Bundessozialgericht, Urteil vom 18.08.2022, Az. B 1 KR 38/21 R

1. Senat | REWIS RS 2022, 6145

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 26. März 2021 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die 1980 geborene Klägerin leidet an einem Lipödem und begehrt von der beklagten Krankenkasse ([X.]) Kostenerstattung für stationär durchgeführte [X.] an Armen, Beinen und Hüften.

2

Ihren befundgestützten Antrag auf Kostenübernahme für eine Liposuktion lehnte die [X.] ab (Bescheid vom [X.]). Die Liposuktion gehöre nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]), da der [X.] bislang keine entsprechende Empfehlung nach § 135 Abs 1 [X.]B V für eine ambulante Durchführung abgegeben habe und sich aus den eingereichten Unterlagen auch keine Notwendigkeit für eine stationäre Leistungserbringung ergebe. Den Widerspruch wies die [X.] nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme des [X.] ([X.]) zurück (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Nach Klageerhebung hat sich die Klägerin die begehrten [X.] im Dezember 2017, März 2018 und Mai 2018 als stationäre Behandlungen selbst beschafft (15 230 Euro). Sie ist mit Ihrem Kostenerstattungsbegehren beim [X.] erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid vom [X.]). Das L[X.] hat ihre Berufung zurückgewiesen: Die [X.] hätten nicht dem [X.] entsprochen. Aus § 137c Abs 3 [X.]B V ergebe sich auch ab dem 23.7.2015 keine Absenkung der Qualitätsanforderungen auf Methoden mit dem bloßen Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative (Hinweis auf die Urteile des erkennenden Senats vom 24.4.2018 - B 1 KR 13/16 R, vom 28.5.2019 - B 1 KR 32/18 R und vom 8.10.2019 - B 1 KR 2/19 R). Es liege auch kein Systemversagen vor. Ein Leistungsanspruch ergebe sich auch weder aus § 2 Abs 1a [X.]B V noch aus einem Anspruch auf Teilnahme an dem Erprobungsverfahren noch aus einem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (Urteil vom 26.3.2021).

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 137c Abs 3 Satz 1, § 39 und § 13 Abs 3 [X.]B V.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 26. März 2021 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 17. Januar 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 15 230 Euro zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der [X.] kann nicht abschließend darüber entscheiden, ob der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der von ihr selbst beschafften stationären [X.] zusteht.

8

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kann nur § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 [X.] sein. Voraussetzung dafür ist, dass die Klägerin im [X.]punkt der Selbstbeschaffung Anspruch auf die [X.] als [X.] nach § 39 Abs 1 [X.] hatte (stRspr; vgl zB BSG vom [X.] - [X.] KR 18/19 R - [X.], 290 = [X.]-2500 § 138 [X.], Rd[X.] 8 mwN). Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des [X.] des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind (§ 39 Abs 1 Satz 3 [X.]). Ein Naturalleistungsanspruch der Klägerin auf Versorgung mit einer Liposuktion ist hier einerseits nicht durch einen Beschluss des [X.] von vornherein aus dem GKV-Leistungskatalog ausgeschlossen (dazu 1.), andererseits kann der Anspruch auch nicht unmittelbar auf Richtlinien ([X.]) des [X.] gestützt werden (dazu 2. und 3.). Die Voraussetzungen des § 2 Abs 1a [X.] hat das [X.] zutreffend verneint; insoweit verzichtet der [X.] auf weitere Ausführungen. Ein danach verbleibender Naturalleistungsanspruch setzt voraus, dass die [X.] dem maßgeblichen [X.] entsprachen, die vollstationäre Leistungserbringung erforderlich war (§ 39 Abs 1 Satz 2 [X.]) und die Leistungen insgesamt wirtschaftlich (§ 12 Abs 1 [X.]) erbracht wurden. Die [X.] erfüllten im Behandlungszeitraum nicht die allgemeinen Qualitätsanforderungen des § 2 Abs 1 Satz 3 [X.] (dazu 4.). § 137c Abs 3 [X.], der am 23.7.2015 in [X.] getreten und auf das Leistungsgeschehen von Ende 2017 bis Mitte 2018 zeitlich anwendbar ist, hat jedoch das allgemeine [X.] partiell eingeschränkt (Art 1 [X.] Buchst b, Art 20 Abs 1 des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung vom [X.], [X.] 1211). Ob dessen Voraussetzungen hier vorlagen, kann der [X.] auf Grundlage der vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht entscheiden (dazu 5.).

9

1. Die Liposuktion als Behandlungsmethode war während der stationären Behandlungen der Klägerin nicht durch einen Beschluss des [X.] vom GKV-Leistungskatalog ausgenommen (§ 137c Abs 1 Satz 2 [X.]). Der [X.] hat das entsprechende Methodenbewertungsverfahren nur ausgesetzt und ein Erprobungsverfahren auf der Grundlage der Erprobungs-Richtlinie (Erp-[X.]) Liposuktion veranlasst (Beschluss vom [X.] zum auf Antrag der Patientenvertretung <§ 140f [X.]> vom 20.3.2014 mit Beschluss vom [X.] eingeleiteten Methoden-Bewertungsverfahren zur Liposuktion bei Lipödem unter Änderung der [X.] zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus ; mit demselben Beschluss vom [X.] Einleitung des [X.] zur [X.] zur Erprobung gemäß § 137e [X.] der Liposuktion bei Lipödem; Beschluss vom [X.] über eine [X.] zur Erprobung der Liposuktion beim Lipödem mit Wirkung vom 10.4.2018 ). Der [X.] hat rechtsfehlerfrei den Potentialbegriff bestimmt und im Falle der Liposuktion zutreffend angewandt (zur gerichtlichen Kontrolldichte von [X.] des [X.] vgl BSG vom 18.12.2018 - [X.] KR 11/18 R - [X.], 188 = [X.]-2500 § 137e [X.], Rd[X.] 14 ff). Die Erp-[X.] Liposuktion sieht in § 1 Satz 2 vor, dass die Studie durch eine unabhängige wissenschaftliche Institution nach Maßgabe der Erp-[X.] Liposuktion entworfen, durchgeführt und ausgewertet wird. Beginn der vom [X.] ([X.]) der [X.] gemeinsam mit der Hautklinik des [X.] betreuten Studie war der 15.12.2020 (vgl den Nachweis bei [X.], Bewertung zwischen der chirurgischen Therapie des Lipödems und der komplexen physikalischen Entstauungstherapie allein, [X.]; siehe auch https://www.g-ba.de/studien/erprobung/lipleg-studie). Interessentinnen konnten bis 31.12.2019 ihren [X.] anmelden (https://www.erprobung-liposuktion.de). Die Studie ist noch nicht abgeschlossen. Das Datum für den primären Abschluss soll der 1.9.2024 und das Datum für die Fertigstellung der 1.9.2025 sein (vgl den Nachweis bei [X.], aaO).

2. Soweit sich aus der Erp-[X.] Liposuktion im Rahmen des Auswahlverfahrens zunächst - jedenfalls hinsichtlich des vor Inkrafttreten der Erp-[X.] Liposuktion noch nicht operierten Gebiets - ein Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Teilnahme am Erprobungsverfahren ergeben hat (vgl BSG vom 24.4.2018 - [X.] KR 13/16 R - [X.], 262 = [X.]-2500 § 137e [X.] 1, Rd[X.]7 ff), eröffnet dies der Klägerin keinen Kostenerstattungsanspruch.

Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 [X.] erfordert im Falle von Ermessensleistungen, dass der Versicherte aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null einen Anspruch auf Verschaffung der beantragten Leistung hatte. Ein solcher Anspruch ist hier ausgeschlossen, weil das Auswahlverfahren vorsah, dass über die Teilnahme der Versicherten, die die Ein- und Ausschlusskriterien erfüllten, durch ein Losverfahren zu entscheiden war, um die rund 450 Teilnehmerinnen der Studie zu bestimmen (vgl [X.], [X.]). Das Losverfahren als [X.] begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, wenn es ordnungsgemäß durchgeführt wird (vgl BVerwG 4.10.2005 - 6 B 63.05 - [X.] 2006, 81 = juris Rd[X.] 5). Gegenteilige Feststellungen hat das [X.] nicht getroffen und sind auch nicht ersichtlich. Eine dahingehende Verfahrensrüge (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG) hat die Klägerin nicht erhoben.

Hinsichtlich der [X.] an beiden Armen war ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Einbeziehung in die Studie ausgeschlossen, weil die Erp-[X.] Liposuktion nur die Liposuktion des Lipödems der Beine zum Gegenstand hat (§ 3 Abs 1 Erp-[X.]).

3. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf die [X.] Methoden Krankenhausbehandlung des [X.] stützen. Der Beschluss des [X.] vom [X.] änderte Anlage I der [X.] Methoden Krankenhausbehandlung. Deren [X.] 14 sieht nunmehr - befristet - vor, dass die Liposuktion bei Lipödem im [X.] zu den Methoden gehört, die für die Versorgung mit Krankenhausbehandlung erforderlich sind ([X.] Methoden Krankenhausbehandlung, BAnz [X.], iVm der [X.] über Maßnahmen zur Qualitätssicherung nach § 136 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] bei Verfahren der Liposuktion bei Lipödem im [X.], BAnz [X.]). Diese Änderung trat jedoch mit Wirkung vom 7.12.2019 in [X.], und damit hier erst nach Durchführung der letzten Liposuktion. Auf den Ausprägungsgrad des Lipödems der Klägerin vor den Behandlungen kommt es deshalb nicht an.

4. Die durchgeführten [X.] entsprachen nicht dem allgemeinen [X.] nach § 2 Abs 1 Satz 3 [X.]. Hiernach haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Dies erfordert für die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden den vollen Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute (stRspr; näher dazu BSG vom 28.5.2019 - [X.] KR 32/18 R - [X.]-2500 § 137c [X.] 13 Rd[X.]1 und 33, jeweils mwN; BSG vom 19.3.2020 - [X.] KR 20/19 R - [X.], 73 = [X.]-2500 § 12 [X.] 18, Rd[X.] 15 mwN). Die [X.] der Klägerin entsprachen im [X.]punkt ihrer Durchführung 2017/2018 diesem Maßstab nicht, wie gerade die Erp-[X.] Liposuktion belegt, die dazu dient, eine abschließende Beurteilung darüber herbeizuführen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Liposuktion bei Lipödem dem allgemeinen [X.] entspricht (vgl auch BSG vom [X.] - [X.] KR 25/20 R - [X.], 67 = [X.]-2500 § 137c [X.] 15, Rd[X.] 18).

5. Ob die Klägerin einen Anspruch auf die [X.] nach Maßgabe des § 137c Abs 3 [X.] hatte, kann der [X.] mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen des [X.] nicht abschließend beurteilen.

a) Nach § 137c Abs 3 [X.] idF des [X.] dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der [X.] bisher keine Entscheidung nach § 137c Abs 1 [X.] getroffen hat (vgl dazu oben 1.), im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, die Behandlungsalternative also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Abs 1 Satz 1 gestellt worden ist, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Abs 1 - wie hier bei Durchführung der [X.] 2017/2018 - noch nicht abgeschlossen ist (dazu oben 1.). Im Anwendungsbereich des § 137c [X.] ist das allgemeine [X.] des § 2 Abs 1 Satz 3 [X.] durch § 137c Abs 3 [X.] partiell eingeschränkt und erweitert den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlung. An die Stelle des allgemeinen [X.]s tritt der Potentialmaßstab. Dies hat der erkennende [X.] mit Urteil vom [X.] unter Aufgabe seiner bisherigen stRspr entschieden (ausführlich dazu BSG vom [X.] - [X.] KR 25/20 R - [X.], 67 = [X.]-2500 § 137c [X.] 15, Rd[X.]2 ff).

b) Der [X.] hat darauf abgestellt, dass der Anwendungsbereich von [X.] zur Gewährleistung eines ausreichenden Patientenschutzes für den Fall einer noch nicht existierenden Erp-[X.] wegen des transitorischen, auf eine abschließende Klärung ausgerichteten [X.] eng auszulegen ist. Der Potentialmaßstab des § 137c Abs 3 [X.] geht unter den nachfolgend dargestellten Einschränkungen als lex specialis dem allgemeinen [X.] vor. Versicherte haben außerhalb eines auf einer Erp-[X.] beruhenden [X.] vor dessen inhaltlicher Konkretisierung Anspruch auf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs, wenn es 1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und wenn 3. die Leistung das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet (vgl ausführlich dazu BSG vom [X.] - [X.] KR 25/20 R - [X.], 67 = [X.]-2500 § 137c [X.] 15 Rd[X.]0 ff).

c) Diese Voraussetzungen für einen Anspruch auf [X.] außerhalb eines [X.] gelten auch für die [X.] nach Erlass einer Erp-[X.] weiter. Die Gründe für diese Voraussetzungen sind auch nach dem Erlass einer Erp-[X.] unverändert zutreffend, solange und soweit der [X.] keine Regelungen nach § 137e Abs 2 Satz 3 [X.] getroffen hat (dazu d).

Auch nach Inkrafttreten einer Erp-[X.] ist weiterhin die Evidenz dafür, dass die Methode nicht nur Potential hat, sondern tatsächlich dem [X.] entspricht, noch nicht belegt. Nur die Teilnahme an dem durch die Erp-[X.] und das Studiendesign vorgegebenen Erprobungsverfahren bietet ein ausreichend schützendes Setting, das die Gefahren einer nur potentiell gleich oder besser als die Standardbehandlung wirksamen Behandlungsmethode kompensiert. Im Widerstreit zwischen Innovation und Patientenschutz ist bei fehlenden kompensatorischen Sicherungen in Gestalt des geschützten Settings der Studie dem Patientenschutz Vorrang einzuräumen.

d) Der [X.] kann nach § 137e Abs 2 Satz 3 [X.] weitere Qualitätsanforderungen festlegen. Die Vorschrift bestimmt (idF durch Art 6 [X.] 18 des [X.] vom 10.12.2015, [X.] 2229): Für Krankenhäuser, die nicht an der Erprobung teilnehmen, kann der [X.] nach den §§ 136 bis 136b Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung regeln.

Dadurch kann der [X.] im Interesse des Patientenschutzes einerseits zusätzliche Qualifikationsanforderungen für die an der Erprobung nicht teilnehmenden Krankenhäuser festlegen, um der Patientensicherheit außerhalb des geschützten Settings der Studie kompensatorisch Rechnung zu tragen. Es ist ihm auch nicht verwehrt, aus Gründen der Klarstellung die ohnehin nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 Satz 3 [X.]) zu beachtende Struktur- und Prozessqualität (vgl dazu BSG vom [X.] - [X.] KR 18/20 R ) normativ zu beschreiben oder patientenschützende Vorgaben des Studiendesigns zu übernehmen und den nicht teilnehmenden Krankenhäusern verbindlich vorzugeben. Der [X.] hat im Fall der Liposuktion jedenfalls zum [X.]punkt des hier maßgebenden Leistungsgeschehens keine ergänzenden Vorgaben für die nicht teilnehmenden Krankenhäuser nach § 137e Abs 2 Satz 3 [X.] vorgesehen.

e) Begrenzungen für Ansprüche auf [X.] ergeben sich auch aus den Erp-[X.] iVm § 137e Abs 2 Satz 1 und 2 [X.] und dem jeweiligen Studiendesign selbst. § 137e Abs 2 Satz 1 und 2 [X.] (in der Ursprungsfassung durch Art 1 [X.] 56 des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, [X.] 2983) bestimmt: Der Gemeinsame [X.] regelt in der [X.] nach Abs 1 Satz 1 die in die Erprobung einbezogenen Indikationen und die sächlichen, personellen und sonstigen Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung im Rahmen der Erprobung. Er legt zudem Anforderungen an die Durchführung, die wissenschaftliche Begleitung und die Auswertung der Erprobung fest.

Diese Vorgaben gelten aber nur für an der Erprobung teilnehmende Krankenhäuser. § 137e Abs 2 Satz 3 [X.] stellt für die nicht an der Erprobung teilnehmenden Krankenhäuser eine abschließende Regelungsermächtigung des [X.] dar. Eine Regelungslücke, die es gebieten könnte, die Regelungsermächtigung nach § 137e Abs 2 Satz 1 und 2 [X.] hinsichtlich patientenschützender Regelungen entsprechend auf nicht an der Erprobung teilnehmende Krankenhäuser zu erstrecken, liegt nicht vor. Soweit diese Regelungen und das Studiendesign Eingrenzungen vornehmen und Anforderungen an Struktur- und Prozessqualität aufstellen, kommt ihnen nur im tatsächlichen Sinn eine indizielle Bedeutung zu. Dies betrifft die Frage, ob die Methode auch für von der Erp-[X.] nicht erfasste Indikationen Potential hat. Es betrifft auch die Frage, ob und in welchem Umfang die in der Erp-[X.] und dem Studiendesign vorgegebene Struktur- und Prozessqualität nach dem Maßstab des gesicherten Nutzens auch außerhalb des [X.] zu beachten ist.

f) Der [X.] kann offenlassen, ob Krankenhäuser, die an der Erprobung teilnehmen, Versicherte, die keine Studienteilnehmer sind, mit einer Potentialleistung behandeln dürfen, wenn keine schwerwiegende Erkrankung vorliegt und die Möglichkeiten der Standardbehandlung noch nicht erfolglos ausgeschöpft sind. Der [X.] muss hierüber nicht entscheiden, weil die Klägerin die [X.] bereits mehr als zwei Jahre vor Studienbeginn (vgl dazu 1.) in einem nicht an der Erprobung beteiligten Krankenhaus durchführen ließ.

g) Kann danach bereichsspezifisch der Potentialmaßstab zur Anwendung kommen, gelten die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenhausbehandlung uneingeschränkt (vgl dazu BSG vom [X.] - [X.] KR 25/20 R - [X.], 67 = [X.]-2500 § 137c [X.] 15, Rd[X.] 43).

6. Da keine Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ist die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. Es hat der bisherigen, nunmehr aufgegebenen Rechtsprechung folgend und daher von seinem Standpunkt aus zutreffend, keine weiteren Tatsachen festgestellt. Das [X.] muss insbesondere feststellen, ob es sich bei dem Lipödem der Klägerin um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung handelte. Zweifel hieran ergeben sich aufgrund der Stellungnahme des [X.], dass eine Adipositas Grad I vorgelegen habe und von Funktionseinschränkungen der Hüften und der Beine nicht auszugehen gewesen sei. Ferner muss das [X.] feststellen, ob vor den Operationen keine andere Standardbehandlung (mehr) verfügbar war und die Operationen auch ansonsten wirtschaftlich erfolgten, also nicht über das als Naturalleistung Geschuldete hinausgingen. Zudem ist auf Grundlage der vorgelegten Rechnungen zu prüfen, ob diese formell ordnungsgemäß waren und die Klägerin einer wirksamen Zahlungsforderung ausgesetzt war (vgl etwa BSG vom 2.9.2014 - [X.] KR 11/13 R - [X.], 10 = [X.]-2500 § 13 [X.]2, Rd[X.]7 f; BSG vom 11.7.2017 - [X.] KR 1/17 R - [X.]-2500 § 13 [X.]7, Rd[X.]9 f, 34).

7. Die Kostenentscheidung bleibt dem [X.] vorbehalten.

[X.]                                                            Scholz

zugleich für den krankheits-

bedingt an der Signatur ge-

hinderten Richter [X.].

Meta

B 1 KR 38/21 R

18.08.2022

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Karlsruhe, 17. Januar 2019, Az: S 9 KR 2365/17, Gerichtsbescheid

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.08.2022, Az. B 1 KR 38/21 R (REWIS RS 2022, 6145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6145

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 1 KR 20/21 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankenbehandlung - Lipödem - Voraussetzungen der Versorgung mit einer Potentialleistung nach Erlass einer …


B 1 KR 29/21 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Kostenerstattung - Liposuktion - partielle Einschränkung des Qualitätsgebots bei Krankenhausbehandlung mit dem Potential …


B 1 KR 25/20 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Kostenerstattung - Liposuktion - partielle Einschränkung des Qualitätsgebots bei Krankenhausbehandlung mit dem Potential …


B 1 KR 32/18 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - stationäre Krankenhausbehandlung - Methoden, die lediglich das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten - …


B 1 KR 13/16 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - stationäre Krankenhausbehandlung - Liposuktion bei Lipödem - Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative - Anspruch …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.