Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.04.2018, Az. X R 24/17

10. Senat | REWIS RS 2018, 9984

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Gegenstand

(Keine Anwendung des Abzugsverbots nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. bei Aufwendungen eines Raststättenbetreibers für die Bewirtung von Busfahrern als Gegenleistung für das Zuführen von potentiellen Kunden)


Leitsatz

1. Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. gilt nicht, wenn und soweit die Bewirtung Gegenstand eines Austauschverhältnisses im Sinne eines Leistungsaustausches ist.

2. Das Vorliegen eines Leistungsaustausches setzt nicht voraus, dass das Entgelt für die Bewirtung in Geld entrichtet wird. Die Gegenleistung kann u.a. auch in Form einer Werk-, Dienst-, oder Vermittlungsleistung erbracht werden.

3. Das Zuführen von potentiellen Kunden stellt eine die Anwendung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. ausschließende Gegenleistung des Busfahrers für die Bewirtung durch den Raststättenbetreiber dar.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 24. April 2017  2 K 11255/15 aufgehoben.

Die Gewerbesteuer wird unter Abänderung des Gewerbesteuermessbescheids des Beklagten für 2003 vom 18. September 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. August 2015 auf den Betrag festgesetzt, der sich bei Minderung des [X.] um 3.199 € ergibt.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 2003 gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb mehrerer Autobahnraststätten. Seinen Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Busfahrer, die mit einem mit potentiellen Kunden gefüllten Bus bei den Raststätten des [X.] hielten, wurden von ihm bewirtet, ohne dass die Busfahrer hierfür bezahlen mussten. Hierfür fielen im Streitjahr Aufwendungen in Höhe von 15.995 € an, die nach Maßgabe von § 4 Abs. 7 EStG aufgezeichnet wurden. Die kostenlose Verpflegung hätten die Busfahrer auch bei privaten Besuchen der Autobahnraststätten des [X.] in Anspruch nehmen können. Diese Möglichkeit wurde jedoch im Streitjahr nicht genutzt.

3

Im Rahmen einer im Unternehmen des [X.] durchgeführten Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die Aufwendungen des [X.] für die Bewirtung der Busfahrer gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG a.[X.]) um 3.199 € (20 %) zu kürzen seien.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) änderte den Gewerbesteuermessbescheid für 2003 am 18. September 2014 entsprechend dem Ergebnis der Betriebsprüfung.

5

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht ([X.]) die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2017, 1157 veröffentlichtem Urteil ab. Die Aufwendungen des [X.] stellten Bewirtungsaufwendungen i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG a.[X.] dar. Den Busfahrern seien Speisen und Getränke zum sofortigen Verzehr überlassen worden. Dies sei auch unentgeltlich erfolgt, denn die bewirteten Busfahrer hätten kein besonderes Entgelt für die Verpflegung geleistet. Auch wenn der Kläger die Busfahrer mit der kostenlosen Bewirtung dafür belohnt habe, seine Raststätten mit potentiellen Kunden angefahren zu haben, könne umgekehrt diese "Leistung" der Busfahrer nicht als (synallagmatische) Gegenleistung oder Entgelt für die Verpflegung angesehen werden. Ein Leistungsaustausch liege nicht vor, da jedenfalls keine Verpflichtung der Busfahrer bestanden habe, die Raststätten des [X.] anzusteuern. Hinzu komme, dass die Busfahrer sogar dann kostenlos bewirtet worden wären, wenn sie ohne Fahrgäste privat in der Raststätte erschienen wären. Die Ausnahmevorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG a.[X.] sei nicht einschlägig.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Abgabe der Speisen an die Busfahrer sei als eine Art Vermittlungsprovision zu sehen. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG a.[X.] seien hinsichtlich der Bewirtungsaufwendungen des [X.] erfüllt.

7

Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über den [X.] 2003 vom 18. September 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. August 2015 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbeertrag um 3.199 € gemindert wird.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Abgabe der Speisen an die Busfahrer sei nicht als Vermittlungsprovision anzusehen.

Entscheidungsgründe

II.

[X.]ie Revision ist begründet. [X.]ie Aufwendungen des [X.] für die Bewirtung der Busfahrer sind ungekürzt zu berücksichtigen. [X.]a deren Höhe nicht im Streit steht, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

[X.]ie Aufwendungen für die Bewirtung der Busfahrer sind weder nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG a.[X.] um 20 % zu kürzen (dazu unter 1.) noch nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 i.V.m. § 299 des Strafgesetzbuchs in der im Streitjahr geltenden Fassung (StGB a.[X.]) vom Abzug ausgeschlossen (dazu unter 2.). [X.]ie betriebliche Veranlassung dieser Aufwendungen nach § 4 Abs. 4 EStG steht zu Recht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

1. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG a.[X.] (i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes) sind Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass nicht abzugsfähig, soweit sie 80 % der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind.

a) "Bewirtung" im Sinne dieser Regelung ist jede [X.]arreichung von Speisen, Getränken oder sonstigen Genussmitteln zum sofortigen Verzehr (vgl. Senatsurteil vom 17. Juli 2013 [X.], [X.], 347, Rz 22). Es kommt nicht darauf an, ob die Beköstigung der bewirteten Person im Vordergrund steht oder die Bewirtung (aus der Sicht des Bewirtenden) auch bzw. in erster Linie der Werbung oder der Repräsentation dient (Urteil des [X.] vom 7. September 2011 I R 12/11, [X.], 225, [X.], 194, Rz 9, und Senatsurteil in [X.], 347, Rz 22).

b) [X.]as Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG a.[X.] gilt nicht, wenn und soweit die Bewirtung Gegenstand eines Austauschverhältnisses im Sinne eines Leistungsaustausches ist (Senatsurteil in [X.], 347, Rz 23; Stapperfend in [X.]/[X.]/[X.], § 4 EStG Rz 1185). [X.], die im Leistungsaustausch vergütet werden, gehören nicht zu den in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG a.[X.] gemeinten Aufwendungen, was etwa der Fall ist, wenn diese [X.] in Teilnehmergebühren wie etwa Seminargebühren eingerechnet worden sind (Senatsurteil in [X.], 347, Rz 23; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, §§ 4, 5 Rz 1684).

c) Für die Frage, ob ein Leistungsaustausch vorliegt, ist auf die konkrete, d.h. jede einzelne Bewirtung abzustellen. [X.]ie Annahme eines Leistungsaustausches in diesem Sinne erfordert nicht zwingend, dass das Entgelt für die Bewirtung in Geld entrichtet wird. [X.]ie Gegenleistung kann vielmehr u.a. auch in Form einer Werk-, [X.]ienst-, oder Vermittlungsleistung erbracht werden.

d) Hiernach liegen die Voraussetzungen für das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG a.[X.] im Streitfall nicht vor, da die [X.] für die Busfahrer Gegenstand eines Leistungsaustausches sind.

aa) [X.]ie Busfahrer haben die Speisen und Getränke als Gegenleistung dafür erhalten, dass sie die Raststätten des [X.] mit ihrem Bus angefahren und dem Kläger damit eine Vielzahl von potentiellen Kunden zugeführt haben. [X.] ist dabei, dass manche [X.] möglicherweise die Raststätten des [X.] nicht betreten oder keine Speisen und Getränke konsumiert haben. [X.]er Kläger hat die Busfahrer für die konkrete Leistung entlohnt, dass dieser die [X.] zu den Raststätten des [X.] gebracht und damit die Rahmenbedingungen dafür geschaffen hat, dass viele der Reisenden Mahlzeiten in der Raststätte des [X.] zu sich nehmen. Es steht dem Leistungsaustausch nicht entgegen, dass die Busfahrer nicht verpflichtet waren, die Raststätte des [X.] anzufahren. In dem Zeitpunkt, in dem die Busfahrer sich bewirten haben lassen, nachdem sie mit ihrem Reisebus vor einer der Raststätten des [X.] geparkt haben, hatten sie ihre Leistung erbracht, so dass diese konkrete Bewirtung jedenfalls Gegenstand eines Leistungsaustausches war.

bb) [X.]ass die Busfahrer die Zuwendungen des [X.] auch bei einem privaten Besuch erhalten hätten, schließt das Vorliegen eines Leistungsaustausches deshalb nicht aus. [X.]er steuerlichen Beurteilung unterliegt der tatsächlich verwirklichte, nicht ein fiktiver Sachverhalt, d.h. die im konkreten Einzelfall durchgeführte Bewirtung (s.o. unter [X.]). Nach den Feststellungen des [X.] wurde die Möglichkeit, Bewirtungen in den Raststätten des [X.] bei rein privaten Anlässen in Anspruch zu nehmen, von den Busfahrern im Streitjahr nicht genutzt. [X.]amit wurde für die Bewirtungen stets eine Gegenleistung von den Busfahrern erbracht.

e) Auf die Frage, ob im Streitfall die Ausnahme vom Abzugsverbot gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG a.[X.] zur Anwendung kommen könnte, kommt es danach nicht mehr an.

2. Eine Minderung der Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG a.[X.] i.V.m. § 299 StGB a.[X.] scheidet aus, da die Zuwendungen an die Busfahrer nicht nach § 299 Abs. 2 StGB a.[X.] strafbar waren. [X.]er Tatbestand des § 299 Abs. 2 StGB a.[X.] setzt u.a. voraus, dass der Bestechende auf den Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes dahin einwirkt, dass dieser im Rahmen seines [X.]ienst- oder Auftragsverhältnisses den [X.] (oder einen zu bevorzugenden [X.]) bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen --im Verhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dem [X.] (oder zu bevorzugenden [X.])-- bevorzuge (vgl. Urteil des [X.] vom 21. März 1938  3 [X.] 154/38, [X.], 132 zu § 12 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb a.[X.] als Vorläufervorschrift). Hieran fehlt es im Streitfall. Zwischen den Geschäftsherren der Busfahrer und dem Betrieb des [X.] besteht kein Verhältnis, das den Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen zum Gegenstand hat. Soweit der Kläger seine Raststätte offenhält, geschieht das gegenüber jedermann. Bezieher der Waren oder gewerblichen Leistungen des [X.] (Inanspruchnahme der in der Raststätte angebotenen Leistungen, die das wirtschaftliche Ziel der Bewirtung der Busfahrer sind), sind die [X.], nicht hingegen die Reiseunternehmen als Geschäftsherren der Busfahrer.

3. [X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

X R 24/17

26.04.2018

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 24. April 2017, Az: 2 K 11255/15, Urteil

§ 4 Abs 5 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 4 Abs 5 S 1 Nr 10 EStG 2002, § 299 StGB, § 4 Abs 4 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.04.2018, Az. X R 24/17 (REWIS RS 2018, 9984)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9984

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