Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.10.2022, Az. 11 W (pat) 37/18

11. Senat | REWIS RS 2022, 8948

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Gegenstand

Patentbeschwerdesache – „Abgassteuervorrichtung“ – Erledigung des Einspruchs- beziehungsweise des Einspruchs-Beschwerdeverfahrens in der Hauptsache – zugelassene Rechtsbeschwerde – erloschenes Streitpatent - Rechtschutzinteresse


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2008 043 895

hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] am 18. Oktober 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]. Höchst sowie [X.], [X.] und Dipl.-Chem. Dr. Deibele

beschlossen:

1. Es wird festgestellt, dass das Einspruchs- und das Einspruchs-Beschwerdeverfahren in der Hauptsache erledigt sind.

2. Der mit der Beschwerde angefochtene Beschluss der [X.] des [X.] vom 7. Juni 2018 ist wirkungslos.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Einsprechende hat gegen das Patent 10 2008 043 895.2 (Streitpatent) mit der Bezeichnung „Abgassteuervorrichtung“, dessen Erteilung am 16. April 2015 veröffentlicht worden ist, Einspruch erhoben. Gegen den Beschluss der [X.] des [X.] ([X.]) vom 7. Juni 2018, 2018, mit dem das Streitpatent beschränkt aufrechterhalten wurde, hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt.

2

Das Streitpatent ist zwischenzeitlich während des [X.] gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 [X.] durch Nichtzahlung der 14. Patentjahresgebühr erloschen.

3

Der erkennende Senat hat daraufhin mit Bescheid vom 26. Juli 2022 den Beteiligten mitgeteilt, dass er das Beschwerdeverfahren durch Beschluss in der Hauptsache für erledigt erklären werde, falls nicht ein Rechtsschutzinteresse an einem rückwirkenden Widerruf des Streitpatents geltend gemacht würde. Zu diesem Bescheid hat keine der Verfahrensbeteiligten Stellung genommen.

4

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

5

Das Einspruchsverfahren und das Einspruchs-Beschwerdeverfahren sind gemäß § 61 Abs. 1 Satz 4 [X.] durch feststellenden Beschluss in der Hauptsache für erledigt zu erklären, da das Streitpatent erloschen ist und keine der beiden Verfahrensbeteiligten an der Fortführung des Verfahrens ein Rechtsschutzinteresse geltend gemacht hat.

6

1. Nach dem Erlöschen eines Patents, das sich im Einspruchsverfahren befindet, kommt ein gegebenenfalls noch bestehendes Interesse der Allgemeinheit am Widerruf eines Patents mit Wirkung „ex tunc“ nicht mehr zum Tragen (vgl. B[X.] GRUR 1996, 873, 874 f - „Rechtschutzbedürfnis“; B[X.] GRUR 2010, 363, 365 ff. - „Radauswuchtmaschine“). In einem solchen Fall tritt Erledigung des [X.] in der Hauptsache ein, wenn nicht der oder die Einsprechende ausnahmsweise ein besonderes Rechtsschutzinteresse an der Fortführung des [X.] hat (vgl. [X.], 1071, 1072 [Rz. 9] - „Sondensystem“; a. A. wohl: [X.]/[X.]/ [X.], [X.], 11. Aufl., § 59 Rn. 120 ff.). Die vorliegende Einsprechende hat sich auf Nachfrage des Senats, ob sie ein entsprechendes Interesse am Widerruf des Streitpatents mit Wirkung „ex tunc“ habe, nicht geäußert, weshalb davon auszugehen ist, dass ein solches Interesse nicht besteht. Damit hat im vorliegenden Fall das Erlöschen des Streitpatents unmittelbar zur Erledigung des vorliegenden [X.] in der Hauptsache geführt.

7

2. Mit der Erledigung des [X.] ist auch eine Erledigung hinsichtlich des vorliegenden Beschwerdeverfahrens eingetreten, das dieselbe Zielrichtung betraf (vgl. Busse/[X.], [X.], 8. Aufl., § 73 Rn. 195). Eine Fortführung des [X.] haben auch die Patentinhaberinnen nicht begehrt, obwohl ihnen das eine Möglichkeit eröffnet hätte, ggf. im Wege einer Anschlussbeschwerde nochmals aktiv gegen die auch sie belastende, erstinstanzliche Entscheidung vorzugehen (vgl. hierzu: [X.]Püschel, [X.], 11. Aufl., § 73 Rn. 211). Im Interesse der vorliegenden Verfahrensbeteiligten sowie Dritter konnte daher durch den hier gefassten, der förmlichen Rechtskraft fähigen Beschluss auch die Erledigung des vorliegenden [X.] ausgesprochen werden (vgl. B[X.] GRUR 2010, 363, 365 - „Radauswuchtmaschine“; Busse/[X.], [X.], 8. Aufl., § 73 Rn. 191, 200).

8

3. Die Erledigung des [X.] in der Hauptsache führt in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO zur Wirkungslosigkeit des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses (vgl. Busse/[X.], [X.], 8. Aufl., § 73 Rn. 189 ff., 200). Im Interesse der Öffentlichkeit ist auch diese Rechtsfolge von Amts wegen festzustellen (vgl. Busse/[X.], [X.], 7. Aufl., § 59 Rn. 295; vgl. auch Anmerkung [X.] in [X.]. 2014, 282, 283).

9

4. In entsprechender Anwendung von § 79 Abs. 2 [X.] ergeht der vorliegende Beschluss ohne mündliche Verhandlung.

5. Für eine Kostenentscheidung war kein Raum, da eine Kostenauferlegung weder für das Einspruchsverfahren noch hinsichtlich des vorliegenden [X.] der Billigkeit entsprochen hätte (vgl. § 62 Abs. 1 [X.] bzw. § 80 Abs. 1 [X.]).

6. Zur Rechtsfrage, ob die Erledigung des [X.] hier in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO zur Wirkungslosigkeit des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses geführt hat, war gemäß § 100 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die genannte Rechtsfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung und höchstrichterlich bisher nicht geklärt worden. In Fällen, in denen mit einem erstinstanzlichen Beschluss ein Voll- oder Teilwiderruf eines Patents ausgesprochen wurde, verhindert die Anwendung der genannten Regelung den Eintritt der Bestandskraft und verursacht damit quasi „rückwirkend“ wieder die ungeschmälerte Aufrechterhaltung des Patents. Die Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO führt damit zu einem Ergebnis, das sowohl für die Allgemeinheit als auch für den jeweiligen Einsprechenden einen gleichsam überraschenden wie belastenden Rechtsnachteil bedeuten kann. Mit Blick auf Sinn und Zweck eines patentamtlichen [X.] und eines patentgerichtlichen [X.] stellt sich damit die Frage, ob beim patentamtlichen Einspruchsverfahren im Sinne von § 99 Abs. 1 [X.] Besonderheiten zu beachten sind, die hier eine entsprechende Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO ausschließen.

Meta

11 W (pat) 37/18

18.10.2022

Bundespatentgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 59 PatG, § 61 PatG, § 269 Abs 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.10.2022, Az. 11 W (pat) 37/18 (REWIS RS 2022, 8948)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8948

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