BT-Drucksache 14/3165

zu a) GE der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - 14/282 - GE zur Änderung des GG (Staatsziel Tierschutz) b) GE der Abg. Rainer Funke, weiterer Abg. und F.D.P. - 14/207 - ... GE zur Änderung des GG (Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung) c) GE der Abg. Eva-Maria Bulling-Schröter, weiterer Abg. und PDS - 14/279 - ... GE zur Änderung des GG (Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel) d) GE des BR - 14/758 - GE zur Änderung des GG (Staatsziel "Tierschutz")

Vom 10. April 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3165
14. Wahlperiode 10. 04. 2000

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/282 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Staatsziel Tierschutz)

b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Rainer Funke, Dr. Guido Westerwelle,
Ulrich Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.
– Drucksache 14/207 –

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung)

c) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter,
Dr. Ruth Fuchs, Kersten Naumann und der Fraktion der PDS
– Drucksache 14/279 –

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel)

d) zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates
– Drucksache 14/758 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Staatsziel „Tierschutz“)

Drucksache 14/3165 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

A. Problem

Die Vorlagen gehen davon aus, dass der Schutz der Tiere als Lebewesen und
Mitgeschöpfe in der Rechtsordnung noch immer unzureichend ist. Die Lei-
dens- und Empfindungsfähigkeit insbesondere von höher entwickelten Tieren
erfordern dringend ein ethisches Minimum für das menschliche Verhalten. Die
einfachgesetzlichen Regelungen des Tierschutzgesetzes reichen dafür nicht
aus.

B. Lösung

Durch die Aufnahme eines Staatsziels „Tierschutz“ in das Grundgesetz wird
der Tierschutz auch im Vergleich zu anderen Verfassungsgütern verdeutlicht.
Das Staatsziel richtet sich in erster Linie an den Gesetzgeber, der die einfachge-
setzlichen Grundlagen zum Schutz der Tiere zu schaffen hat, um so einen Aus-
gleich zwischen den berechtigten Interessen von Menschen und von Tieren zu
erreichen.

Einfache Mehrheit im Ausschuss

C. Alternativen

Annahme des Gesetzentwurfs auf der Drucksache 14/282 in der ursprünglichen
Fassung oder eines der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 14/207, 14/279
und 14/758.

D. Kosten

Keine

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/3165

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf – Drucksache 14/282 – mit folgender Maßgabe, im Übri-
gen unverändert, anzunehmen:

Artikel 1 wird wie folgt gefasst:

„Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundes-
gesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten
Fassung, zuletzt geändert durch … (BGBl. …), wird wie folgt geändert:

In Artikel 20a werden nach dem Wort ‚Lebensgrundlagen‘ die Wörter ‚und
die Tiere‘ eingefügt.“,

b) den Gesetzentwurf – Drucksache 14/207 – für erledigt zu erklären,

c) den Gesetzentwurf – Drucksache 14/279 – für erledigt zu erklären,

d) den Gesetzentwurf – Drucksache 14/758 – für erledigt zu erklären.

Berlin, den 15. März 2000

Der Rechtsausschuss

Dr. Rupert Scholz Hermann Bachmaier Norbert Röttgen
Vorsitzender Berichterstatter Berichterstatter

Hans-Christian Ströbele Rainer Funke
Berichterstatter Berichterstatter

Sabine Jünger
Berichterstatterin

Drucksache 14/3165 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Hermann Bachmaier, Norbert Röttgen, Hans-Christian
Ströbele, Rainer Funke und Sabine Jünger

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Gesetzentwürfe auf den
Drucksachen 14/282, 14/207, 14/279 und 14/758 in seiner
16. Sitzung vom 21. Januar 1999 in erster Lesung beraten
und zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss
und zur Mitberatung an den Innenausschuss, den Ausschuss
für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Ernäh-
rung, Landwirtschaft und Forsten, den Ausschuss für Um-
welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und den Ausschuss
für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
überwiesen; den Gesetzentwurf auf der Drucksache 14/758
hat er zusätzlich dem Ausschuss für Gesundheit überwie-
sen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Die Vorlagen gehen übereinstimmend davon aus, dass der
Schutz der Tiere als Lebewesen und Mitgeschöpfe in der
Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nach wie
vor unzureichend sei. In Anbetracht der bisher nur einfach-
gesetzlichen Grundlage des Tierschutzes sei seine stärkere
Akzentuierung, die sich auf die ethisch-sittliche Verant-
wortung des Menschen insbesondere gegenüber höher ent-
wickelten, leidens- und empfindungsfähigen Tieren stütze,
im Verfassungsrecht dringend geboten. Der Tierschutz sei
gegenüber anderen mit Verfassungsrang ausgestatteten
Rechtsgütern wie z. B. der Forschungs- und Wissenschafts-
freiheit – Problem Tierversuche – kaum effektiv durchsetz-
bar. Die gleiche, sich auch in zahlreichen Gerichtsentschei-
dungen widerspiegelnde Problematik der Notwendigkeit
eines ethischen Mindeststandards für den Umgang des
Menschen mit Tieren zeige sich im Bereich der Tiertrans-
porte und der Nutztierhaltung.

Zum Zweck der verfassungsrechtlichen Berücksichtigung
des Tierschutzgedankens schlagen die Gesetzentwürfe über-
einstimmend die Aufnahme eines „Staatszieles Tierschutz“
in das Grundgesetz vor. Dabei wird sowohl eine Ergänzung
des Artikel 20a Grundgesetz als auch die Einfügung eines
neuen Artikel 20b in das Grundgesetz in Erwägung gezogen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Innenausschuss hat die Vorlagen in seiner Sitzung
vom 22. März 2000 beraten und

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/282 mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU
empfohlen, den Gesetzentwurf in der Fassung des Ände-
rungsantrages der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN und F.D.P. (vgl. IV.) anzunehmen;

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/279 mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN und F.D.P. gegen die Stimme der Vertreterin
der Fraktion der PDS beschlossen zu empfehlen, den
Gesetzentwurf abzulehnen und

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/758 einstimmig be-
schlossen zu empfehlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

– Den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/207 hat die Frak-
tion der F.D.P. im Ausschuss für erledigt erklärt.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die
Vorlagen in seiner 23. Sitzung vom 26. Januar 2000 beraten
und

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/282 mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
F.D.P. und PDS und mit der Stimme eines Mitgliedes der
Fraktion der CDU/CSU gegen die übrigen Stimmen der
Fraktion der CDU/CSU beschlossen zu empfehlen, den
Gesetzentwurf in der Fassung des Änderungsantrages
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
F.D.P. (vgl. IV.) anzunehmen;

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/207 einstimmig be-
schlossen zu empfehlen, den Gesetzentwurf für erledigt
zu erklären;

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/279 mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und F.D.P. gegen die Stimmen der Fraktion
der PDS beschlossen zu empfehlen, den Gesetzentwurf
abzulehnen;

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/758 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. gegen die
Stimmen der Fraktion der PDS und bei Stimmenthaltung
der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
beschlossen zu empfehlen, den Gesetzentwurf abzuleh-
nen.

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten hat die Vorlagen in seiner 32. Sitzung vom 26. Ja-
nuar 2000 beraten und

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/282 mit den Stimmen
der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
F.D.P. und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der
CDU/CSU beschlossen zu empfehlen, den Gesetzent-
wurf in der Fassung des Änderungsantrages der Frak-
tionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.
(vgl. IV.) anzunehmen;

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/207 auf Antrag der
Fraktion der F.D.P. unter Berücksichtigung des Ände-
rungsantrages der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und F.D.P. (vgl. IV.) beschlossen zu empfeh-
len, den Gesetzentwurf für erledigt zu erklären;

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/279 mit den Stimmen
der Mehrheit der Fraktion der SPD und den Stimmen der
Fraktion der CDU/CSU gegen die Stimme der Fraktion
der PDS und bei Stimmenthaltung der Fraktionen

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/3165

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. und eines Mit-
glieds der Fraktion der SPD beschlossen zu empfehlen,
den Gesetzentwurf abzulehnen;

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/758 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. und einer
Stimme der Fraktion der SPD gegen die Stimme der
Fraktion der PDS bei Stimmenthaltung der Mehrheit der
Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN beschlossen zu empfehlen, den Gesetzent-
wurf abzulehnen.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat die Vorlagen in seiner 26. Sitzung vom 1. De-
zember 1999 beraten und

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/282 mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
F.D.P. und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der
CDU/CSU beschlossen zu empfehlen, den Gesetzent-
wurf in der Fassung des Änderungsantrages der Frak-
tionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.
(vgl. IV.) anzunehmen;

– zu den Vorlagen auf den Drucksachen 14/207, 14/279
und 14/758 auf eine Abstimmung verzichtet.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat die Vorlagen in seiner 20. Sitzung vom
26. Januar 2000 beraten und

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/282 mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
F.D.P. und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der
CDU/CSU beschlossen zu empfehlen, den Gesetzent-
wurf in der Fassung des Änderungsantrages der Frak-
tionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.
(vgl. IV.) anzunehmen;

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/278 beschlossen zu
empfehlen, den Gesetzentwurf für erledigt zu erklären;

– zu der Vorlage auf Drucksache 14/758 einvernehmlich
beschlossen zu empfehlen, den Gesetzentwurf abzuleh-
nen.

– Den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/207 erklärte die
Fraktion der F.D.P. im Ausschuss für erledigt.

Der Ausschuss für Gesundheit hat die Vorlage auf Druck-
sache 14/758 in seiner Sitzung vom 1. Dezember 1999 bera-
ten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS gegen die Stimmen der
Fraktion der CDU/CSU beschlossen zu empfehlen, dem Ge-
setzentwurf zuzustimmen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnis
im Rechtsausschuss

Bereits in der 13. Wahlperiode waren entsprechende Ge-
setzentwürfe zur Änderung des Grundgesetzes durch den
Bundesrat – Drucksache 13/9723 –, die Fraktion der SPD –
Drucksache 13/8597 –, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN – Drucksache 13/8249 – und die Gruppe der
PDS – Drucksache 13/8678 – in den Deutschen Bundestag
eingebracht worden. Der Rechtsausschuss hatte hierzu in
seiner 115. Sitzung vom 1. April 1998 eine öffentliche An-

hörung durchgeführt, an der als Sachverständige teilgenom-
men haben:

– Dr. Johannes Caspar, Universität Hamburg

– Prof. Dr. Otto Depenheuer, Universität Mannheim

– Prof. Dr. Udo Di Fabio, Universität München

– Prof. Dr. Erbel, Universität Bonn

– Dr. Bernward Garthoff, Bayer AG, Leverkusen

– Dr. Eisenhart von Loeper, Rechtsanwalt, Nagold

– Prof. Dr. Wolfgang Löwer, Universität Bonn

– Prof. Dr. Gerhard Neuweiler, Universität München

– Evelyn Ofensberger, Rechtsanwältin,
Deutscher Tierschutzbund e.V., München

– Prof. Dr. Dieter Sterzel, Universität Oldenburg.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das
Protokoll der 115. Sitzung des Rechtsausschusses mit den
anliegenden Stellungnahmen der Sachverständigen verwie-
sen. Die weiteren Beratungen im Ausschuss wurden aber in
der 13. Wahlperiode nicht mehr abgeschlossen.

Die Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
F.D.P. haben zu dem Gesetzentwurf – Drucksache 14/282 –
die sich aus der Beschlussempfehlung ergebenden Änderun-
gen mit folgender Begründung beantragt:

Durch das Einfügen der Worte „und die Tiere“ in Art. 20a
GG erstreckt sich der Schutzauftrag auch auf die Tiere als
Individuen. Dem ethischen Tierschutz wird damit Verfas-
sungsrang verliehen.

Der Tierschutz unterliegt den gleichen Bindungen und
Schranken wie der Schutz der natürlichen Lebensgrundla-
gen. Er ist in die verfassungsmäßige Ordnung eingebunden,
welche hier im Sinne des Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz –
als gesamter Normenbestand des Grundgesetzes – zu ver-
stehen ist. Damit wird die Bedeutung des Tierschutzes auch
im Vergleich mit anderen Verfassungsgütern verdeutlicht.
Durch die Aufnahme in Artikel 20a Grundgesetz werden un-
terschiedliche Formulierungen für den Schutz der natürli-
chen Lebensgrundlagen und den Tierschutz, die zu Missver-
ständnissen über den Rang des Tierschutzes führen könnten,
vermieden.

Das Staatsziel richtet sich in erster Linie an den Gesetzge-
ber, der die einfachgesetzlichen Grundlagen zum Schutz der
Tiere zu schaffen hat. Die Formulierung verzichtet nunmehr
bewusst auf eine Konkretisierung und lässt damit Raum für
die Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber. Die of-
fene Formulierung ermöglicht es, im einfachen Recht die
Belange und den Schutz der Tiere deutlich zu machen und
so einen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen
von Menschen und Tieren zu erreichen. Durch den Verzicht
auf die Konkretisierung bleibt es Aufgabe des einfachen Ge-
setzgebers, einen differenzierten Schutz für Tiere unter-
schiedlicher Entwicklungsstufen zu gewährleisten.

Durch die Einbindung in Artikel 20a Grundgesetz erstreckt
sich die Nachhaltigkeitsklausel auch auf den Tierschutz, so-
dass Tiere sowohl zum gegenwärtigen Zeitpunkt um ihrer
selbst Willen, als auch mit Blick auf die Zukunft als Gattung
geschützt sind. Die bisherige Unklarheit, ob und in welchem

Drucksache 14/3165 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Umfang der Tierschutz vom Schutz der natürlichen Lebens-
grundlagen erfasst ist, wird beseitigt, da nun jedenfalls die
Tiere sowohl um ihrer selbst Willen als auch im Hinblick auf
die Nachhaltigkeit von der Norm erfasst sind. Die Frage, ob
beispielsweise der Artenschutz als Tierschutz oder als
Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zu sehen ist, hat
keine Bedeutung, da er jedenfalls von der neuen Fassung
des Artikel 20a Grundgesetz umfasst wird und auch die Ein-
schränkungen hinsichtlich beider Alternativen dieselben
sind.

Der Rechtsausschuss hat die Vorlagen in seiner 45. Sitzung
vom 15. März 2000 abschließend beraten und mit den Stim-
men der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
F.D.P. und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/
CSU beschlossen zu empfehlen, dem Gesetzentwurf der
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
Drucksache 14/282 – in der durch den Änderungsantrag
vorgeschlagenen Fassung zuzustimmen.

Der Ausschuss hat ferner einvernehmlich beschlossen zu
empfehlen, die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 14/
207, 14/279 und 14/758 für erledigt zu erklären.

Im Ausschuss bestand fraktionsübergreifend Konsens darü-
ber, dass das Anliegen des Tierschutzes in der Praxis nicht
effektiv genug umgesetzt werde und Verbesserungen insbe-
sondere im Bereich der Massentierhaltung und der Tier-
transporte dringend erforderlich seien.

Die Fraktion der SPD vertrat die Auffassung, dass der sog.
‚ethische Tierschutz‘ nicht von der bisher geltenden Fassung
des Art. 20a GG erfasst werde. In dem betroffenen Bereich
gebe es zwar deutliche einfachgesetzliche Regelungen wie
z. B. das Tierschutzgesetz. Der dort formulierte hohe An-
spruch könne indes in der Rechtspraxis oft nicht umgesetzt
werden. Grund sei der fehlende Verfassungsrang, so dass
der Tierschutz im Konfliktfalle und beim Zusammentreffen
mit anderen verfassungsrechtlich geschützten Gütern wie
z. B. der Kunst- oder Wissenschaftsfreiheit stets unterliege.
Insoweit sei es notwendig, den Tierschutz verfassungsrecht-
lich zu verankern, um bei Konflikten mit anderen Verfas-
sungsgütern eine zufriedenstellende Berücksichtigung des
Tierschutzanliegens gewährleisten zu können. Überdies sei
anhand etlicher Gerichtsentscheidungen deutlich geworden,
dass es den Gerichten erhebliche Schwierigkeiten bereite,
den Tierschutzgedanken aus unterverfassungsrechtlichen
Vorschriften hinreichend deutlich abzuleiten. Angesichts
der Bedürfnisse der Rechtspraxis sei für eine behutsame
Fortentwicklung des Tierschutzrechtes deshalb der verfas-
sungsrechtliche Rahmen zu wählen. Einer entsprechenden
grundgesetzlichen Regelung komme schließlich auch eine
nicht zu unterschätzende edukative Wirkung zu.

Die Fraktion der CDU/CSU war der Ansicht, dass die
Verfassung für parteipolitische Profilierungsversuche eine
Tabuzone sein solle. Es sei widersprüchlich, einerseits an
den Gesetzgeber selbst gerichtete Staatszielbestimmungen
zu formulieren, andererseits jedoch keine administrativen
Maßnahmen auf bundes- oder europarechtlicher Ebene zu
ergreifen, die zu einer wirklichen Verbesserung der Lage –
etwa bei den Tiertransporten und der Massentierhaltung –
führten. Insofern werde durch eine Verfassungsänderung le-
diglich ein Placebo-Effekt erzielt. Darüber hinaus seien rein
verfassungsrechtliche Bedenken zu berücksichtigen, da sich
die zurückhaltende Verwendung von Staatszielbestimmun-
gen im Grundgesetz bisher als klug erwiesen habe und die
mit Staatszielbestimmungen zwangsläufig verbundene Ver-
lagerung von Wertungsentscheidungen auf die Gerichte zu
Fehlentwicklungen führen werde. Nach alledem müsse dem
Anliegen des Tierschutzes im Tierschutzgesetz selbst, das
bereits jetzt auch im europäischen Vergleich sehr hohe ethi-
sche Anforderungen formuliere und eines der besten und
effektivsten weltweit sei, Rechnung getragen werden. Eine
verfassungsrechtliche Verankerung sei für das Bestreben
des Tierschutzes deshalb nutzlos und für die Verfassung
schädlich.

Die Fraktion der F.D.P. war der Meinung, die sich aus dem
gemeinsam mit den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN formulierten Änderungsantrag – Ausschuss-
drucksache 32 – ergebende Kompromisslösung trage einer-
seits dem Tierschutzgedanken hinreichend Rechnung, führe
andererseits aber auch nicht zu einer unverhältnismäßigen
Einschränkung der Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hob in den
Beratungen den hohen Stellenwert hervor, den der Tier-
schutz seit der Parteigründung als politische Forderung ge-
nieße. Wenngleich eine noch weitergehende Regelung als
die Verankerung eines Staatszieles denkbar und wünschens-
wert gewesen sei, werde den Gerichten nunmehr doch eine
dringend notwendige Auslegungs- und Abwägungshilfe an
die Hand gegeben, die dem Tierschutzgedanken die ihm aus
zwingenden ethischen Gründen zukommende Bedeutung
bei der Rechtsanwendung, die oft eine Güterabwägung not-
wendig mache, sichere.

Die Fraktion der PDS hat den durch den Kompromissent-
wurf herbeigeführten Wegfall des ursprünglich geplanten
Artikel 20b GG bedauert, da dieser das Tierschutzanliegen
wesentlich stärker akzentuiert hätte, als es nunmehr durch
die vorgesehene Fassung des Artikel 20a GG geschehe. Un-
geachtet dessen sei eine verfassungsrechtliche Verankerung
des Tierschutzgedankens indes dringend erforderlich.

Berlin, den 15. März 2000

Hermann Bachmaier Norbert Röttgen Hans-Christian Ströbele
Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter

Rainer Funke Sabine Jünger
Berichterstatter Berichterstatterin

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