Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2015, Az. 4 StR 133/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 3524

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4
StR
133/15

vom
22. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 22.
Oktober
2015, an der teilgenommen
haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer

als Vorsitzender,

[X.]in
am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
[X.] am Bundesgerichtshof
Cierniak,
[X.],
Bender

als beisitzende [X.],

Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof

als Vertreterin
des
[X.]s,

die Angeklagte in Person,

Rechtsanwältin

als Verteidigerin,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Vertreter der Nebenkläger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Ne-benklägers G.

M.

wird das Urteil des
[X.] vom 24.
November 2014 mit den zu-gehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Ange-klagte wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des [X.] G.

M.

verurteilt ist
und im Rechtsfolgenausspruch.
Auf die Revision des [X.] I.

M.

wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Fest-stellungen aufgehoben, soweit die Angeklagte wegen ge-fährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklä-gers I.

M.

verurteilt ist und im Rechts-
folgenausspruch.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstre-ckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger. Die Staatsanwaltschaft [X.] mit der Sachrüge, dass die Angeklagte nicht wegen versuchten [X.]
-
4
-
schlags zum Nachteil des [X.] G.

M.

verurteilt wur-

r-Mordes zum Nachteil des [X.] I.

M.

und wegen
versuchten Totschlags zum Nachteil des [X.] G.

M.

. Die vom [X.] vertretene Revision der Staatsanwalt-
schaft und die Rechtsmittel der Nebenkläger haben Erfolg.
1.
Nach den von der [X.] getroffenen Feststellungen stach die Angeklagte am 31.
März 2014 im Rahmen einer heftigen verbalen [X.] zwischen Angehörigen der Familien Ga.

und M.

, zu deren Zuspitzung sie maßgeblich beigetragen hatte, dem ihr den
Rücken zukehrenden I.

M.

ein Küchenmesser mit einer
ca.
12,5
cm langen spitz zulaufenden Klinge blitzschnell und völlig überra-schend mit Wucht unterhalb der Schulterhöhe in den Nacken, wobei sie dessen Tod billigend in Kauf nahm. Sie zog das Messer sofort wieder aus dem Körper und ging auf G.

M.

zu, der seinem [X.] zu Hilfe eilen wollte,
und stach ihm das Messer von vorn mit Wucht in den linken Mittelbauch, wobei sie auch dessen Tod billigend in Kauf nahm. Die Angeklagte zog das
Messer wieder aus dem Bauch des Geschädigten, wenige Sekunden später wurde es ihr von

K.

aus der Hand genommen. Möglicherweise wurde die An-
geklagte zuvor auch von

B.

zur Seite geschubst. Die Nebenkläger
wurden von

K.

ins Krankenhaus gebracht. Ihre Verletzungen waren
konkret lebensbedrohlich.
Die [X.] hat in beiden Fällen einen Rücktritt vom (unbeende-ten) Versuch des Mordes bzw. des Totschlags angenommen. Die Angeklagte habe mitbekommen, dass I.

M.

-
2
3
-
5
-
sen sei. Sie habe nach ihrer Vorstellung noch nicht alles getan, um den Erfolg der Tat, nämlich seinen Tod herbeizuführen, sondern habe von ihm abgelas-sen, um sich G.

M.

zuzuwenden. Auch hinsichtlich G.

M.

sei in dubio pro reo davon auszugehen, dass sie vom Versuch
des Totschlags strafbefreiend zurückgetreten sei. Der Versuch, G.

M.

zu töten, sei nicht fehlgeschlagen, weil sie nicht ausschließbar noch
[X.] auf diesen hätte einstechen können, bevor ihr das Messer ab-genommen worden sei. Deshalb sei zu ihren Gunsten von einem unbeendeten Versuch auszugehen.
2.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger führen auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils; die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist hingegen nicht ausgeführt und damit unzulässig. Die Feststellungen und die Beweiswürdigung tragen nicht die Annahme der [X.], die Angeklagte sei vom versuchten Mord bzw. versuchten Totschlag jeweils straf-befreiend zurückgetreten.
a)
Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Abgrenzung eines unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein strafbefreiender Rücktritt gegeben ist, darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sog. Rücktritts-horizont; vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Mai 1993

GSSt
1/93, [X.]St 39, 221, 227
f. [X.]) oder sich

namentlich nach besonders gefährlichen Gewalthand-lungen, die zu schweren Verletzungen geführt haben

keine Vorstellungen über die Folgen seines Handelns macht (vgl. Fischer, StGB,
62.
Aufl.,
§
24 Rn.
15, 15a [X.]).
4
5
-
6
-
b)
Das [X.] geht zwar im rechtlichen Ansatz zutreffend davon aus, dass es für die Beurteilung dieser Abgrenzungsfrage auf die Vorstellung der Angeklagten ankommt, trifft hierzu aber keine ausreichenden Feststellun-gen. Insoweit teilt das Urteil im Sachverhalt lediglich mit, die Angeklagte habe noch mitbekommen, dass die Verletzten handlungsfähig geblieben seien. Die Frage, ob und gegebenenfalls welche Schlüsse die Angeklagte hieraus hin-sichtlich des möglichen Todes ihres Opfers gezogen und ob sie den [X.] jeweils endgültig aufgegeben hat, bleibt indes offen. So stellt die Ju-gendkammer auch im Rahmen der rechtlichen Würdigung für die Frage, ob der [X.] zum Nachteil des G.

M.

unbeendet war, feh-
lerhaft allein darauf ab, dass der Versuch nicht fehlgeschlagen war (UA
40).
c)
Der aufgezeigte [X.] nötigt zur Aufhebung des

an sich rechtsfehlerfreien

Schuldspruchs wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen (vgl. [X.]/Gericke, 7.
Aufl., §
353 Rn.
12).
3.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a)
Die Angeklagte war bei Begehung der Taten 19
Jahre und drei Mona-te alt (vgl. UA
40). Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende be-trägt zehn Jahre (§
105 Abs.
3 Satz
1 JGG).
b)
Die Erwägung der [X.], es bedürfe einer Strafe, die noch zwei Jahre beträgt und damit das Höchstmaß erreicht, das noch eine Strafaus-setzung zur Bewährung zulässt, lässt eine unzulässige Vermischung des Vor-gangs der Festsetzung der Jugendstrafe und der grundsätzlich nachrangigen Frage, ob deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden kann, [X.] (vgl. hierzu [X.], Urteile vom 20.
November 2012

1
StR
428/12, NStZ 6
7
8
9
10
-
7
-
2013, 288,
und vom 7.
Februar 2012

1
StR
525/11, [X.], 634,
Rn.
40
ff.; Beschluss vom 12.
März 2008

2
StR
85/08, [X.], 693,
je-weils [X.]).
Mutzbauer
Roggenbuck
Cierniak

Franke
Bender

Meta

4 StR 133/15

22.10.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2015, Az. 4 StR 133/15 (REWIS RS 2015, 3524)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3524

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