräfte der freiwilligen Feuerwehren sowie die ehrenamtlichen stell-
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vertretenden Bürgermeister in Bayern entgegen der bisherigen Praxis in einem
sozialversicherungsrechtlich relevanten Beschäftigungsverhältnis stehen.

Die Gleichsetzung ehrenamtlichen Engagements mit einer auf Einkommens-
erzielung gerichteten Erwerbstätigkeit stößt nicht nur bei den ehrenamtlich Tä-
tigen auf Unverständnis. Die betroffenen Organisationen mit ehrenamtlicher
Struktur beklagen den bürokratischen Mehraufwand, der in keinem angemesse-
nen Verhältnis zu den i. d. R. sehr niedrigen Sozialversicherungsbeiträgen steht.
Schließlich lässt sich eine Sozialversicherungspflicht nicht aus dem Argument
der Schutzbedürftigkeit begründen, da die überwiegende Mehrzahl ehrenamt-
lich Tätiger anderweitig ausreichend abgesichert ist.

B. Lösung

In § 7 SGB IV wird klargestellt, dass die Wahrnehmung von Ehrenämtern
keine Beschäftigung i. S. des § 7 Abs. 1 SGB IV darstellt.

C. Alternativen

Keine. Insbesondere haben die Länder aufgrund der Gesetzgebungskompetenz
des Bundes (Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) und der abschließenden Regelung
des Sozialversicherungsrechts keine Möglichkeit, das Ehrenamt von Sozialver-
sicherungsbeiträgen freizustellen.

D. Kosten

Keine Kostenbelastung. Ehrenamtliche sind vielfach für die öffentliche Hand
sowie für Institutionen tätig, die öffentliche Zuschüsse erhalten. Daher wird die
Befreiung von der Beitragspflicht (Arbeitgeberbeitrag) zu einer – wenn auch
geringfügigen – Entlastung der Länderhaushalte führen.

E. Sonstiges (z. B. Kosten für die Wirtschaft, Kosten für soziale Siche-
rungssysteme)

Durch die Freistellung ehrenamtlich Tätiger von der Sozialversicherungspflicht
entstehen geringfügige Beitragsausfälle für die Sozialversicherungsträger in
nicht näher bezifferbarer Höhe. Umgekehrt werden die Sozialversicherungs-
träger durch das Nichtentstehen von beitragsabhängigen Leistungsansprüchen
auch entlastet. Eine Beitragssatzrelevanz ist in jedem Fall auszuschließen.

Die Institutionen, die ehrenamtlich Tätige zur Erfüllung ihrer Aufgaben einset-
zen, werden durch die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht finanziell
(Arbeitgeberbeitrag) und in ihrem Abrechnungsaufwand entlastet.
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Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch

Das Vierte Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vor-
schriften für die Sozialversicherung – (Artikel 1 des Geset-
zes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845), zuletzt ge-
ändert durch …, wird wie folgt geändert:

Dem § 7 wird folgender Absatz 5 angefügt:

„(5) Als Beschäftigung gilt nicht die Wahrnehmung von
Ehrenämtern. Ehrenämter sind

1. Tätigkeiten, die in Gesetzen des Bundes oder der Länder
als Ehrenämter bezeichnet sind,

2. Tätigkeiten für Körperschaften, Anstalten oder Stiftun-
gen des öffentlichen Rechts, deren Verbände einschließ-
lich der Spitzenverbände oder ihrer Arbeitsgemeinschaf-
ten, Parteien, Gewerkschaften sowie Körperschaften,
Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die we-

gen des ausschließlichen und unmittelbaren Dienstes für
gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke von
der Körperschaftsteuer befreit sind, wenn der einkom-
mensteuerpflichtige Anteil der dafür gezahlten Auf-
wandsentschädigung regelmäßig im Monat 1/7 der mo-
natlichen Bezugsgröße (§ 18) nicht übersteigt; dabei
sind mehrere ehrenamtliche Tätigkeiten zusammenzu-
rechnen; als Aufwandsentschädigung gilt nicht ein Ent-
gelt, das dem verkehrsüblichen Arbeitsentgelt für derar-
tige Tätigkeiten entspricht.

Auf das schriftliche Verlangen eines ehrenamtlich Tätigen
gegenüber seinem Weisungsgeber ist die Tätigkeit als Be-
schäftigung zu behandeln. Die Wirkung beschränkt sich auf
laufende und künftige Abrechnungszeiträume.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am ersten Tag des auf die Verkündung
folgenden Kalendermonats in Kraft.

Berlin, den 26. Juni 2000

Johannes Singhammer
Horst Seehofer
Karl-Josef Laumann
Klaus Riegert
Max Straubinger
Klaus Hofbauer
Brigitte Baumeister
Rainer Eppelmann
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Hartmut Koschyk
Julius Louven
Wolfgang Meckelburg
Claudia Nolte
Hans-Peter Repnik
Franz-Xaver Romer
Heinz Schemken
Andreas Storm
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)
Peter Weiß (Emmendingen)
Ilse Aigner
Norbert Barthle

Renate Blank
Dr. Wolfgang Bötsch
Albert Deß
Maria Eichhorn
Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen)
Jochen Konrad Fromme
Norbert Geis
Georg Girisch
Michael Glos
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Gerda Hasselfeldt
Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach)
Ernst Hinsken
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Bartholomäus Kalb
Rudolf Kraus
Eduard Lintner
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Hans Michelbach

Dr. Gerd Müller
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Dr. Bernd Protzner
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Kurt J. Rossmanith
Dr. Klaus Rose
Dr. Christian Ruck
Anita Schäfer
Gerhard Scheu
Christian Schmidt (Fürth)
Birgit Schnieber-Jastram
Carl-Dieter Spranger
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Theodor Waigel
Dagmar Wöhrl
Aribert Wolf
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller

Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion
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Begründung

A. Allgemeiner Teil

Die Freistellung ehrenamtlich Tätiger von der Sozialver-
sicherungspflicht ist notwendig, um Schaden von der Ehren-
amtskultur der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden.
Eine Vermischung der Begriffe Beschäftigungsverhältnis
und Ehrenamt hat zur Folge, dass die Bürger in ihrem un-
eigennützigen Engagement gebremst und – als Folge zu-
sätzlicher sozialversicherungsrechtlicher Verpflichtungen –
auch die üblichen Rechte aus Beschäftigungsverhältnissen
und Arbeitsverhältnissen einfordern werden. Dies führt zu
einer unerwünschten Kommerzialisierung des Ehrenamts.

Die bisherigen Kriterien zur Definition von Beschäftigungs-
verhältnissen sind zur Erfassung ehrenamtlicher Tätigkeit
nicht geeignet. Statt einer Differenzierung innerhalb des
Ehrenamts anhand der Begriffe „Weisungsgebundenheit“,
„Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsge-
bers“ und „Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben über
Repräsentationsfunktionen hinaus“ müssen ehrenamtliche
Tätigkeiten insgesamt von der Sozialversicherungspflicht
freigestellt werden. Durch eine möglichst präzise Definition
ehrenamtlicher Tätigkeiten werden Rechtsstreitigkeiten
über die Grenzen der Regelung weitgehend vermieden.

Die Wirkung des neuen § 7 Abs. 5 ist auf das Sozialversi-
cherungsrecht beschränkt. Insbesondere ergeben sich keine
Auswirkungen auf das Steuerrecht. Die in § 3 Nr. 39
i. V. mit § 39a Abs. 6 Einkommensteuergesetz unter be-
stimmten Voraussetzungen für geringfügige Beschäfti-
gungsverhältnisse vorgesehene Steuerfreiheit gilt jedoch
nicht für Ehrenämter i. S. des § 7 Abs. 5.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1

§ 7 Abs. 5

Satz 1

enthält eine Ausnahme von der Grundregel des
Absatzes 1. Diese Ausnahme kommt also erst dann zur An-
wendung, wenn nach den Kriterien des Absatzes 1 eine Be-
schäftigung anzunehmen wäre.

Satz 2 Nr. 1

übernimmt spezielle bundesgesetzliche oder
landesgesetzliche Definitionen des Ehrenamts für das Sozi-
alversicherungsrecht. Der Gesetzgeber hat in diesen Fällen
eine bewusste Entscheidung über die Einordnung konkreter
Tätigkeitsbereiche getroffen. Deshalb ist es gerechtfertigt,
hier – anders als in den unter Nummer 2 geregelten Fällen –
von der Festsetzung einer Höchstgrenze der Aufwandsent-
schädigung abzusehen. Gleichzeitig ist sichergestellt, dass
eine Klassifizierung durch eine Rechtsnorm, die im Rang

unterhalb eines förmlichen Gesetzes steht, die Vorausset-
zungen der Nummer 1 nicht erfüllt. Der Bezeichnung als
„Ehrenamt“ stehen inhaltlich identische Formulierungen,
wie z. B. „ehrenamtlich“ oder „Ehrenbeamter“ gleich.

Satz 2 Nr. 2

enthält Kriterien für die Einordnung als Ehren-
amt, wenn es an einer speziellen gesetzlichen Definition
fehlt.

Voraussetzung ist zunächst, dass die Person für eine der ge-
nannten Institutionen tätig ist (siehe auch § 163 Abs. 3 Satz
2 SGB VI). Die von der Körperschaftsteuer befreiten Insti-
tutionen ergeben sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteu-
ergesetz i.V. mit den §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung.

Weiterhin darf die Aufwandsentschädigung mit ihrem steu-
erpflichtigen Anteil (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) regel-
mäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nicht
überschreiten. Dieser Höchstgrenze liegt die Wertung zu
Grunde, dass bei einem darüber liegenden Entgelt ein eh-
renamtlicher Charakter der Tätigkeit ausgeschlossen ist. Die
Zusammenrechnung mehrerer ehrenamtlicher Tätigkeiten
verfolgt den Zweck, einem Missbrauch der Vorschrift vor-
zubeugen. Gleichwohl sind ehrenamtliche Tätigkeiten – an-
ders als geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gemäß
§ 28a Abs. 9 SGB IV – nicht meldepflichtig, um Belastun-
gen des Ehrenamts mit bürokratischem Verwaltungsauf-
wand gering zu halten.

Auch unterhalb der pauschalen Höchstgrenze setzt die An-
nahme eines Ehrenamts voraus, dass die Tätigkeit nicht wie
in einem Arbeitsverhältnis vergütet, sondern allenfalls
durch eine Aufwandsentschädigung honoriert wird. Eine
Aufwandsentschädigung liegt daher nicht vor, wenn das für
die Tätigkeit gezahlte Entgelt eine Höhe erreicht, die dem
verkehrsüblichen Arbeitsentgelt für diese Tätigkeit ent-
spricht.

Satz 3

räumt dem ehrenamtlich Tätigen das Recht ein, für
eine Absicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung zu
optieren. Satz 3 ist (wie Absatz 5 insgesamt) nur dann an-
wendbar, wenn die ehrenamtliche Tätigkeit nach den Krite-
rien des Absatzes 1 als Beschäftigung einzuordnen ist. Das
Optionsrecht gilt also nicht für solche Fälle, in denen schon
die Grundregel des Absatzes 1 nicht erfüllt ist (z. B. bei eh-
renamtlichen Mitgliedern eines Stadt- oder Gemeinderats).

Die Ausübung der Option hat die Anwendbarkeit aller Re-
geln für Beschäftigungsverhältnisse zur Folge. Dies gilt ins-
besondere für § 8 SGB IV (geringfügige Beschäftigung)
und damit auch für § 3 Nr. 39 Einkommensteuergesetz. Die
Ausübung der Option lässt die Geltung des § 14 Abs. 1 Satz
2 SGB IV, nach dem steuerfreie Aufwandsentschädigungen
nicht als Arbeitsentgelt gelten, unberührt.

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