Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.01.2022, Az. 25 W (pat) 565/20

25. Senat | REWIS RS 2022, 3415

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Gegenstand

Markenbeschwerdesache – "GEILER KAFFEE (farbige Wort-/Bildmarke) /GEILES GEBÄCK (Wort-/Bildmarke)" – keine Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2016 033 080

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 19. Januar 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein, des [X.] Dr. [X.] und der Richterin kraft Auftrages Fehlhammer

beschlossen:

1. [X.] wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke auf Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das am 15. November 2016 angemeldete [X.]

Abbildung

2

ist am 1. Februar 2017 unter der Nummer 30 2016 033 080 für nachfolgende Waren und Dienstleistungen als Marke in das beim [X.] geführte Markenregister eingetragen worden:

3

Klasse 30:

4

Kaffee; [X.]; [X.] auf pflanzlicher Grundlage; Aromastoffe für Getränke; Sirupe zum Aromatisieren; Backwaren;

5

Klasse 35:

6

Einzelhandelsdienstleistungen und Großhandelsdienstleistungen, auch online, in Bezug auf: Kaffee, [X.], [X.] auf pflanzlicher Grundlage, Aromastoffe für Getränke, Sirupe zum Aromatisieren, Kaffeemaschinen, Geschirr, Besteck, Zucker, Schokolade, Gebäck, Geräte zum Erhitzen und Aufschäumen von Milch, Milch; Konsumgüterberatung in Bezug auf: Kaffee, [X.], [X.] auf pflanzlicher Grundlage, Aromastoffe für Getränke, Sirupe zum Aromatisieren, Kaffeemaschinen, Geschirr, Besteck, Zucker, Schokolade, Gebäck, Geräte zum Erhitzen und Aufschäumen von Milch, Milch; Verbraucherinformationsdienste; Marketing und Verkaufsförderung für Dritte;

7

[X.]:

8

Verpflegung von Gästen; Betrieb von Bars, Cafeterien und Restaurants; Catering.

9

Gegen die Eintragung der am 3. März 2017 veröffentlichten Marke hat der Beschwerdeführer am 2. Juni 2017 Widerspruch aus seiner prioritätsälteren Wort-/Bildmarke 30 2015 104 144 erhoben:

Abbildung

Sie wurde am 26. Januar 2016 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 21, 29, 30, 39 und 43 eingetragen. Der Widerspruch stützt sich auf die Waren und Dienstleistungen der Klassen 30 und 43, worunter u. a. fallen:

Klasse 30:

Aromastoffe [ausgenommen ätherische Öle] für Getränke; Back- und Konditoreiwaren; Kaffee; [X.]; Kaffeeersatzmittel auf pflanzlicher Basis; Sirupe zum Aromatisieren;

[X.]:

Betrieb einer Bar; Betrieb von Cafeterien mit Selbstbedienung; Betrieb von Restaurants in Hotels; Catering; Verpflegung von Gästen.

Der Widerspruch richtet sich gezielt gegen die Waren und Dienstleistungen der Klassen 30 und 43 der jüngeren Marke.

Die Markenstelle für [X.] des [X.]s hat mit Beschluss eines Beamten des gehobenen Dienstes vom 7. Mai 2020 eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zwischen den sich gegenüberstehenden Marken verneint, den Widerspruch gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 [X.] zurückgewiesen und keine Kosten auferlegt (Ziffer 1 des Tenors). Zudem wurde der Gegenstandswert auf 50.000,- [X.] festgesetzt (Ziffer 2 des Tenors). Zur Begründung ist ausgeführt, dass die jüngere Marke auch in Verbindung mit identischen Waren und Dienstleistungen der Klassen 30 und 43 den erforderlichen [X.] einhalte. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei unterdurchschnittlich, weil sich das Adjektiv „geil“ mittlerweile zu einem gebräuchlichen Wort der Alltagssprache entwickelt habe, mit dem eine bestimmte Person oder Sache in [X.] und Weise als „großartig“ oder „toll“ bezeichnet werde. Bei den [X.] handele es sich jeweils um Wort-/Bildmarken. In klanglicher Hinsicht werde der Gesamteindruck der jüngeren Marke allein durch den Wortbestandteil „Geiler Kaffee“ geprägt. Der Gesamteindruck der älteren Marke werde klanglich von ihrem Wortbestandteil „[X.]“ bestimmt, so dass sich die Wortfolgen „Geiler Kaffee“ und „[X.]. Anhaltspunkte für eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne könnten nicht festgestellt werden. Anlass für eine Kostenauferlegung sei nicht gegeben.

Gegen die in dem Beschluss vom 7. Mai 2020 getroffene Kostenentscheidung hat die Inhaberin der angegriffenen Marke isoliert Beschwerde erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die Kosten von dem Widersprechenden zu tragen seien, da eine Verwechslungsgefahr nach anerkannten Beurteilungsgrundsätzen offensichtlich nicht gegeben sei. Die [X.] wiesen keine Gemeinsamkeiten auf, die einen Widerspruch erfolgversprechend erscheinen ließen. Da die beiderseitigen Bildelemente nicht übereinstimmten, sei allein auf die Wortkomponenten „Geiler Kaffee“ bzw. „[X.]“ abzustellen. Die Substantive „Kaffee“ und „Gebäck“ würden die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen beschreiben und seien nicht ähnlich. Mit dem allenfalls für eine Verwechslungsgefahr in Betracht kommenden Bestandteil „geiler“ bzw. „geiles“ werde nicht nur der Zustand sexueller Erregung bezeichnet. Er sei auch ein Synonym für „großartig“, „toll“, „sehr gut“ oder „spitze“. Demzufolge solle er das weitere Wortelement im Sinne von gutes oder tolles Gebäck bzw. guter oder toller Kaffee beschreiben und hervorheben. Die beiderseitigen Wortkomponenten seien folglich schutzunfähig. So habe beispielsweise das [X.] in der Vergangenheit zahlreiche Anmeldungen ähnlich gebildeter Wortzeichen, wie [X.] 2014 029 335.8 - GG Geiles Gesöff, [X.] 2016 202 000.1 - [X.], [X.] 236 844.2 - Geiles-Wetter.de oder [X.], wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Gleiches würde gelten, wenn der [X.] „geil“ als Werbeslogan angesehen werde. Zudem sei weder zur Steigerung seiner Kennzeichnungskraft noch derjenigen der Widerspruchsmarke vorgetragen worden. Ihre Eintragung in das Markenregister führe nicht zu einer Monopolisierung der rein beschreibenden Wortbestandteile. Die Markenstelle habe sich in der angegriffenen Entscheidung ganz offensichtlich nicht mit dem [X.] der Inhaberin der angegriffenen Marke befasst. Die Erhebung des Widerspruchs stelle einen Verstoß gegen die eigenen prozessualen Sorgfaltspflichten dar, so dass es der Billigkeit entspreche, dem Widersprechenden die Kosten des Widerspruchs- und Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Sie beantragt sinngemäß:

1. Der Beschluss der Markenstelle für [X.] vom 7. Mai 2020 wird aufgehoben, soweit keine Kosten auferlegt oder erstattet worden sind.

2. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens vor dem [X.] als auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem [X.] sind dem Widersprechenden aufzuerlegen.

Der Widersprechende beantragt sinngemäß,

die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, dass sich die beiden Marken im Verkehr auf identischen Waren und Dienstleistungen der Klassen 30 und 43 begegnen könnten. Die jüngere Marke halte den notwendigen Abstand schon deswegen nicht ein, weil der Gesamteindruck der [X.] jeweils durch ihre kennzeichnungskräftigen [X.]“ bzw. „[X.]“ geprägt werde und zu „geilem Gebäck“ auch „geiler Kaffee“ gehöre. Der Widerspruchsmarke komme durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Das Wort „geil“ sei insbesondere bei älteren Verkehrsteilnehmern noch nicht derart in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen, dass damit eine allgemeingültige Qualitätsaussage getroffen werden könne. Die einschlägigen Waren und Dienstleistungen hätten nichts mit der ursprünglichen Bedeutung des Wortes „geil“ zu tun, so dass ihm in diesem Kontext Individualität, Kreativität und Originalität zukomme. Es sei in mehreren Wortkombinationen vorhanden, die als Marken eingetragen worden seien, so u. a. [X.]3 13 750 – [X.] IST GEIL, [X.] 2018 003 514 – Gestört aber Geil und [X.] 2013 044 185 – [X.]. Auch finde es vorliegend mehr Beachtung, da es an erster Stelle stehe. Die [X.] würden zudem über dieselben Wege vertrieben, richteten sich an dieselben Endkunden und ergänzten sich in ihrem [X.]. Es handele sich um Waren des täglichen Bedarfs von relativ geringem Wert, so dass die Aufmerksamkeit der Verkehrskreise, was die Wahrnehmung der Unterschiede der Marken angehe, als gering einzustufen sei. Gerade aufgrund des den jeweiligen Gesamteindruck prägenden Elements „geil“ werde der Verkehr die jüngere Marke irrtümlich dem Widersprechenden zuordnen oder auf sonstige wirtschaftliche bzw. organisatorische Verbindungen zwischen den beiden Markeninhabern schließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für [X.] vom 7. Mai 2020, die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten sowie den rechtlichen Hinweis des [X.]s vom 18. Oktober 2021 und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Zu einer Auferlegung der Kosten des Widerspruchsverfahrens vor dem [X.] gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 [X.] als auch der Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass, so dass die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 [X.] zulässige Kostenbeschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke sowie ihr Antrag auf Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Sache keinen Erfolg haben.

Ausweislich ihrer Ausführungen in dem Schriftsatz vom 3. Juni 2020 sieht sie es als unbillig an, wenn sie „die durch das nachlässige Verhalten des [X.] entstandenen Kosten … selbst tragen soll“. Hierbei differenziert sie nicht zwischen dem Amts- und dem Rechtsmittelverfahren. Zudem gelten ihre Ausführungen zur Sinnhaftigkeit der Rechtsverfolgung ebenso für das Beschwerdeverfahren. Demzufolge legt der [X.] das Vorbringen der Inhaberin der angegriffenen Marke dahingehend aus, dass sowohl die Kosten des Widerspruchs- als auch des Beschwerdeverfahrens dem Widersprechenden auferlegt werden sollen.

Vorliegend ist zwar eine Verwechslungsgefahr im Ergebnis zu verneinen, zumal die gegenständliche Kollisionslage keinen schwierigen Grenzfall darstellt. Dennoch ist die Einlegung des Widerspruchs als auch der Beschwerde gegen den Beschluss der Markenstelle für [X.] noch mit der prozessualen Sorgfalt zu vereinbaren (vgl. hierzu [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 13. Auflage, § 71 Rn. 13), da weder Erstgenannter noch Zweitgenannte nach anerkannten [X.] von Anfang an aussichtslos waren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass beschreibende bzw. schutzunfähige Bestandteile komplexer Zeichen bei der Prüfung der Markenähnlichkeit nicht von vorneherein außer Betracht bleiben können. Vielmehr sind die [X.] jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck zueinander ins Verhältnis zu setzen, wobei auch beschreibende [X.] in diese Betrachtung einzubeziehen sind (vgl. [X.], 870 Rn. 71 - [X.]/[X.]). Im Einzelnen:

a) Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des [X.] als auch des [X.] unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. [X.] [X.], 933 Rn. 32 - [X.]; [X.], 1098 Rn. 44 - [X.]/[X.]; [X.], 64 Rn. 9 - Maalox/[X.]; [X.], 1040 Rn. 25 - [X.]/pure; [X.], 833 Rn. 30 - Culinaria/[X.]; [X.], 382 Rn. 19 - [X.]; [X.] 2018, 79 Rn. 9 - [X.]/[X.] Club). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten [X.] (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu [X.], 343 Rn. 48 - [X.]/[X.]; [X.], 1202 Rn. 19 - [X.]/YO; [X.] 2020, 870 Rn. 25 - [X.]/[X.]; [X.] 2019 1058 Rn. 17 - KNEIPP; [X.] 2019, 173 Rn. 17 - combit/Commit; [X.] 2018, 79 Rn. 7 - [X.]/[X.] Club; [X.], 64 Rn. 9 - Maalox/[X.]; [X.], 1040 Rn. 25 - [X.]/pure; siehe auch [X.]/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 43 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren entscheidungserheblich sein, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit sowie das Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen der angegriffenen Wort-/Bildmarke

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und der Widerspruchsmarke (Wort-/Bildmarke)

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in Verbindung mit den angegriffenen Waren der Klasse 30 und Dienstleistungen der [X.] keine Verwechslungsgefahr.

b) Die [X.] können sich im beschwerdegegenständlichen Umfang auf identischen, zumindest jedoch auf hochgradig ähnlichen Waren und Dienstleistungen begegnen.

Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder [X.], ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Umstände, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. [X.] [X.] Int. 2009, 397 Rn. 65 – [X.][X.] [[X.]/MOBILIX]; [X.], 157 Rn. 21 – [X.]; [X.] 2015, 176 Rn. 16 – [X.]/[X.]; [X.] 2004, 601 – d-c-fix/[X.]; [X.] 2001, 507, 508 – [X.]/R[X.]).

Die Waren der Klasse 30 „Kaffee; [X.]; Aromastoffe für Getränke; Sirupe zum Aromatisieren; Backwaren“ werden von den [X.] identisch beansprucht. Soweit die jüngere Marke - anders als die ältere Marke - für die Waren „Aromastoffe für Getränke“ ohne die Einschränkung „[ausgenommen ätherische Öle]“ eingetragen ist, liegt zumindest eine hochgradige [X.] vor.

Auch die Waren „[X.] auf pflanzlicher Grundlage“ (Klasse 30) auf Seiten der angegriffenen Marke und die Waren „Kaffeeersatzmittel auf pflanzlicher Basis“ (Klasse 30) auf Seiten der älteren Marke sind identisch, da die Begriffe „Stoffe“ und „Mittel“ bzw. „Grundlage“ und „Basis“ in diesem Zusammenhang als Synonyme zu verstehen sind.

Die Dienstleistungen „Verpflegung von Gästen; Betrieb von Bars, Cafeterien und Restaurants; Catering“ ([X.]) der jüngeren Marke entsprechen den Dienstleistungen „Betrieb einer Bar; Betrieb von Cafeterien mit Selbstbedienung; Betrieb von Restaurants in Hotels; Catering; Verpflegung von Gästen“ ([X.]) der älteren Marke. Auch insoweit ist von Identität auszugehen.

c) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist abhängig von den jeweils für sie eingetragenen und vorliegend maßgeblichen Waren und Dienstleistungen als unterdurchschnittlich bis durchschnittlich einzustufen.

Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren sowie Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] [X.], 1096 Rn. 31 – BORCO/[X.] [Buchst. a]; [X.] [X.] 2017, 75 Rn. 19 – [X.]). Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen. Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (vgl. [X.], 1358 Rn. 10 – [X.]/[X.]solar; [X.], 1040 Rn. 30 f. – [X.]/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen ([X.], a. a. O. – [X.]).

(1) Im Zusammenhang mit den Waren der Klasse 30 „Back- und Konditoreiwaren“ sowie den Dienstleistungen der [X.] „Betrieb einer Bar; Betrieb von Cafeterien mit Selbstbedienung; Betrieb von Restaurants in Hotels; Catering; Verpflegung von Gästen“ weist die Widerspruchsmarke eine lediglich unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft auf.

Bei der angreifenden Marke handelt es sich um eine Wort-/Bildkombination, die sich aus dem Wortbestandteil „GEILES GEBÄCK“ und einer Linie zusammensetzt, die sich jeweils im rechten Winkel abknickend, in der Art eines Schneckenhauses entgegen dem Uhrzeigersinn nach innen eindreht. Unter dieser Darstellung ist der Wortbestanteil „GEILES GEBÄCK“ einzeilig und in einer üblichen Typografie wiedergegeben, wobei er und die „Schnecke“ in einem ausgeglichenen Größenverhältnis zueinanderstehen.

Das Wort „geil“ wird nicht mehr nur im Sinne von „sexuell erregt“ bzw. „sexuell erregend“ verstanden, sondern auch als saloppe Umschreibung von „super“, „toll“ oder „sehr gut“. Entgegen der Auffassung des Widersprechenden gilt dies unabhängig vom Alter der angesprochenen Verbraucher. Es mag sein, dass ältere Personen das Wort „geil“ eher selten verwenden. Daraus folgt jedoch nicht, dass sie es nur im Sinne von „sexuell erregend“ interpretieren. Vielmehr ist auch dieser Teil des Verkehrs - mag er dies begrüßen oder nicht - an die Verwendung des Wortes in der Alltagssprache hinreichend gewöhnt, so dass ihm auch die Bedeutung „toll“ oder „super“ geläufig ist.

Zudem hat die Inhaberin der angegriffenen Marke zutreffend darauf hingewiesen, dass das Wort „geil“ auch in der Werbung intensiv benutzt wird. So war die darauf ausgerichtete Werbekampagne der Firma [X.] derart erfolgreich, dass der Begriff „[X.]“ gebräuchlich wurde. Deswegen ist entgegen der Auffassung des Widersprechenden die Kombination des Adjektivs „geil“ mit einem beliebigen Substantiv in der Werbesprache keineswegs ungewöhnlich, sondern üblich und gibt dem Verkehr keinen Anlass zum Nachdenken. Er wird den Wortbestandteil der Widerspruchsmarke vielmehr unmittelbar und ohne Nachdenken als werblich-anpreisende Sachaussage im Sinne von „sehr gutes Gebäck“ bzw. „ganz tolles Gebäck“ verstehen. Das Verständnis als werbliche Anpreisung bezieht sich dabei nicht nur unmittelbar auf „Back- und Konditoreiwaren“ der Klasse 30, sondern auch auf die einschlägigen Dienstleistungen der [X.]. Der Verkehr wird die Wortkombination „GEILES GEBÄCK“ in diesem Zusammenhang dahingehend verstehen, dass im Rahmen des so gekennzeichneten gastronomischen Angebots „ganz tolles Gebäck“ serviert wird.

Darüber hinaus kann auch der Bildbestandteil der älteren Marke in Verbindung mit den Waren der Klasse 30 „Back- und Konditoreiwaren“ und den einschlägigen Dienstleistungen der [X.] zu keiner originär durchschnittlichen Kennzeichnungskraft verhelfen. Zum einen handelt es sich bei der schneckenartigen Linie um eine einfache und gebräuchliche grafische Gestaltung, die im Zusammenhang mit einem unmittelbar beschreibenden Begriff keinen schutzbegründenden Überschuss vermitteln kann (vgl. [X.] [X.] 2001, 1153 – antiKALK). Zum anderen werden Back- und Konditoreiwaren, insbesondere Nuss-, Mohn- oder Zimtschnecken, häufig in Schneckenform angeboten, so dass auch der Bildbestandteil die betreffenden Waren beschreibt, die zudem Gegenstand der in Rede stehenden gastronomischen Dienstleistungen sein können.

Die Frage, ob der Widerspruchsmarke aufgrund dieser Umstände überhaupt ein relevanter Schutzbereich zuzubilligen ist, muss als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

(2) In Verbindung mit den Waren der Klasse 30 „Aromastoffe [ausgenommen ätherische Öle] für Getränke; Kaffee; [X.]; Kaffeeersatzmittel auf pflanzlicher Basis; Sirupe zum Aromatisieren“ kann zu Gunsten des Widersprechenden unterstellt werden, dass der Widerspruchsmarke noch eine originär durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukommt. Insofern braucht die Frage, ob auch im Zusammenhang mit solchen Waren, die zwar kein Gebäck sind, jedoch naheliegend mit der Ware „Gebäck“ assoziiert werden, zumindest von einem engen beschreibenden Bezug der Wortkombination „[X.]“ auszugehen ist, nicht vertieft werden.

(3) Anhaltspunkte, die für eine Steigerung oder Schwächung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke aufgrund intensiver Benutzung oder der Verwendung von Drittzeichen sprechen, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht.

d) Die [X.] weisen in keiner Wahrnehmungskategorie eine hinreichende kollisionsbegründende Ähnlichkeit auf.

Die Ähnlichkeit von Marken ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil sie auf die von ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Markenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten [X.]. Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise, die eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfassen und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achten (so z. B. [X.] [X.], 283 Rn. 37 – [X.] m. w. N.).

(1) Bei der Prüfung der klanglichen Ähnlichkeit ist auch vorliegend von dem Grundsatz auszugehen, dass sich der angesprochene Verkehr bei [X.] an dem jeweiligen Wortbestandteil als dem am leichtesten zu erfassenden und auszusprechenden Zeichenelement orientieren wird. Die Frage, ob der betreffende Wortbestandteil auch eine relevante klangliche Zeichenähnlichkeit begründen kann, oder ob eine klangliche Zeichenähnlichkeit schon aus Rechtsgründen zu verneinen ist, weil dem Wortbestandteil der älteren Marke für sich genommen keine Schutzfähigkeit zukommt, ist erst in einem zweiten Schritt zu prüfen.

Die Markenstelle ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der angesprochene Verkehr bei der Wahrnehmung der jüngeren Marke in klanglicher Hinsicht vornehmlich an dem Wortbestandteil „Geiler Kaffee“ orientieren wird, denn mit ihm kann das [X.] am einfachsten benannt werden. Auch ist er gut lesbar und steht erkennbar im Vordergrund.

Im Rahmen der Aussprache wird der Verkehr die sich gegenüberstehenden Marken folglich auf

„Geiler Kaffee“

und

„[X.]“

verkürzen.

Unabhängig von dem Umstand, dass der Wortbestandteil der älteren Marke zumindest im Zusammenhang mit den Waren der Klasse 30 „Back- und Konditoreiwaren“ und den einschlägigen Dienstleistungen der [X.] für sich genommen schutzunfähig ist, so dass er schon aus Rechtsgründen keine relevante Zeichenähnlichkeit begründen kann, ist vorliegend auch nach den üblichen [X.] eine kollisionsbegründende klangliche Ähnlichkeit zu verneinen. Die [X.] stimmen zwar in ihren Wortanfängen („geiler“ bzw. „geiles“) klanglich nahezu überein. Allerdings weichen sie im Übrigen so deutlich voneinander ab („Kaffee“ und „Gebäck“), dass die klanglichen Unterschiede nicht überhört werden können und einen gänzlich anderen Gesamteindruck vermitteln.

Soweit der Widersprechende der Auffassung ist, dass schon die Übereinstimmungen in den Bestandteilen „geiler“ bzw. „geiles“ für sich genommen zu einer relevanten klanglichen Ähnlichkeit führen könnten, nimmt er letztlich einen Elementschutz in Anspruch, der dem Markenrecht fremd ist.

Eine Prägung des Gesamteindrucks der jüngeren und/oder der älteren Marke durch die Wortbestandteile „geiler“ und/oder „geiles“ scheidet aus. Die Adjektive „geiler“ bzw. „geiles“ sind auf die nachfolgenden Substantive „Kaffee“ bzw. „Gebäck“ bezogen und bilden mit jenen jeweils einen Gesamtbegriff, der einen eigenständigen sachbeschreibenden bzw. werblich-anpreisenden Bedeutungsgehalt vermittelt. Insofern hat der Verkehr keinen Anlass, sich allein an den vorangestellten und lediglich der Konkretisierung dienenden Eigenschaftswörtern „geiler“ bzw. „geiles“ zu orientieren.

(2) In bildlicher Hinsicht weisen die [X.] keine relevanten Ähnlichkeiten auf. Der runde schwarze Hintergrund der jüngeren Marke einschließlich seiner Teilung durch die Verlängerung der [X.]“ unterscheidet sich grundlegend von dem schneckenförmigen grafischen Element, bei dem es sich um den wesentlichen Bildbestandteil der älteren Marke handelt. Die [X.] weisen damit einen völlig unterschiedlichen bildlichen Gesamteindruck auf.

Auch nähern sich die beiden Marken begrifflich nicht in rechtserheblichem Umfang an. Die Wortfolgen „ganz toller Kaffee“ und „ganz tolles Gebäck“ bezeichnen jeweils etwas völlig Anderes.

e) Gründe für die Annahme einer Verwechslungsgefahr durch Gedankliches-In-Verbindung-Bringen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2, letzter Halbsatz, [X.] sind ersichtlich nicht gegeben. Die [X.] „geiler“ und „geiles“ weisen weder in der jüngeren noch in der älteren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung auf.

Die einschlägigen Fallgruppen der Verwechslungsgefahr aufgrund Gedanklichen-In-Verbindung-Bringens sind vorliegend nicht relevant. Der Widersprechende beruft sich letztlich auf assoziative Zusammenhänge, die grundsätzlich nicht geeignet sind, eine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, letzter Halbsatz, [X.] zu begründen. Die Frage, ob nach der Verkehrsauffassung zu „geilem Kaffee“ auch „geiles Gebäck“ gehöre, mag bei der Frage der [X.] unter dem Gesichtspunkt sich ergänzender Waren und Dienstleistungen möglicherweise eine Rolle spielen. Für die Verwechslungsgefahr durch Gedankliches-In-Verbindung-Bringen ist der betreffende Vortrag des Widersprechenden jedoch unerheblich. Auch der Umstand, dass die Wortbestandteile der [X.] ähnlich gebildet sind und übereinstimmend das Adjektiv „geiler“ bzw. „geiles“ aufweisen, gibt dem Verkehr keinen Anlass, davon auszugehen, dass die so bezeichneten Produkte von demselben Unternehmen oder zumindest von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen herrühren.

2. Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke geltend macht, dass die Markenstelle sich im angegriffenen Beschluss mit ihrem Vorbringen zu den Kosten offenkundig nicht befasst habe und dieser diesbezüglich jeder Begründung entbehre, ist eine Aufhebung der Entscheidung unter Zurückverweisung der Sache an das [X.] gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] nicht veranlasst. Zwar findet sich im angegriffenen Beschluss zur Frage der Kostenauferlegung für sich genommen tatsächlich keine Begründung, die über die Verwendung eines Textbausteins hinausgeht. Allerdings sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen zur Verwechslungsgefahr in dem angegriffenen Beschluss zu berücksichtigen. Ihnen ist zu entnehmen, dass die Markenstelle nicht davon ausgegangen ist, die Einlegung des Widerspruchs habe erkennbar keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Unabhängig davon ist eine Zurückverweisung aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht angezeigt.

3. Der [X.] konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Verfahrensbeteiligten haben keinen Antrag auf Durchführung einer solchen gestellt und der [X.] hat sie auch nicht für sachdienlich erachtet (§ 69 Nr. 1 und Nr. 3 [X.]).

Meta

25 W (pat) 565/20

19.01.2022

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 158 Abs 3 MarkenG, § 43 Abs 2 S 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.01.2022, Az. 25 W (pat) 565/20 (REWIS RS 2022, 3415)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3415

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