BT-Drucksache 14/3473

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN -14/2577- Zweites Gesetz zur Änderung des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG)

Vom 30. Mai 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3473
14. Wahlperiode 30. 05. 2000

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/2577 –

Zweites Gesetz zur Änderung des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG)

A. Problem

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden

– eine Verbesserung der Qualität der kommunalen Melderegister angestrebt
sowie

– die melderechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung europawahlrecht-
licher und staatsangehörigkeitsrechtlicher Regelungen geschaffen.

Die kommunalen Melderegister stellen heute eine umfassende „Service-Ein-
richtung“ für eine Vielzahl öffentlicher Stellen zur Erfüllung ihrer Aufgaben
dar. Die in ihnen gespeicherten Einwohnerdaten sind von hoher Qualität und
entsprechen in aller Regel den Bedürfnissen ihrer Nutzer. Soweit Maßnahmen
zur weiteren Erhöhung ihrer Qualität auf administrativem Weg zulässig sind,
werden sie von den Meldebehörden bereits weitgehend ausgeschöpft. Dies ge-
schieht aus der Erkenntnis heraus, dass die Richtigkeit und Vollständigkeit der
Melderegister im wohlverstandenen Interesse aller Nutzer dieses Informations-
systems liegt, etwa im Hinblick auf Wahlen, die Ausstellung von Lohnsteuer-
karten, Pässen und Personalausweisen, die Verteilung des Steueraufkommens
auf Bund und Länder und auf die Statistik.

In einem sich fortentwickelnden Gemeinwesen mit ständig neuen und geänder-
ten Aufgabenstellungen steht die Effizienz der öffentlichen Verwaltung immer
wieder aufs Neue auf dem Prüfstand. Für den Bereich des Meldewesens folgt
daraus, noch nicht genutzte Potenziale für eine weitere Steigerung der Qualität
der Melderegister nutzbar zu machen. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit
dem geplanten Methodenwechsel für künftige Zensen als Alternative zur klas-
sischen Volkszählung ist es erforderlich, gesetzliche Rahmenbedingungen für
eine Verbesserung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Melderegister bun-
deseinheitlich zu schaffen.

– Melderegister bilden die Grundlage für die Eintragung von Wahlberechtigten
in die Wählerverzeichnisse von Amts wegen bei allen staatlichen und kom-
munalen Wahlen. Künftig sollen bei Europawahlen in der Bundesrepublik

Drucksache 14/3473 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutschland wahlberechtigte Unionsbürger nach ihrer erstmaligen Ein tra-
gung in ein Wählerverzeichnis auf Antrag bei folgenden Europawahlen in der
Regel von Amts wegen eingetragen werden. Dies dient der politischen Inte-
gration der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Unionsbürger und
trägt gleichzeitig zu einer Entlastung der Wahlbehörden bei.

– Mit dem Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts wird der Erwerb
der deutschen Staatsangehörigkeit für in Deutschland geborene Kinder aus
ländischer Eltern gemäß § 4 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG)
eingeführt. Diese Kinder sind nach Erreichen der Volljährigkeit von der zu-
ständigen Staatsangehörigkeitsbehörde auf ihre Erklärungspflicht und die
möglichen Rechtsfolgen nach § 29 StAG hinzuweisen. Die Tatsache, dass ein
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 29 StAG eintreten kann,
wird im Melderegister gespeichert. Es ist sicherzustellen, dass die für das Op-
tionsverfahren nach § 29 StAG erforderlichen Daten insbesondere bei dauer-
haftem Wegzug ins Ausland nicht durch Löschung verloren gehen können.

B. Lösung

– Zur Verbesserung der Qualität der Melderegister sieht der Gesetzentwurf u.a.
die Schaffung einer Befugnisnorm für die Meldebehörden zur Überprüfung
der Meldedaten von solchen Einwohnern vor, bei denen auf Grund ihres Mel-
deverhaltens davon ausgegangen werden muss, dass die im Melderegister ge-
speicherten Daten inzwischen unrichtig geworden sind. Des Weiteren werden
die öffentlichen Stellen, die Meldedaten für die Erfüllung ihrer Aufgaben nut-
zen, verpflichtet, ihrerseits Unstimmigkeiten den Meldebehörden mitzutei-
len; dies gilt nicht für die statistischen Ämter des Bundes und der Länder.

– Um die Eintragung von Unionsbürgern in ein deutsches Wählerverzeichnis
bei wiederholter Teilnahme an einer Europawahl grundsätzlich zu ermög-
lichen, wird ein entsprechender Eintrag im Melderegister vorgesehen.

– Zur Vermeidung eines möglichen Datenverlusts werden die für das Options-
verfahren nach § 29 StAG erforderlichen Daten von der Löschungsregelung
des § 10 MRRG ausgenommen und deren gesonderte Aufbewahrung sicher-
gestellt.

Mehrheit im Ausschuss

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

Es sind keine Kosten zu erwarten.

2. Vollzugsaufwand

Bund und Ländern entstehen keine Kosten. Bei den Gemeinden (Meldebehör-
den) muss ggf. mit zusätzlichen Kosten dann gerechnet werden, wenn und so-
weit sie von der ihnen nach Artikel 1 Nr. 2 (§ 4a Abs. 2) des Entwurfs einge-
räumten Befugnis zur Überprüfung der Meldedaten von einzelnen oder einer
Vielzahl von Einwohnern Gebrauch machen. Derartige Überprüfungen werden
anlassbezogen und daher aller Voraussicht nach nur relativ selten erfolgen.

Die Zahl der von den Überprüfungen betroffenen Einwohner kann auch nicht
annähernd geschätzt werden, da die Notwendigkeit von Überprüfungen stark

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/3473

von örtlichen Gegebenheiten abhängt. Auf jeden Fall dürfte der gegenwärtig
schon für Amtsermittlungen der Meldebehörden zur Verfügung stehende Kos-
tenrahmen nicht oder nur unwesentlich überschritten werden.

Durch die Eintragung eines weiteren Merkmals bei einem Teil der Unionsbür-
ger zur Vorbereitung von Europawahlen entsteht bei den Kommunen ein zu-
sätzlicher Aufwand. Dieser wird jedoch dadurch ausgeglichen, dass künftig bei
von Amts wegen in die Wählerverzeichnisse einzutragenden Unionsbürgern
die Bearbeitung von Anträgen auf Eintragung entfällt.

E. Sonstige Kosten

Die Wirtschaft wird von den Regelungen nicht berührt. Die voraussichtlichen
Mehrbelastungen der öffentlichen Haushalte sind nicht von solchem Ausmaß,
dass die Gegenfinanzierung mittelbare Auswirkungen entfaltet. Vor diesem
Hintergrund sind Auswirkungen auf Einzelpreise sowie das Preisniveau, insbe-
sondere das Verbraucherpreisniveau, auch nicht zu erwarten.

Drucksache 14/3473 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/2577 mit der Maßgabe anzunehmen,
dass

1. in Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe b der Punkt am Ende durch ein Semikolon ersetzt
und folgender Satz angefügt wird:

„ebenfalls zu speichern ist die Gebietskörperschaft oder der Wahlkreis im
Herkunftsmitgliedstaat, wo er zuletzt in ein Wählerverzeichnis eingetragen
war.“;

2. Artikel 1 Nr. 2 wie folgt geändert wird:

§ 4a Abs. 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) Die in Absatz 1 Satz 2 genannten Stellen, soweit sie nicht Aufgaben
der amtlichen Statistik wahrnehmen oder öffentlich-rechtliche Religionsge-
sellschaften sind, haben die Meldebehörden unverzüglich zu unterrichten,
wenn ihnen konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollstän-
digkeit übermittelter Daten vorliegen. Sonstige öffentliche Stellen, denen auf
deren Ersuchen hin Meldedaten übermittelt worden sind, dürfen die Melde-
behörden bei Vorliegen solcher Anhaltspunkte unterrichten. Absatz 2 bleibt
unberührt. Gesetzliche Geheimhaltungspflichten, insbesondere das Steuerge-
heimnis nach § 30 der Abgabenordnung, und Berufs- oder besondere Amts-
geheimnisse stehen der Unterrichtung nach Satz 1 und 2 nicht entgegen, so-
weit sie sich auf die Angabe beschränkt, dass konkrete Anhaltspunkte für die
Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit übermittelter Daten vorliegen;“;

3. nach Artikel 1 folgender Artikel 1a angefügt wird:

„Artikel 1a

Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch
– Verwaltungsverfahren –

Dem § 71 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Verwaltungsver-
fahren – (Artikel 1 des Gesetzes vom 18. August 1980, BGBl. I S. 1469),
das zuletzt durch … geändert worden ist, wird folgender Satz 4 angefügt:

„Eine Übermittlung von Sozialdaten ist auch zulässig, soweit sie erforderlich
ist, Meldebehörden nach § 4a Abs. 3 des Melderechtsrahmengesetzes über
konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit von die-
sen auf Grund Melderechts übermittelter Daten zu unterrichten.“

Berlin, den 23. Mai 2000

Der Innenausschuss

Ute Vogt (Pforzheim)
Die Vorsitzende

Peter Enders
Berichterstatter

Beatrix Philipp
Berichterstatterin

Cem Özdemir
Berichterstatter

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Berichterstatter

Petra Pau
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/3473

Bericht der Abgeordneten Peter Enders, Beatrix Philipp, Cem Özdemir,
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig und Petra Pau

1. Der Gesetzentwurf wurde in der 87. Sitzung des Deut-
schen Bundestages am 17. Februar 2000 an den Innenaus-
schuss federführend sowie an den Rechtsausschuss zur
Mitberatung überwiesen.

2. Der mitberatende Rechtsausschuss hat in seiner Sitzung
am 5. April 2000 mehrheitlich gegen die Stimmen der
Fraktion der PDS Zustimmung zu dem Gesetzentwurf
empfohlen. Der Ausschuss für Arbeit und Sozial-
ordnung hat in seiner Sitzung am 17. Mai 2000 in gut-
achtlicher Beratung Zustimmung zu dem Gesetzentwurf
empfohlen, soweit die Punkte 2 und 3 der Beschlussemp-
fehlung betroffen sind.

3. Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner Sit-
zung am 17. Mai 2000 abschließend beraten und ihm in
der Fassung der Änderungsanträge der Koalitionsfraktio-
nen vom 3. und 10. Mai 2000 (Ausschussdrucksachen 215
und 219), deren Inhalt aus der Beschlussempfehlung er-
sichtlich ist und denen der Ausschuss jeweils mit den
Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der
PDS bei Enthaltung der Fraktion der F.D.P. zugestimmt
hatte, mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktionen der F.D.P. und PDS zugestimmt.

4. Zur Begründung des Gesetzentwurfs wird auf Drucksache
13/2577 verwiesen.

Die in der Beschlussempfehlung enthaltenen drei Ände-
rungen, die der Ausschuss zusätzlich zu dem Gesetzent-
wurf beschlossen hat, werden wie folgt begründet:

1. Unionsbürger können frei entscheiden, ob sie an der
Europawahl in ihrem Wohnsitz oder in ihrem Her-
kunftsmitgliedstaat teilnehmen wollen. Ihr Stimmrecht
dürfen sie jedoch nur einmal ausüben (Artikel 4 Abs. 1
der Richtlinie 93/109/EG). Zur Verhinderung einer
doppelten Stimmabgabe ist in Artikel 13 der Richtlinie
ein Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten
vorgesehen. Der Wohnsitzmitgliedstaat unterrichtet
dabei vor jeder Wahl den Herkunftsmitgliedstaat über
dessen Staatsangehörige, die in ein Wählerverzeichnis
eingetragen werden. Der Herkunftsmitgliedstaat trifft
dann die zur Vermeidung einer doppelten Stimm-
abgabe erforderlichen Maßnahmen, d. h. er prüft, ob
der Betroffene auch dort in einem Wählerverzeichnis
eingetragen ist und streicht ihn gegebenenfalls. Im
deutschen Europawahlrecht sind die Voraussetzungen
für diesen Informationsaustausch in § 17a Abs. 5
EuWO vorgesehen.

Im Falle künftiger Eintragungen von Unionsbürgern in
ein Wählerverzeichnis auch von Amts wegen muss si-
chergestellt werden, dass der zuständigen Gemeinde-

behörde alle für den Informationsaustausch nach
Artikel 13 i. V. m. Artikel 9 der Richtlinie und der
Anlage 2 B zu § 17a Abs. 5 EuWO erforderlichen Da-
ten vorliegen. Diese ergeben sich aus dem Melderegis-
ter, mit Ausnahme der Angabe über die Gebietskörper-
schaft oder den Wahlkreis, wo der Unionsbürger im
Herkunftsmitgliedstaat zuletzt in ein Wählerverzeich-
nis eingetragen war. Diese Information erhält die zu-
ständige Behörde des Wohnsitzmitgliedstaates vom
Unionsbürger durch die Stellung eines Antrages auf
Eintragung in das Wählerverzeichnis bei der erstmali-
gen Wahlteilnahme im Wohnsitzmitgliedstaat (vgl.
Artikel 9 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b der Richtlinie,
Ziffer 9 der Anlage 2 A zu § 17 Abs. 2 EuWO).
Damit diese Angabe der den Informationsaustausch
durchführenden Gemeinde auch nach Vernichtung des
Antrages des Unionsbürgers nach § 83 EuWO und ins-
besondere im Falle eines Umzuges zur Verfügung steht,
sollte sie in das Melderegister aufgenommen werden.

2. Zur Klarstellung, dass § 4a Abs. 3 Satz 2 des Entwurfs
nicht als Befugnis der Meldebehörden interpretiert
werden kann, von sich aus beispielsweise Sozialleis-
tungsträger zum Abgleich von Meldedaten und Sozial-
daten anzuhalten, werden nach den Worten „Sonstige
Stellen, denen …“ die Wörter „auf ihr Ersuchen hin“
eingefügt. Hiermit soll erreicht werden, dass Mittei-
lungen sonstiger öffentlicher Stellen an Meldebehör-
den über Anhaltspunkte zur Unrichtigkeit oder Un-
vollständigkeit übermittelter Meldedaten nur zulässig
sind, wenn ihnen ein Ersuchen dieser öffentlichen
Stellen vorausging. Nicht zulässig wäre hingegen, dass
Meldebehörden im Einzelfall von sich aus z. B. an So-
zialleistungsträger Meldedaten mit der Anfrage über-
mitteln, ob Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser
Meldedaten vorliegen und die Sozialleistungsträger
daraufhin entsprechende Daten übermitteln.
Die Streichung des Verweises „Satz 1“ in Satz 3 be-
trifft eine redaktionelle Änderung.
Die Einfügung eines neuen Artikels 1a war erforder-
lich, weil nach § 67 des Zehnten Buches Sozial-
gesetzbuch (SGB X) eine Übermittlung von Sozial-
daten nur zulässig ist, soweit eine gesetzliche Über-
mittlungsvorschrift nach einer Rechtsvorschrift im
Sozialgesetzbuch vorliegt. Da nicht ausgeschlossen
werden kann, dass eine etwaige Korrekturmeldung
eines Sozialleistungsträgers nach dem neuen § 4a
Abs. 3 des Melderechtsrahmengesetzes an Meldebe-
hörden durch die Wahnehmung eigener Aufgaben die-
ses Trägers (§ 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X) nicht gedeckt
ist, muss für diesen Fall eine besondere Rechtsgrund-
lage geschaffen werden.

Berlin, den 23. Mai 2000

Peter Enders
Berichterstatter

Beatrix Philipp
Berichterstatterin

Cem Özdemir
Berichterstatter

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Berichterstatter

Petra Pau
Berichterstatterin

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