Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.12.2010, Az. 1 B 30/10

1. Senat | REWIS RS 2010, 421

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Gegenstand

Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen; Ausreisehindernis aus rechtlichen Gründen; Abschiebestoppanordnung; Behördenermessen


Gründe

1

Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Beschwerde sieht zunächst die Frage als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig an, ob bei zugewanderten Ausländern, die in [X.] seit Jahren Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen und hier in vollem Umfang auch von der Sprache her integriert sind, ein [X.] im Sinne von § 25 Abs. 5 [X.] besteht und sie daher einen Anspruch auf weiteren Aufenthalt haben müssen (Beschwerdebegründung S. 4 Nr. 1).

3

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage lässt sich nicht verallgemeinerungsfähig beantworten. Durch die Rechtsprechung des [X.] ist bereits geklärt, dass ein [X.] im Sinne von § 25 Abs. 5 [X.] auch darin bestehen kann, dass dem Ausländer die Ausreise aus rechtlichen Gründen unmöglich ist. Die Unmöglichkeit kann u.a. darin liegen, dass ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich auch aus inlandsbezogenen [X.] ergeben, die ihre Grundlage etwa in Art. 8 [X.] haben (vgl. Urteil vom 27. Juni 2006 - BVerwG 1 [X.] 14.05 - BVerwGE 126, 192 Rn. 17 m.w.N.). Ob sich ein derartiges Abschiebungsverbot als Ergebnis eines langjährigen Prozesses der Verwurzelung des Ausländers in [X.] ergibt, ist aber eine Frage des Einzelfalls, die sich einer verallgemeinernden Beantwortung entzieht. Dabei ist die von der Beschwerde angesprochene wirtschaftliche Integration nur einer von zahlreichen zu berücksichtigenden Umständen. Nichts anderes ergibt sich bei der von der Beschwerde geforderten Auslegung der Vorschrift im Lichte des Grundgesetzes (hier insbesondere des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG).

4

2. Die Beschwerde hält weiterhin die Frage für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig, ob der [X.] über den Abschiebestopp für [X.] Staatsangehörige ein solcher nach § 60a Abs. 1 [X.] sei und dieser dann eine Anordnung nach § 23 Abs. 1 [X.] bedinge. Denn § 60a Abs. 1 Satz 2 [X.] regele, dass für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten § 23 Abs. 1 [X.] gelte, so dass zu klären sei, inwieweit dann von Zuwanderung auszugehen sei mit der Folge, dass dies im Rahmen entweder von § 25 Abs. 3 [X.] oder § 23 Abs. 1 [X.] berücksichtigt werden müsse (Beschwerdebegründung S. 4 f. Nr. 2).

5

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage bedarf nicht der Klärung im Rahmen eines Revisionsverfahrens. Sie lässt sich vielmehr ohne weiteres dahin beantworten, dass aus § 60a Abs. 1 Satz 2 [X.] kein Anspruch auf Erlass einer Anordnung nach § 23 Abs. 1 [X.] folgt. Das [X.] hat bereits zur Rechtslage nach dem [X.] 1990 entschieden, dass [X.] gemäß § 54 AuslG 1990 für ganze Ausländergruppen wegen ihrer weitreichenden Folgewirkungen als politische Grundsatzentscheidungen allein in das Ermessen der [X.] und der Länder gestellt sind und subjektive, einklagbare Rechte einzelner Ausländer grundsätzlich ausgeschlossen sein sollen (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 [X.] 9.95 - BVerwGE 99, 324 <327>). Es ist weder von der Beschwerde vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 60a [X.] hieran etwas ändern wollte. Vielmehr hat das Berufungsgericht überzeugend ausgeführt ([X.]), dass der Verweis auf § 23 Abs. 1 [X.] in § 60a Abs. 1 Satz 2 [X.] ausschließlich dahin zu verstehen ist, dass es für die Anordnung einer Aussetzung der Abschiebung von länger als sechs Monaten des in § 23 Abs. 1 Satz 3 [X.] geregelten Einvernehmens mit dem [X.] bedarf. Hiervon geht auch die [X.] zum [X.] vom 26. Oktober 2009 in Nr. 60a 1.3.1 aus ([X.] 2009, 878). Diese Rechtsauffassung wird auch von der Kommentarliteratur geteilt (vgl. etwa [X.], [X.], Stand: Juni 2009, § 60a [X.] Rn. 2 und 14; [X.] in: GK-[X.], § 23 Rn. 17, Stand Juni 2007 und § 60a Rn. 31, Stand Mai 2010).

6

Warum die Dauer der Aussetzung der Abschiebung im vorliegenden Fall im Rahmen von § 25 Abs. 3 [X.] eine Rolle spielen soll, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht. [X.], wie sie Voraussetzung für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 [X.] sind, wurden hier rechtskräftig verneint.

7

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Meta

1 B 30/10

14.12.2010

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 16. September 2010, Az: 11 S 1726/10, Beschluss

§ 23 Abs 1 S 3 AufenthG 2004, § 25 Abs 5 AufenthG 2004, § 60a Abs 1 S 2 AufenthG 2004, Art 8 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.12.2010, Az. 1 B 30/10 (REWIS RS 2010, 421)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 421

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Kein faktischer Inländer bei geringen Integrationserfolgen


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11 LC 288/16

M 7 K0 15.1383

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