Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.02.2016, Az. 3 AZR 230/14

3. Senat | REWIS RS 2016, 15802

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Gegenstand

Betriebliche Altersversorgung - Zulässigkeit der Berufung - Folgen einer Einschränkung der Berufungsanträge


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 14. Februar 2014 - 8 [X.] 303/13 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Berufung des [X.] gegen das Endurteil des [X.] vom 5. Dezember 2012 - 7 Ca 1510/12 - als unzulässig verworfen wird.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Anwartschaft des [X.] auf betriebliche Altersrente.

2

Der im November 1973 geborene Kläger war vom 2. April 1996 bis 30. November 2010 bei der [X.] beschäftigt. Diese gewährt ihren Arbeitnehmern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach einem [X.], der [X.]. bestimmt, dass für die Ermittlung der anrechnungsfähigen Dienstzeit Zeiten vor der Vollendung des 25. Lebensjahres nicht zu berücksichtigen sind.

3

Mit Schreiben vom 28. September 2010 teilte die Beklagte dem Kläger die Höhe seiner unverfallbaren Anwartschaft iHv. 117,38 Euro brutto monatlich mit. Bei der Berechnung der Anwartschaft hat die Beklagte die Dienstjahre nicht berücksichtigt, die der Kläger vor der Vollendung seines 25. Lebensjahres im Arbeitsverhältnis mit ihr zurückgelegt hat.

4

Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass ihm eine höhere Anwartschaft zustehe und die Auffassung vertreten, bei deren Berechnung seien auch die Dienstjahre zu berücksichtigen, die er vor der Vollendung seines 25. Lebensjahres erbracht habe. Die entgegenstehende Regelung im [X.] verstoße gegen Unionsrecht und das AGG.

5

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt

        

1.    

festzustellen, dass zur Berechnung des monatlichen [X.] gegenüber der [X.] gemäß dem „[X.] der Mitarbeiter der [X.]“ die Dienstjahre hinzuzurechnen sind, die er vor Vollendung des 25. Lebensjahres bereits bei der [X.] beschäftigt war,

        

2.    

festzustellen, dass ihm bei Inanspruchnahme eines Versorgungsfalls aus der betrieblichen Altersversorgung ([X.]) ein Versorgungsanspruch gegen die Beklagte iHv. monatlich 117,38 Euro brutto zuzüglich 27,81 Euro brutto zusteht,

        

3.    

hilfsweise

                 

festzustellen, dass ihm bei Inanspruchnahme eines Versorgungsfalls aus der betrieblichen Altersversorgung ([X.]) ein Versorgungsanspruch gegen die Beklagte iHv. monatlich 117,38 Euro brutto zuzüglich 8,38 Euro brutto zusteht.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres liegenden Dienstjahre seien bei der Berechnung der Anwartschaft nicht zu berücksichtigen. Die entsprechende Regelung im [X.] sei wirksam.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, den Streitwert auf 1.001,16 Euro festgesetzt und die Berufung ausdrücklich nicht gesondert zugelassen. In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] hat der Kläger zunächst seine ursprünglichen Klageanträge gestellt. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage hat die Prozessbevollmächtigte des [X.] mit Zustimmung der [X.] erklärt, nur den Hilfsantrag als Hauptantrag zu stellen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] als zulässig, aber unbegründet angesehen und deshalb zurückgewiesen. Mit der vom [X.] wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen zuletzt gestellten Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. [X.] gegen das die Klage abweisende arbeitsgerichtliche Urteil ist durch die Rücknahme der ursprünglichen Anträge zu 1. und 2. unzulässig geworden.

9

I. Die Zulässigkeit der Berufung ist eine vom [X.] wegen zu prüfende Prozessfortsetzungsbedingung (vgl. [X.] 9. Juli 2003 - 10 [X.] - zu 1 der Gründe; 28. Oktober 1981 - 4 [X.] - [X.]E 36, 303; 25. Oktober 1973 - 2 [X.] -). Fehlt sie, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist insoweit ohne Bedeutung (vgl. GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 74 Rn. 95f).

II. [X.] ist unzulässig.

1. Die Berufung kann nicht aufgrund des Wertes des [X.] nach § 64 Abs. 2 Buchst. [X.] eingelegt werden. Danach ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des [X.] 600,00 Euro übersteigt.

a) Zunächst erfüllte die uneingeschränkt eingelegte Berufung des Klägers nach dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert diese Voraussetzung. Der Wert der Beschwer lag über 600,00 Euro. Mit der Einschränkung der Anträge in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht fiel jedoch der Wert des [X.] auf höchstens 351,96 Euro (42-facher Wert der monatlichen Differenz iHv. 8,38 Euro gemäß § 9 ZPO) und damit unter den maßgeblichen Wert.

b) Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung kommt es jedoch auf den Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel an, wenn der Antrag freiwillig eingeschränkt wird.

aa) Zwar ist grundsätzlich für die Wertberechnung der Wert des [X.] im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung maßgebend (vgl. § 4 Abs. 1 ZPO). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Rechtsmittelkläger seine Anträge, ohne durch äußere Umstände dazu genötigt zu sein, freiwillig einschränkt; in diesen Fällen kann der Rechtsmittelkläger keine günstigere Behandlung beanspruchen, als wenn er das Rechtsmittel von vornherein in unzulässigem Umfang eingelegt hätte (vgl. [X.] 19. Januar 2006 - 6 [X.] - Rn. 18 mwN; 23. März 2004 - 3 [X.] - zu I 2 der Gründe mwN; 9. Juli 2003 - 10 [X.] - zu 2 der Gründe; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 74 Rn. 96). Der Gesetzgeber will die Berufungsinstanz nach § 64 Abs. 2 Buchst. [X.] nur eröffnen, wenn die Angelegenheit für die beschwerte Partei eine gewisse Bedeutung hat. Ob dies der Fall ist, steht erst bei der Stellung der Anträge fest.

bb) Der Kläger hat seine Berufungsanträge in diesem Sinne freiwillig auf einen Wert unterhalb der [X.] eingeschränkt. Es stünde der Freiwilligkeit der Einschränkung der Klageanträge auch nicht entgegen, wenn das [X.] diese im Laufe des Rechtsgesprächs angeregt haben sollte. Die Einschränkung der Berufung war nicht durch eine objektive Veränderung der materiellen Rechtslage bedingt. Ein Fall der freiwilligen Beschränkung liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Rechtsmittelkläger seiner Klage insoweit keine Erfolgsaussicht mehr beimisst ([X.] 9. Juli 2003 - 10 [X.] - zu 2 der Gründe).

2. Der Senat ist auch nicht befugt, die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung kann nur durch das Arbeitsgericht erfolgen. Dem Revisionsgericht ist demgegenüber im Gesetz ebenso wenig eine entsprechende Prüfungs- und Entscheidungskompetenz eingeräumt wie dem Berufungsgericht (vgl. GMP/Germelmann 8. Aufl. § 64 Rn. 48). Eine Regelung über eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie § 72a ArbGG sie für die Revisionszulassung vorsieht - besteht für das Berufungsverfahren nicht. Deshalb ist es auch unerheblich, dass das [X.] die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt     

        

        

        

    Wischnath     

        

    Brunke    

                 

Meta

3 AZR 230/14

23.02.2016

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Nürnberg, 5. Dezember 2012, Az: 7 Ca 1510/12, Urteil

§ 64 Abs 2 Buchst b ArbGG, § 64 Abs 3 Nr 1 ArbGG, § 4 Abs 1 ZPO, § 9 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.02.2016, Az. 3 AZR 230/14 (REWIS RS 2016, 15802)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 1900 REWIS RS 2016, 15802

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

12 Sa 15/22

12 Sa 230/18

5 Sa 150/16

12 Sa 234/22

20 U 3/21

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